"Bis zu 1.000 Tote befürchtet", titelt Het Nieuwsblad. "Massengrab: Mittelmeer", schreiben De Standaard und La Libre Belgique. "Der Untergang der europäischen Flüchtlingspolitik", meint Le Soir. De Morgen fragt unterdessen auf Seite eins: "Wie lange wollen wir eigentlich noch wegschauen?"
Es wäre ein trauriger Rekord: Bis zu 950 Menschen sollen an Bord des in der Nacht zum Sonntag gekenterten Flüchtlingsboots gewesen sein. Dabei handelt es sich um das größte Unglück im Mittelmeer, berichtet Het Nieuwsblad. Bislang konnten nur 28 Menschen gerettet werden.
De Morgen meint: Nach dem mörderischen Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo schrie ganz Europa plötzlich "Je suis Charlie". Nach der neuerlichen Tragödie vor Europas Küsten sagt aber kaum jemand: "Je suis Fanus". Fanus, das ist ein 19-Jähriger, der vor der Militärdiktatur in seinem Heimatland Eritrea flüchtete und die Überfahrt nach Europa vor einem Jahr um ein Haar nicht überlebt hätte. Er konnte buchstäblich in letzter Sekunde vor Lampedusa in Sicherheit gebracht werden. Wie Tausende Andere träumte auch Fanus von einem besseren Leben in Europa. Solange den Menschen in Afrika nur Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung bleiben, werden sie ihr Schicksal in die Hand nehmen und flüchten - egal wie gefährlich die Überfahrt über das Mittelmeer auch sein mag, hält De Morgen fest.
Heuchlerische Politik
L'Avenir spricht vom "Schandfleck Mittelmeer" und kritisiert vor allem die Reaktion der Politiker überall in Europa. In Brüssel und den 27 anderen Hauptstädten ist nach dem Bekanntwerden der jüngsten Tragödie wieder die Rede von Schock, Schande und Herzschmerz. Wie heuchlerisch, findet das Blatt. Denn die europäische Politik der Abschottung ist mitverantwortlich für die Dramen auf hoher See. Angefeuert durch populistische Strömungen in der ganzen EU, frei nach dem Motto "Wir können nicht alles Elend dieser Welt bei uns aufnehmen".
Le Soir notiert: Die Lösungsansätze sind bestens bekannt. Zunächst muss das Chaos in Libyen beseitigt werden. Einige EU-Staaten waren zwar dabei, um Diktator Gaddafi zu stürzen, ohne sich aber um eine Übergangslösung für das Land zu kümmern. Mittlerweile treibt dort die Terrorgruppe IS ihr Unwesen. Dann muss die EU-Grenzbehörde Frontex aufgerüstet werden, um das Mittelmeer besser überwachen und neue Tragödien verhindern zu können. Und schließlich braucht Europa eine gemeinsame Migrationspolitik. Die 28 Staaten müssen sich auf eine gerechte und verhältnismäßige Verteilung der Flüchtlinge einigen. Das wird die größte Hürde, denn viele Mitgliedsländer wollen keine gemeinsame Einwanderungspolitik - wohl auch aus Angst vor Populisten, fügt die Zeitung hinzu.
"EU muss dringend handeln"
EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionsvorsitzender Jean-Claude Juncker können das menschliche Desaster im Mittelmeer nicht stoppen. Es ist aber ihre verdammte Pflicht, eine europäische Antwort, die der Tragödie gerecht wird, möglich zu machen, fordert Le Soir.
Nach Ansicht von Het Laatste Nieuws muss sich Europa den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung gefallen lassen. Je mehr Flüchtlinge ertrinken, umso weniger werden anschließend die Überfahrt nach Europa wagen. Die zynische Rechnung ist allerdings nicht aufgegangen, bemerkt ebenso Het Nieuwsblad. Skrupellose Menschenhändler haben so ihr Geschäftsmodell entwickelt: Verzweifelte Migranten werden auf verrottete Boote geladen, die kaum noch seetauglich sind. Je höher die Mauern um Europa werden, umso lukrativer das Geschäft der Schmuggler.
Het Belang Van Limburg findet, dass Europa wenigstens legale und kontrollierte Einreisemöglichkeiten schaffen sollte. Denn die Flüchtlinge kommen so oder so.
Moureaux' Bankrott und Dauerstau im Land
Zurück nach Belgien: Die Brüsseler Gemeinde Molenbeek steht am Rande des Bankrotts, berichtet La Libre Belgique. Schuld ist, nach Ansicht vieler, der ehemalige und langjährige Bürgermeister Philippe Moureaux von der PS. Seinen Umgang mit den Kommunalfinanzen beschreibt die Zeitung als jämmerlich: Moureaux habe viel zu viel Personal eingestellt, außerdem seien angestrebte Fördergelder massiv ausgeblieben. Die Folge: Die 95.000 Einwohner zählende Problem-Gemeinde Molenbeek ist hoch verschuldet und steht jetzt unter strenger Finanzaufsicht der Region Brüssel.
Nicht nur auf Belgiens Autobahnen staut es täglich im Berufsverkehr, auch auf den Schnell- und Nebenstraßen gibt es regelmäßig kein Vorankommen mehr, berichtet De Standaard auf seiner Titelseite. Schlimmer noch: Anders als auf der Autobahn dauern die Stoßzeiten morgens und abends deutlich länger. Fazit der Zeitung: Das Land steht still.
Bild: Guardia Costiera/Handout (afp)