"Im Sommer gibt es ein Abkommen über die Steuerreform", titelt La Libre Belgique. "Eine Vermögenssteuer ist Unsinn", schreibt L'Echo auf Seite eins. Beide Schlagzeilen sind Zitate von Premierminister Charles Michel.
Der föderale Regierungschef zieht in einer Reihe von Zeitungen eine Zwischenbilanz der bisherigen Arbeit seiner Equipe. Die Regierung ist nämlich seit genau sechs Monaten im Amt. Doch blickt der Premierminister im Grunde schon resolut nach vorne. Nächste große Herausforderung ist der vielbeschworene Tax-Shift. In der Praxis bedeutet das, dass die Steuerlast auf Arbeit gesenkt werden soll. Allerdings müssen die Mindereinnahmen über alternative Geldquellen ausgeglichen werden. Im Raum stehen da meist Maßnahmen wie eine Mehrwertsteuererhöhung oder eine gleichwie geartete Reichensteuer.
Tax-Shift
In L'Echo erteilt Charles Michel einer klassischen Vermögenssteuer aber eine Absage. Wenn man zusätzliche Abgaben auf Kapital oder Immobilien erhebt, dann sorgt man allenfalls für eine Kapitalflucht. Sinnvoller wären eine Kapitalertragssteuer oder eine Steuer auf Börsenmehrwerte, meint Michel auch in La Libre Belgique. Allerdings dürfe man da nicht alle in einen Topf werfen: Wer in die heimische Wirtschaft investiert, der ist nicht vergleichbar mit einem Spekulanten.
Gazet Van Antwerpen gibt der Föderalregierung jedenfalls einen guten Ratschlag mit auf dem Weg: Treiben Sie die Mittelklasse nicht in die Armut! Die Kluft zwischen arm und reich wird immer größer. Und selbst die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD, die nun wirklich nicht als linker Verein bekannt ist, warnt davor, dass die wachsende Ungleichheit auf Dauer die Wirtschaft schwächt. Deswegen muss man dafür sorgen, dass die Last gerechter verteilt wird. Nach allem, was die Bevölkerung in den letzten Monaten schlucken musste, bedarf es einer sozialen Korrektur.
"Ich bin nicht da, um gemocht zu werden", sagt der Premierminister auf Seite eins von Het Belang van Limburg. Damit reagiert er auf die Kritik der Gewerkschaften aber vor allem aus der Wallonie.
Eiszeit zwischen Namur und Brüssel
Apropos Wallonie: Zwischen Namur und Brüssel hängt der Haussegen seit einigen Tagen nun definitiv schief. "Der Föderalstaat tut alles, um anderen weh zu tun", wettert der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette in Le Soir. Hintergrund der Attacke ist die Tatsache, dass der Föderalstaat den Regionen insgesamt 750 Millionen Euro weniger überweist. Das hatte eine neue Berechnung des Finanzierungsgesetzes ergeben. Für die Wallonie bedeutet das Mindereinnahmen in Höhe von 250 Millionen Euro. Namur zieht aber diese Zahlen in Zweifel. Und bis nicht alle offenen Fragen geklärt sind, werde man nur mit den Zahlen arbeiten, die man akzeptiere. Im Klartext: Die wallonische Regionalregierung ignoriert 200 Millionen Euro, weigert sich bis auf Weiteres, das Geld einzusparen. Die Wallonie würde nach dem derzeitigen Stand der Dinge also ihr Haushaltsziel um 200 Millionen Euro verfehlen.
"Unverantwortlich", wettert in diesem Zusammenhang Premierminister Charles Michel unter anderem in L'Avenir. Die Regionalregierung in Namur habe nur nach einem Vorwand gesucht, um nötige Reformen auf die lange Bank zu schieben und kehre einfach Schulden unter den Teppich.
Die Wallonie ist gestern jedenfalls auf Konfrontationskurs gegangen. Und das sorgt für erhebliche Spannungen. "Die frankophone Opposition bringt die Gemeinschaftspolitik zurück aufs Tapet", erklärt Premierminister Charles Michel in La Libre Belgique. Le Soir warnt schon vor "gefährlichen Zentrifugalkräften".
Kesselflicker in N-VA-Mission
Es war mal wieder so eine Woche, analysiert La Libre Belgique resigniert. Einmal mehr haben sich unsere Politiker wie die Kesselflicker gestritten, und für diesen Vergleich muss man sich noch bei den Kesselflickern entschuldigen. Für die Umsetzung der Sechsten Staatsreform braucht man erwachsene, besonnene, weitsichtige Akteure. Natürlich kann man über Methode und Kommunikation des Föderalstaates diskutieren. Der wallonische Gegenangriff, geprägt von Aggressivität und Sturheit, war aber unwürdig, kontraproduktiv und sogar politisch unverantwortlich. Die Wallonen stecken den Kopf in den Sand und verweigern Sanierungsanstrengungen. Im Endeffekt geben sie damit nur denjenigen Recht, die das Land destabilisieren wollen.
L'Avenir sieht das ähnlich. Der Föderalstaat und die Wallonische Region sind gerade dabei, den Beweis zu erbringen, dass die Sechste Staatsreform gescheitert ist. Beide Seiten sorgen dafür, dass die Funktionsweise des Staates insgesamt gefährdet ist. Dabei sieht es hier verdächtig danach aus, dass es eigentlich nur um den Streit zwischen Sozialisten und Liberalen geht. Jedenfalls scheinen die Beteiligten nicht zu merken, dass sie nur die Drecksarbeit für die N-VA übernommen haben.
Letzter Gruß an Steve Stevaert
Het Belang van Limburg bringt einen "Letzten Gruß an Steve Stevaert". Stevaert hatte sich am Donnerstag das Leben genommen, nachdem Vergewaltigungsvorwürfe ans Licht gekommen waren. Für Het Belang van Limburg war Stevaert eine ganz besondere Persönlichkeit, weil er eigentlich dafür gesorgt hatte, dass die Provinz Limburg sozusagen wieder in den Fokus gerückt ist. Die Bevölkerung kann sich noch bis Montag von ihm verabschieden. Am Dienstag soll er im engsten Familienkreis beigesetzt werden.
Auch Het Laatste Nieuws nimmt Bezug auf die dramatischen Ereignisse rund um Steve Stevaert: "Das Opfer wollte nur, dass er seinen Fehler einsieht", schreibt das Blatt. Het Laatste Nieuws hat mit dem Umfeld der Frau gesprochen, die die Vergewaltigungsklage gegen Stevaert eingereicht hatte. Sie habe das Drama nicht gewollt, für die Frau sei das Ganze ein dreifacher Schock: Erst das Presseleck, dann das Verschwinden von Stevaert und dann die Nachricht von seinem Selbstmord.
"Diplomierte Dummköpfe"
"Der Tod von Steve Stevaert spaltet Flandern", bemerken aber unter anderem Het Nieuwsblad und De Standaard. Stellvertretend dafür steht eine Polemik, die ein guter Freund von Stevaert losgetreten hatte. Der Brüsseler Psychologie-Professor Willem Elias machte in einer Twitter-Botschaft die Frau, die die Klage gegen Stevaert eingereicht hatte, für den Selbstmord mitverantwortlich. Diese Frau habe die Verzweiflungstat auf dem Gewissen. Wer vergewaltigt werde, der sollte sofort zur Polizei gehen, aber nicht erst drei Jahre danach.
Das ist von grenzenloser Dummheit, donnert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Da muss man sich ja schon fast die Frage stellen, warum es überhaupt noch jemand wagt, wegen Vergewaltigung Klage einzureichen. Im Augenblick hört man immer wieder, dass man sich den Angehörigen von Stevaert gegenüber in Zurückhaltung üben sollte. Aber gilt das nicht auch für die Opfer? Jetzt fehlen noch Argumente wie: "Die Frau hat es sich gesucht". Steve Stevaert, der Intellektuellen gegenüber immer misstrauisch war, hat in einem Punkt recht: Es ist nicht, weil man ein Diplom hat, dass man dafür automatisch intelligent ist.
Schlüssel für den Frieden
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit dem Atomabkommen mit dem Iran. Es ist mit Sicherheit ein Schritt in die richtige Richtung, notiert etwa Le Soir. Man braucht schon ein gehöriges Maß an bösem Willen, um davon auszugehen, dass der Iran durch das Abkommen dem Bau einer Atombombe näher kommt. Vielmehr ist es doch offensichtlich, dass man in Teheran verstanden hat, dass das Land ein vitales Interesse daran hat, sich wieder in die internationale Staatengemeinschaft einzugliedern. Deswegen auch die Jubelszenen in den Straßen von Teheran: Die Menschen streben einfach nur nach Frieden.
De Morgen sieht das ähnlich: Natürlich darf man nicht naiv sein, natürlich muss man dem Iran weiter auf die Finger schauen. Durch das Abkommen wird aber den gemäßigten Kräften im Land Auftrieb gegeben. Und damit vergrößert man auch die Chance auf politische Reformen. In diesem Abkommen jedenfalls, so sind sich Le Soir und De Morgen einig, befinden sich noch wohl am ehesten die Schlüssel für einen friedlicheren Mittleren Osten.
"Der Belgier isst 340 Millionen Schokoladeneier", meldet schließlich La Dernière Heure. Heißt: Jeder von uns isst im Durchschnitt 34 Schokoladeneier. Und in diesem Sinne: Frohe Ostern!