"Der Papst prangert die allgemeine Gleichgültigkeit an", titelt La Libre Belgique. Überall in der Welt, vor allem in Afrika und im Mittleren Osten, würden Christen getötet, eben weil sie Christen sind. Und die internationale Gemeinschaft bleibe untätig, kritisierte Papst Franziskus in seinen Osterpredigten.
Het Belang van Limburg teilt die Analyse des Kirchenoberhaupts. Die Zahlen geben ihm Recht. Mehr als sieben von zehn Christen haben in den vergangenen zehn Jahren den Irak verlassen. Seit 2011 sind 700.000 Christen aus Syrien geflohen. Wenn das so weitergeht, dann gibt es bald keine Christen mehr in der Region, wo ihr Glaube doch eigentlich seine ältesten Wurzeln hat. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass die meisten Opfer der Terrororganisation IS immer noch Muslime sind. Frappierend ist bei alledem aber das Schweigen von Organisationen wie den Vereinten Nationen, ein wahrlich ohrenbetäubendes Schweigen.
Blutiges Osterfest
Es ist ein blutiges Osterfest, meint auch L'Avenir. Der Angriff der Al-Shabaab-Miliz auf eine Universität in Kenia, das neuerliche Massaker von Boko Haram im Norden Nigerias: Wann hört das Massensterben endlich auf? Wie Papst Franziskus schon richtig sagte: Die internationale Staatengemeinschaft wirkt wie versteinert, ist unfähig zu einer effizienten Reaktion. Den Kopf in den Sand zu stecken, das sorgt aber allenfalls für einen Aufschub. Früher oder später wird man diesen historischen Umwälzungen ins Auge blicken müssen.
Wir sollten uns da aber auch an die eigene Nase fassen, glaubt La Libre Belgique. Unsere Wahrnehmung ist relativ. Im Januar war quasi alle Welt innerhalb von kürzester Zeit "Charlie". Weil sich das Drama eben in Frankreich abgespielt hat; weil es Journalisten und Karikaturisten waren, die ermordet wurden. Die 148 Opfer der Al-Shabaab-Miliz waren hingegen fast schon eine Randnotiz. Es ist fast so, als gewöhnten wir uns an die Barbarei, so lange sie nur weit genug weg ist.
Die Osterpredigten von Papst Franziskus waren jedenfalls geschickt orchestriert, befindet Le Soir. Am Sonntag prangerte Franziskus jegliche religiös motivierte Verfolgung an, am Montag konzentrierte er sich allein auf das Schicksal der Christen in der Welt. Damit hat der Papst sozusagen seine beiden Ansprüche zum Ausdruck gebracht: Er ist nicht nur das Oberhaupt einer bestimmten Religion, sondern zugleich universelle moralische Autorität. Anders gesagt: Er will nicht nur Religionsführer, sondern auch eine politische Persönlichkeit sein.
Monseigneur Léonard geißelt Abtreibung
Noch ein anderer katholischer Würdenträger sorgt in diesen Tagen für Diskussionsstoff. Der Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Monseigneur André-Joseph Léonard, hat in seiner Osterpredigt das Gesetz zur Liberalisierung der Abtreibung als ein "Drama" bezeichnet. Anlass war die Verabschiedung des besagten Gesetzestextes vor exakt 25 Jahren. Léonard schätzt die Zahl der abgetriebenen Föten auf 300.000. Statt zu leben, sei aus ihnen biologischer Abfall geworden, sagte Léonard in der Brüsseler Kathedrale St. Michael und St. Gudula. "Léonard will die Frauen ins Mittelalter zurückkatapultieren", wetterten schon Frauenverbände. La Dernière Heure bringt eine Twitter-Botschaft einer MR-Politikerin, die scharfe Worte wählt: Die Aussagen des Erzbischofs über die Abtreibung seinen "zum Kotzen".
"Müssen wir jetzt einen tiefen Seufzer ausstoßen oder nur die Augen verdrehen?", fragt sich Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Das Urteil über diesen geistlichen Führer sollte man vielleicht den Mitgliedern seines Klubs überlassen. Einmal mehr liefert Léonard den Beweis, wie weltfremd er scheinbar doch ist. Davon abgesehen, gebracht hat es ihm nichts. Papst Franziskus dürfte jedenfalls den anstehenden Pensionsantrag des streitbaren Erzbischofs sehr schnell annehmen. Beide mögen sich nicht sonderlich. Und dann wird Bilanz gezogen. Dann wird sich zeigen, ob Léonard viele verlorene Schafe zurückgewonnen hat, oder die Zahl der Gläubigen noch weiter abgenommen hat. Letzteres ist wahrscheinlicher.
Der Fall Stevaert und das Problem von Vergewaltigungsklagen
In Flandern beschäftigen sich einige Zeitungen weiter mit dem Selbstmord des SP.A-Politikers Steve Stevaert und der damit verbundenen Debatte über Vergewaltigungsklagen. In der Öffentlichkeit war eine Diskussion über die Frage entbrannt, ob eine Anzeige, die drei Jahre nach der mutmaßlichen Tat eingereicht wird, glaubwürdig ist. Het Nieuwsblad und auch andere Zeitungen bringen in diesem Zusammenhang heute die bemerkenswerte Story von Ashley Vandekerckhove. Die 23- jährige Frau hat in einem YouTube-Video die Geschichte ihrer Vergewaltigung geschildert. Kernbotschaft: Auch sie habe drei Jahre gewartet, bevor sie die Vergewaltigung durch ihren Exfreund zur Anzeige gebracht hat. Der Grund: Die Hemmschwelle liege nach wie vor enorm hoch. Selbst in ihrem unmittelbaren Umfeld habe man ihr die Geschichte nicht geglaubt. Sie hoffe jetzt, dass ihre Aussage anderen missbrauchten Frauen den Mut gebe, den Schritt zu tun.
Die Aktion von Ashley Vandekerckhove zeigt, dass soziale Netzwerke nicht nur ihre dunkle Seite haben, bemerkt dazu Het Nieuwsblad. Soziale Netzwerke können auch dazu dienen, den Unsinn zu bekämpfen, der über eben diese Medien verbreitet wird. Allen Skeptikern, die Vergewaltigungsklagen nach drei Jahren für unglaubwürdig halten, all diesen Leuten hat die junge Frau das Maul gestopft.
Wir sollten den Menschen besser zuhören, mahnt auch De Standaard. Man muss solche Klagen ernst nehmen, Und man sollte auch mal versuchen, sich in die Rolle der Opfer zu versetzen, um die Voreingenommenheit zu bekämpfen. Immer noch sehen nämlich viel zu viele Menschen von einer Klage ab, weil sie persönlich keine Perspektive sehen und nicht auf Gerechtigkeit zu hoffen wagen.