"Der Kapitän, der 850 Menschen in den Tod schickte", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Der Kapitän des Totenschiffs wurde festgenommen", schreibt Het Belang Van Limburg auf Seite eins. "800 Tote auf dem Gewissen", bemerkt Het Laatste Nieuws. Auf vielen Titelseiten sieht man das Foto des türkischen Kapitäns, der rund 850 Menschen mit seinem Schiff von Nordafrika nach Italien bringen wollte. Rund 800 Flüchtlinge haben die Überfahrt nicht überlebt.
Viele Zeitungen bringen aber auch das Foto des N-VA-Vorsitzenden Bart De Wever. Auf den Bildern zeigt er seine flache Hand mit gespreizten Fingern. Dieses neue Symbol soll das "V" ersetzen, das aus Zeige- und Mittelfinger bestand. "Warum die N-VA das V eintauscht gegen den Helfie", schreibt denn auch De Morgen auf Seite eins. "Helfie", das steht für die neue Grundphilosophie der Nationalistenpartei. Es sind etwa die Hände, die beim Anschieben eines Autos helfen, wie auch ein YouTube-Film zeigt. Das alles ist Teil einer neuen Kampagne, die Parteichef Bart De Wever am Dienstag persönlich angestoßen hat. "Die offene Hand im Gegenwert von einer Million Euro", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Eine Werbekampagne zum Preis von einer Million, und es stehen nicht mal Wahlen an", bemerkt Het Laatste Nieuws. Le Soir stellt sich auf Seite eins die Frage, "warum die N-VA ihren Slogan ändert". Eine mögliche Antwort: Sie will ihr soziales Profil schärfen.
Die "helfende Hand' der N-VA
Eine solche Kampagne in Zeiten ohne Wahlen ist in Belgien höchst unüblich, analysiert Gazet Van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Die N-VA will offensichtlich ihr Image korrigieren. Im Augenblick können ihre Wähler nämlich den Eindruck haben, dass sich die vielbeschworene "Veränderung" bislang nur durch Sparmaßnahmen geäußert hat.
Die N-VA stellt also jetzt die "helfende Hand" in den Mittelpunkt. Ob damit aber ihre wirklichen Absichten deutlicher werden, sei dahin gestellt, notiert Het Laatste Nieuws. Wem will die Partie helfen? Otto Normalverbraucher? Dem Unternehmer? Dem Leistungsempfänger? Die Erfahrung lehrt jedenfalls, dass selten jedem geholfen wird. Und noch etwas: Helfies hin oder her, aber Politik ist nicht die Heilsarmee. Und so mancher Politiker glaubt, dass die "helfende Hand" zunächst mal für ihn selbst bestimmt ist.
L'Avenir stellt sich die Frage, was De Wever und seine N-VA mit dieser Kampagne bezwecken. Sie trägt eher spielerische denn ideologische Züge. Man darf aber davon ausgehen, dass hier nichts dem Zufall überlassen wurde. Wie so oft bei der N-VA ist die Botschaft wohl eher unterschwellig.
De Standaard denkt diesen Gedanken zu Ende. Die N-VA ist sich darüber im Klaren, dass sie gerade möglicherweise an einem Scheitelpunkt steht. Aus der Opposition heraus hat sie sich als "Kraft der Veränderung" profilieren wollen, jetzt ist sie an der Macht. Und jetzt zeigt sich, dass die Umbrüche doch nicht so schnell erfolgen können. Bart De Wever weiß, wie schnell das Image seiner Partei kippen kann. Und die Kampagne zeigt, dass es für die N-VA nicht nur wichtig ist zu regieren, sondern auch über die Wahrnehmung dieser Arbeit zu herrschen.
Het Belang Van Limburg sieht das ähnlich. Die Gefahr für die N-VA besteht darin, dass sie am Ende wie eine "Partei wie jede andere" betrachtet wird. Jetzt soll die Helfie-Kampagne die Flamen davon überzeugen, dass die große Veränderung tatsächlich kommen wird. der Weg ist allerdings noch lang.
Verwirrender Streik
Viele Zeitungen berichten auch über den heutigen Streik im öffentlichen Dienst. Die sozialistische Gewerkschaft CGSP hat die Mitarbeiter der Nahverkehrsgesellschaften, der SNCB, der Post und der Verwaltungen dazu aufgerufen, aus Protest gegen die Politik der Regierung die Arbeit niederzulegen. Die christliche CSC will sich nur punktuell dem Streik anschließen. CSC-Chef Marc Leemans bringt auf Seite eins von La Libre Belgique seinen Ärger über die roten Kollegen zum Ausdruck: "Gemeinsame Gewerkschaftsfront, das bedeute nicht, dass die FGTB beschließt und die CSC dann brav hinterherläuft", sagt der CSC-Vorsitzende.
Le Soir kann denn auch in seinem Leitartikel nur feststellen, dass der heutige Streik gleich auf mehreren Ebenen für spürbare Verwirrung und Unbehagen sorgt. Mit ihrem Alleingang bringt die CGSP den Dachverband FGTB in eine missliche Lage. Obwohl er schon seit Wochen angekündigt ist, fällt der Streik irgendwie vom Himmel. Die breite Öffentlichkeit versteht so gar nicht, warum man gerade jetzt wieder gegen Maßnahmen protestiert, die doch längst bekannt sind. Parallel dazu sind ja die Gewerkschaften gerade gemeinsam dabei, mit einem Crescendo auf eine neue nationale Protestaktion Ende Mai hinzuarbeiten.
Die CGSP stört diese Dramaturgie und sorgt eigentlich damit nur dafür, dass die Unterstützung in der Bevölkerung weiter abbröckelt.
Von Steuern
"Wie der Staat die Offshore-Firmen besteuern will", so die Aufmachergeschichte von Le Soir. Die Rede ist hier ja oft von der "Kaiman-Steuer". Mit dieser Abgabe will die Regierung auch unter Beweis stellen, dass nicht nur die kleinen Leute zur Kasse gebeten werden, sondern eben auch die großen Unternehmen. Le Soir hat also jetzt den Entwurf der "Kaiman-Steuer", einsehen können. Erstes Fazit der Zeitung: Es wird Schlupflöcher geben, die Steuer betrifft nicht alle Offshore-Konstruktionen.
"Der Tax-Shift ist da, der Knatsch aber auch", titelt derweil De Morgen. Die Verhandlungen über den famosen Tax-Shift treten jetzt in ihre heiße Phase ein. Die Regierung will ja die Steuerlast auf Arbeit verringern; dafür muss man aber alternative Geldquellen finden; im Raum stehen zum Beispiel eine Mehrwertsteuererhöhung oder eine Abgabe auf Börsenmehrwerten. Für die Regierung dürfte die Debatte aber zu einem Härtetest werden, erst am Dienstag kam es in der Kammer zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen CD&V und N-VA über die automatische Lohnindexbindung. Die Nationalistenpartei würde das System am liebsten ganz abschaffen, die CD&V erteilte solchen Plänen eine klare Absage.
Gas!
Viele Zeitungen schließlich erinnern am Dienstag an den ersten Gasangriff der Geschichte. Vor exakt 100 Jahren, im Ersten Weltkrieg, öffneten deutsche Truppen zeitgleich mehr als 5.000 Flaschen Chlorgas. Tausende Soldaten wurden getötet oder schwer verletzt. Im Grunde war Gas ein genauso anonymer Killer wie heute die Kampfdronen, bemerkt dazu Het Nieuwsblad. In 100 Jahren hat sich viel verändert; aber auch erschreckend wenig.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)