"Haushaltskontrolle - Flandern ist der Dumme", titelt Het Belang Van Limburg. "Die Rechnung ist jetzt beim flämischen Ministerpräsidenten Bourgeois gelandet", so die Schlagzeile von De Standaard. "Das föderale Budget ist gerettet; jetzt müssen die Teilstaaten das Geld suchen", schreibt sinngemäß Het Nieuwsblad.
Quasi in Rekordzeit hat die föderale Regierung die Haushaltskontrolle abgeschlossen. Warum das am Ende so schnell gehen konnte, das hat sich gestern gezeigt: Eine eingehende Analyse des neuen Finanzierungsgesetzes hatte ergeben, dass der Föderalstaat 750 Millionen Euro weniger an die Teilstaaten überweisen muss. Im Klartext: Das Geld bleibt beim Föderalstaat; die Regionen müssen ihrerseits auf 750 Millionen Euro verzichten. Le Soir hebt auf seiner Titelseite die Folgen für die Region Brüssel hervor: "Die Hauptstadt muss 100 Millionen Euro finden". Die Wallonie bekommt 250 Millionen weniger; Flandern rund 400 Millionen.
"Endlich Premier"
Die Deutung ist je nach Blickwinkel unterschiedlich. "Wir reichen die heiße Kartoffel nicht weiter; die Regionen hatten ganz einfach kein Anrecht auf das Geld", erklärte Premierminister Charles Michel. Der flämische Ministerpräsident Geert Bourgeois ist seinerseits "not amused". "Das sieht man mal, was die Sechste Staatsreform für ein komplizierter Flickenteppich ist", wettert der N- VA-Politiker.
Immerhin hat die Föderalregierung jetzt plötzlich den Eindruck vermittelt, dass sie doch geschlossener ist, als man es vielleicht gedacht hätte. "Endlich Premierminister", frotzelt etwa De Standaard. Charles Michel hat demnach nun doch mal Führungsqualitäten bewiesen.
Zumal der Haushaltskontrolle dramatische Gerüchte vorausgeeilt waren, analysiert De Standaard in seinem Leitartikel. So mancher hatte einen apokalyptischen Clash zwischen den Koalitionspartnern vorhergesagt. Und dann ist plötzlich Sommerzeit und die Haushaltskontrolle ist gebacken; kurz und schmerzlos. Vermittelt wird das Bild eines starken Premiers, der seine Koalition zusammengeleimt hat.
Michel hat ein gutes Gespür für anstehende Ferienzeiten, meint Le Soir. Wenn auch ungeschickt, hatte der Premier vor Weihnachten die Wogen an der Sozialfront geglättet. Und jetzt geht seine Equipe nach dem Chaos der letzten Wochen geschlossen in die Osterferien. Doch üben die meisten Leitartikler scharfe Kritik am Ergebnis der Haushaltskontrolle.
Haushaltskontrolle ohne Ambition
Erstmal zum Inhalt: Die Regierung hat es sich sehr leicht gemacht, stellt La Libre Belgique fest. Kreativität, Ehrgeiz oder Vision, all das sucht man vergebens. Die wirklich heiklen Themen wie den Tax-Shift hat man auf die lange Bank geschoben. Man wird wohl die Beratungen über den Haushalt 2016 im Herbst abwarten müssen, um den politischen Mut und den Zusammenhalt der Equipe bewerten zu können.
Het Belang Van Limburg sieht das ähnlich: Der unverhoffte Geldsegen hat dazu geführt, dass sich die Regierung zurückgelehnt hat, dass die wirklich heiklen Fragen verschoben werden konnten.
Auch De Morgen hätte sich mehr Ambitionen gewünscht. Die Regierung hätte die Millionen, die da quasi vom Himmel gefallen waren, gleich in die Haushaltssanierung fließen lassen müssen, um die schwarze Null schneller zu erreichen. Stattdessen wird das Geld gleich wieder verplant; man tut nur das, was unbedingt nötig ist, um den EU-Auflagen zu genügen.
Wenn es denn jetzt noch so wäre, dass die Regierung damit zumindest für Ruhe an der Sozialfront gesorgt hätte, bemerken einige Zeitungen. So mag es derzeit nicht aussehen, meint L'Avenir. Es ist allenfalls nicht schlimmer geworden. Es bleibt aber bei Entscheidungen wie dem Indexsprung oder der Erhöhung des Renteneintrittsalters. Und für die Gewerkschaften gibt es keinen Grund, ihre Proteste gegen diese Maßnahmen einzustellen.
Gazet Van Antwerpen erinnert an die Kundgebungen gestern und vorgestern in Brüssel. Tausende Menschen demonstrierten gegen das soziale Klima, die Beschneidung der sozialen Errungenschaften. Die Haushaltskontrolle ändert daran überhaupt nichts. Zahlen allein lösen keine sozialen Probleme.
"Hinterrücks eine ausgewischt"
Aber auch die Methode hinterlässt einen bitteren Beigeschmack, bemerkt etwa L'Echo. Hier hat der Föderalstaat den Regionen hinterrücks eine ausgewischt. Oder kann man es als loyal bezeichnen, wenn der Föderalstaat den Regionen buchstäblich in letzter Sekunde mitteilt, dass ihre Dotationen um hunderte Millionen Euro beschnitten werden? Eigentlich, in einer idealen Welt, hätte man miteinander reden und gemeinsam nach Lösungen suchen sollen.
Le Soir sieht das ähnlich. Die Vorgehensweise hat sehr wenig mit einem Föderalstaat zu tun, der den Namen verdient. Man kann doch nicht den Teilstaaten quasi nebenbei mitteilen, dass sie ihre Haushalte neu überdenken müssen. Davon abgesehen: Die Geschichte mit den 750 Millionen Euro, das war ja nur der letzte in einer ganzen Serie von Rechenfehlern in den letzten Wochen. Am Ende fragt man sich tatsächlich, wem man da noch glauben kann.
De Standaard schlägt in dieselbe Kerbe. Das neue Finanzierungsgesetz und die Sechste Staatsreform sind so kompliziert, dass wirklich niemand mehr durchblickt. Wenn Reformen am Ende so komplex sind, dass sie keiner mehr begreift, dann sind wir wohl einen Schritt zu weit gegangen.
Damit steigt auch die Gefahr, dass man den Bürgern Milchmädchenrechnungen unterjubelt, analysiert Het Nieuwsblad. Die Föderalregierung verkündet stolz, dass die Haushaltskontrolle keine Auswirkungen auf das Portemonnaie von Otto Normalverbraucher haben wird. Das allerdings ist Augenwischerei. Am Ende sind es die Regionen, die sparen müssen. Und die wiederum werden dann doch den Bürgern die Rechnung präsentieren. Für die Politik geht's hier allein um die Frage, ob die Einsparungen nun in "föderalen" oder "regionalen" Départements durchgeführt werden. Für den Bürger kommt das aber im Grunde auf's Gleiche heraus.
Klage gegen De Wever
"De Wever wegen Rassismus angezeigt", titelt De Morgen. Le Soir wird etwas genauer: "Abou Jahjah verklagt Bart De Wever wegen Rassismus", so die Schlagzeile. Hintergrund sind wohl die etwas abenteuerlichen Aussagen von Bart De Wever, der die Mitbürger nordafrikanischer Herkunft für die Integrationsprobleme verantwortlich gemacht hatte. Kritiker hatten dem N- VA-Chef vorgeworfen, hier eine Bevölkerungsgruppe zu stigmatisieren. Und jetzt wird er also verklagt. Unter anderem durch Dyab Abou Jahjah, der seit Jahren für die Rechte der Menschen aus dem arabischen Kulturkreis eintritt.
Catch me if you can
"Farid le Fou muss wieder ins Gefängnis", titelt schließlich Het Laatste Nieuws. Farid le Fou, oder "der Verrückte", den Beinamen hat Farid Bamouhamad nicht umsonst bekommen. Er galt immer als äußerst gewalttätiger Häftling. Vor einiger Zeit war er vorzeitig aus der Haft entlassen worden; jetzt schickte ihn ein Gericht zurück ins Gefängnis. Anscheinend gibt es da aber noch eine Unklarheit, wie Het Laatste Nieuws schreibt: "Wer muss ihn festnehmen?". Offenbar ist die Frage immer noch nicht geklärt; er ist jedenfalls noch auf freiem Fuß...
Foto: Eric Lalmand (belga)