"Die Belgier sind seit 2001 um 40 Prozent reicher geworden", titelt L'Echo. Die Zeitung beruft sich auf Zahlen der Nationalbank. Demnach beläuft sich das Finanzvermögen der Belgier auf insgesamt rund 1.200 Milliarden Euro. Den Immobilienbesitz kann man auf noch einmal 1.200 Milliarden beziffern. Macht unterm Strich ein Durchschnittsvermögen von 190.000 Euro pro Kopf. Wichtigste Erklärung für die Zunahme des Reichtums ist die Tatsache, dass die Preise für Immobilien in den letzten 15 Jahren um 87 Prozent gestiegen sind.
Da passt die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws nicht wirklich ins Bild: "Unsere Pensionen sind um bis zu 700 Euro niedriger als in den Nachbarländern", schreibt das Blatt. In Belgien beläuft sich die Mindestpension für einen Arbeitnehmer auf 1.155 Euro brutto pro Monat; in den Niederlanden bekäme man mit derselben Laufbahn mehr als 1.800 Euro. Auch in Deutschland, Luxemburg und Frankreich sind die Pensionen zum Teil deutlich höher. "Belgien hat die niedrigsten Renten in der Region", fasst Het Laatste Nieuws zusammen.
Keine Mauer ist auf Dauer hoch genug...
Viele Leitartikler beschäftigen sich heute mit den Flüchtlingsdramen im Mittelmeer.
Es war eine rabenschwarze Woche, meint etwa Gazet van Antwerpen. Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab. Der Frühling und die günstigen Wetterbedingungen sorgen dafür, dass immer mehr Schleuserboote die Überfahrt wagen. Und dies immer häufiger mit katastrophalen Folgen. Inzwischen kann die Zahl der Toten schon nicht mehr beziffert werden. Hier ist nur noch von "Schätzungen" die Rede. Es wird höchste Zeit, dass die Europäische Union Maßnahmen ergreift, um zu verhindern, dass das Massengrab Mittelmeer noch größer wird. Dieses Problem können wir nur gemeinsam lösen.
Le Soir schlägt in dieselbe Kerbe. Rechtspopulisten wie die italienische Lega Nord führen Argumente ins Feld nach dem Motto: "Die brauchen doch nur zu Hause zu bleiben". Das ist so absurd, als würde man die Bewohner Nordkoreas darum bitten, doch in ihrer Heimat zu bleiben. Und doch macht Europa die Schotten dicht. Wir lügen uns in die Tasche, scheren uns nicht darum, dass vor unseren Küsten Leichen im Wasser treiben. Und auch die Wirtschaftskrise ist immer noch keine Entschuldigung dafür, dass wir uns hinter hohen Mauern die Hände in Unschuld waschen.
Die Europäer glänzen im Augenblick allenfalls durch eine unmenschliche Gefühlskälte, wettert auch La Libre Belgique. Das einzige Verbrechen, das die Flüchtlinge begangen haben, ist, dass sie Krieg, Unterdrückung und Elend entfliehen wollten. Angesichts der Leichenberge vor den italienischen Küsten müssen die 28 EU-Staaten ihre Migrationspolitik überdenken und notfalls muss man sich eben den fremdenfeindlichen Populisten widersetzen. Keine Mauer ist hoch genug, um Verzweiflung auf Dauer aufzuhalten.
Nach "Shitstorm": Psychologie-Dekan tritt zurück
Für Diskussionsstoff sorgt auch wieder der Psychologie-Professor Willem Elias. Der ist am Freitag von seinem Amt als Dekan der Psychologie-Fakultät an der flämischen Freien Universität Brüssel zurückgetreten. Er reagierte damit auf die Polemik, die um seine Person entstanden war, die er aber selbst losgetreten hatte. Nach dem Selbstmord des SP.A-Politikers Steve Stevaert hatte Willem Elias scharfe Kritik an der Frau geübt, die die Vergewaltigungsklage gegen Stevaert eingereicht hatte. In einer Twitter-Botschaft gab er dem mutmaßlichen Opfer, zumindest zwischen den Zeilen, eine Mitschuld am Selbstmord seines Freundes. "VUB-Dekan weicht dem Druck", schreibt De Morgen. "Sein Ansehen war zu stark beschädigt und er war emotional zu tief erschüttert", fasst Het Nieuwsblad die Begründung des Professors für seinen Rücktritt zusammen.
Man sollte sich da aber nicht täuschen lassen, mahnt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Der Rücktritt des Psychologie-Professors ist alles, nur kein Schuldeingeständnis. Elias nimmt nicht wegen galoppierender Dummheit den Hut, sondern weil er sich als Opfer betrachtet. Der Mann glaubt allen Ernstes, völlig zu Unrecht am Schandpfahl der Sozialen Netzwerke gelandet zu sein, glaubt gar, dass sein Fall zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Studie werden könnte. Wir müssen ihn enttäuschen: Wenn jemand die rohe Gewalt der Internet-Welt abbekommen hat, dann ist es nicht der egomanische Professor, sondern das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer.
De Morgen sieht das genauso. Der Fall Elias ist für einmal nicht der Beweis dafür, wie schnell und gnadenlos die Sozialen Netzwerke den Stab über einen Menschen brechen. Hier hat sich viel mehr gezeigt, dass Sexismus nicht mehr gesellschaftsfähig ist. Auch wenn es bestimmt für niemanden angenehm ist, zum Gegenstand eines "Shitstorms" zu werden. Gerade im Fall Elias hält sich das Mitgefühl doch arg in Grenzen.
Geschlachtete Säbelantilope sorgt weiter für Emotionen
"Wirbel um drei getötete Tiere in Planckendael", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen. Die Zeitung greift damit ein Thema auf, das am Freitag auf der Titelseite von Het Laatste Nieuws stand. Demnach sind im Tierpark Planckendael zwei Bisons und eine Säbelantilope getötet und an die Raubtiere verfüttert worden. Dies nur, weil die Tiere nicht ins Zuchtprogramm passten und es im Zoo keinen Platz für sie gab. Seit Freitag laufen Tierschützer Sturm gegen Planckendael.
Und der Zoo Pairi Daiza aus der Provinz Hennegau gießt noch Öl ins Feuer: Planckendael hätte nur Bescheid zu sagen brauchen, dann hätten wir die Tiere aufgenommen, so ein Sprecher auf Seite eins von Het Nieuwsblad.
Biologen verstehen ihrerseits die Welt nicht mehr. Diese ganze Diskussion sei doch scheinheilig, beklagen Wissenschaftler in De Morgen. Was in Planckendael passiert ist, das sei in allen Zuchtprogrammen "die normalste Sache der Welt". Der einzige Fehler: Planckendael hätte dem Beispiel des Kopenhagener Zoos folgen und selbst über die Aktion kommunizieren sollen.
Zoos sind nun mal keine Tierparadiese, bemerkt dazu Het Laatste Nieuws. Und hier gibt es eine ganz klare Werteskala: Bei einer Antilope zuckt man mit den Schultern. Wie hätten wir wohl reagiert, wenn man ein Elefantensteak oder Pandagulasch an die Löwen verfüttert hätte? Im Grunde legt der Mensch hier denselben Zynismus an den Tag wie etwa im Zusammenhang mit den Flüchtlingsdramen im Mittelmeer: Wie absurd ist das Ganze eigentlich? Die Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer schaffen es nicht auf die Titelseiten, wohl aber eine arme Säbelantilope. Het Laatste Nieuws vergisst dabei, dass es die Zeitung selbst war, die die Geschichte losgetreten hatte.
Archivbild: Herwig Vergult (belga)