"Gespaltener als je zuvor", titelt Le Soir. "Föderalstaat und Regionen: Rien ne va plus - Nichts geht mehr", schreibt L'Avenir. "Clinch auf allen Ebenen", meint Het Nieuwsblad.
Das gestrige Treffen zwischen Föderalregierung und Teilstaaten hat keine Entspannung gebracht. Im Gegenteil: Die Regionen laufen weiter Sturm gegen die Berechnungen des föderalen Finanzministeriums, wonach ihnen dieses Jahr 750 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen als ursprünglich gedacht.
Der flämische Ministerpräsident Geert Bourgeois kritisiert vor allem die Methodik - dass man von der finanziellen Einbuße erst jetzt erfahren habe, sei "skandalös". Die Kritik seines wallonischen Kollegen Paul Magnette fällt noch heftiger aus: Er traut der Föderalregierung nicht mehr über den Weg. Den Konzertierungsausschuss vergleicht er mit einem Kolonialminister, der seine Untertanen aus den Überseegebieten mit Verachtung empfängt.
L'Avenir meint: Das Ganze erinnert inzwischen an einen Boxkampf. Die Sechste Staatsreform sollte eigentlich wieder Ruhe in die Gemeinschaftspolitik bringen. Doch stattdessen führt sie zu neuen Konflikten. Das Problem: Unser Verständnis von Föderalismus scheint nicht ausgereift zu sein. Das hält die Zeitung für besorgniserregend.
Zündstoff Finanzierungsgesetz
Schuld an dem aktuellen Debakel ist das neue, komplizierte Finanzierungsgesetz, das bis auf ein paar hochrangige Beamte im Finanzministerium niemand wirklich versteht. Doch alle Parteien bis auf die N-VA hatten der Staatsreform zugestimmt. De Standaard stellt sich inzwischen die Frage: Was wäre, wenn die flämischen Nationalisten 2011 den Verhandlungstisch nicht verlassen hätten? Vielleicht hätte die N-VA dann im vergangenen Jahr nicht so einen fulminanten Wahlsieg hingelegt, doch sie hätte am Finanzierungsgesetz mitschreiben können. Und weil dieses Gesetz noch immer das A und O des belgischen Staates ist, spekuliert De Standaard, hätte sie so Flanderns Haushalt möglicherweise besser helfen können.
Het Laatste Nieuws sorgt sich unterdessen um die anhaltenden Spannungen zwischen den Koalitionspartnern N-VA und CD&V. Kaum zu glauben, dass flämische Nationalisten und Christdemokraten vor noch nicht allzu langer Zeit ein Bündnis eingegangen waren. Heute lassen sie keine Gelegenheit aus, sich gegenseitig an den Karren zu fahren - obwohl sie sowohl in Flandern als auch auf föderaler Ebene gemeinsam Regierungsverantwortung tragen. Niemand weiß, wie lange dieses Spiel noch gut geht, meint das Blatt.
Brüsseler Flugrouten-Problem
La Libre Belgique blickt auf ein anderes heißes Eisen der Gemeinschaftspolitik: die Flugrouten über Brüssel. Heute endet nämlich offiziell der höchst umstrittene Überflugplan des ehemaligen Staatssekretärs Melchior Wathelet. Die Föderalregierung hat ein Moratorium beschlossen, nach dem übergangsweise wieder die alten Flugroutenpläne für den Brüsseler Flughafen gelten. Grund für die Kehrtwende war massiver Protest gegen die erhöhte Lärmbelästigung durch Wathelets Änderungen in der dichtbesiedelten Hauptstadtregion.
Le Soir meint: Die Flugrouten, das ist noch so ein Symbol der nicht funktionierenden Zusammenarbeit zwischen den Regionen und dem Bund. Flamen, Wallonen und Brüsseler denken immer nur an ihre eigenen Interessen - auf Kosten der anderen. Niemand denkt mehr gesamtbelgisch. Bundestreue darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, sie muss auch gelebt werden, fordert die Zeitung.
L'Echo schreibt: Verkehrsministerin Jacqueline Galant (MR) wird nach einer neuen Lösung für das komplizierte Problem suchen müssen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die notwendige Entlastung der Anwohner nicht auf Kosten einer vernünftigen Entwicklung von Brussels Airport in Zaventem geht.
Kriminelle durch Soldaten eingeschüchtert?
La Dernière Heure und Het Laatste Nieuws melden auf ihren Titelseiten: "Ein Drittel weniger Kriminalität durch Soldaten in den Straßen". Sowohl auf dem Gebiet der Stadt Brüssel als auch in Antwerpen sind die Zahlen für Wohnungseinbrüche, Autodiebstähle und Vandalismus in den drei ersten Monaten des Jahres gegenüber 2014 um bis zu 60 Prozent zurückgegangen. Innenminister Jan Jambon führt das auf die Anwesenheit der Soldaten seit dem Anti-Terror-Einsatz von Verviers zurück. Die Militärpräsenz habe einen abschreckenden Effekt auf Kriminelle, so der N-VA-Minister. Trotz der herabgesetzten Warnstufe gelten für bestimmte Gebäude weiterhin erhöhte Schutzvorkehrungen inklusive Militärbewachung. Insgesamt sind noch 210 Soldaten in Brüssel und Antwerpen im Einsatz.
Reinemachen bei Eurostation
"Bahnchef Jo Cornu räumt bei Eurostation auf", so De Standaard auf Seite eins. Der Leiter sowie 30 weitere Mitarbeiter der SNCB- Tochterfirma sind entlassen worden. Eurostation hatte umstrittene Immobiliengeschäfte gemacht, unter anderem in Indien. Das harte Durchgreifen ist der Anfang eines Großreinemachens bei der nationalen Eisenbahngesellschaft, die über sage und schreibe 80 Tochterunternehmen verfügt.
Bild: Laurie Dieffembacq/BELGA