"Berlin rollt Tsipras den Roten Teppich aus", titelt De Standaard. "Der Taubstummen-Dialog ist vorbei", schreibt De Morgen auf Seite eins. Gestern war der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras zu Besuch bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Über die Ergebnisse des Treffens gehen die Meinungen auseinander: Für De Morgen ist es erstmal nur wichtig, dass beide Regierungschefs endlich einmal direkt und unter vier Augen miteinander geredet haben. "Tsipras und Merkel glätten die Wogen", bemerkt auch De Standaard.
Le Soir hat eine andere Lesart: "Tsipras und Merkel verstehen sich immer noch nicht", schreibt das Blatt auf Seite eins. Ihre Diskussionen gleichen im Grunde immer noch besagtem Taubstummen-Dialog.
Die griechische Regierung gibt klein bei, konstatiert L'Avenir in seinem Leitartikel. Seit dem Wahlsieg ihrer Syriza-Partei hatten Tsipras und auch sein Finanzminister Varoufakis den Aufstand geprobt. Nach der griechischen Rebellion stehen jetzt aber die Zeichen auf Versöhnung. Dafür gibt es aber möglicherweise einen triftigen Grund: Anscheinend sind die Kassen in Athen jetzt definitiv leer. Tsipras hat also wohl gar keine andere Wahl, als Merkel die Hand zu reichen. Das Kräftemessen zwischen Athen und Berlin ist aber wahrscheinlich noch nicht vorbei.
Haushaltskontrolle wirft ihre Schatten voraus
Innenpolitisch wirft zunächst weiterhin die anstehende Haushaltskontrolle ihren Schatten voraus. Die Regierung muss 1,2 Milliarden Euro auftreiben, um das Budget in der Spur zu halten. Die Zahl gilt allerdings nur "bis auf Weiteres". L'Echo will nämlich erfahren haben, dass die Föderalregierung möglicherweise bei der EU einen neuen Aufschub beantragen will. Demnach würde man das Haushaltsgleichgewicht nicht mehr für 2018 sondern für 2019 anpeilen wollen. Für die Haushaltskontrolle würde das bedeuten, dass "nur noch" 800 Millionen gefunden werden müssten. Grundvoraussetzung ist aber, dass Europa grünes Licht gibt.
Diskussionen über Steuerreform
Ein weiterer Dauerbrenner ist die Steuerreform. Le Soir hatte am Wochenende in Zusammenarbeit mit verschiedenen renommierten Steuerexperten eine Reihe von Denkanstößen gegeben. Gestern hatte die Brüsseler Zeitung dann zu einem Streitgespräch eingeladen, bei dem Arbeitgeber und Gewerkschaften zusammen mit Experten über die Vorschläge diskutieren sollten. Das Fazit steht heute auf Seite eins: "Wir brauchen eine ehrgeizige Steuerreform". Zumindest darüber seien sich alle Akteure einig. Über den genauen Inhalt einer solchen Reform gehen dann aber die Meinungen weit auseinander. Das gilt etwa in Bezug auf eine mögliche Kapitalertragssteuer, die bei den Arbeitgebern auf wenig Gegenliebe stößt.
Wir brauchen alles, nur keinen Flickenteppich, mahnt Le Soir in seinem Leitartikel. Es darf nicht sein, dass die Regierung bei dieser absolut notwendigen Reform nur ihre Klientel vor Augen hat. Nach dem Motto: Ein Minimum an Entscheidungen für ein Maximum an Wählerstimmen. Der Bürger verdient mehr als das.
"Rente à la carte"?
Auf dem Tisch der Regierung liegt auch nach wie vor die geplante Rentenreform. Bis Ende Juni muss eine Arbeitsgruppe eine Liste von Berufen vorlegen, die als "anstrengend" eingestuft werden - und zwar sowohl körperlich als auch psychisch. Für diese Berufsgruppen würden dann Ausnahmeregelungen vorgesehen, sprich: Sie müssten nicht ganz so lange arbeiten.
Het Laatste Nieuws warnt aber in seinem Leitartikel vor einer "Rente à la carte". Es gibt mit Sicherheit für jeden Beruf ausreichend Argumente, um eine Sonderbehandlung zu fordern: unregelmäßige Arbeitszeiten, Stress, psychischer Druck. Man muss aber aufpassen, dass es am Ende nicht mehr Ausnahmen als Regelfälle gibt. Der Schlüssel liegt wahrscheinlich in der individuellen Begutachtung: Niemand darf dazu verpflichtet werden, Dinge zu tun, zu denen er definitiv nicht mehr in der Lage ist.
"Drei von vier Ford-Mitarbeitern sind nach wie vor ohne neuen Job", titelt Het Belang van Limburg. Über 5.000 Arbeitnehmer von Ford Genk und auch von elf Zuliefererbetrieben bekommen in diesen Tagen ihre Entlassungspapiere. Und dann endet auch die individuelle Begleitung, die den Betroffenen eigentlich dabei helfen sollte, eine neue Arbeitsstelle zu finden.
Krebs durch Pestizide?
"Pestizide so viel man will", so die Aufmachergeschichte von L'Avenir. Und das ist tatsächlich so. Es gebe zwar theoretisch gesetzliche Höchstmengen, in der Praxis könne jeder aber so viele Insekten- oder Unkrautvernichtungsmittel kaufen, wie er wolle. Hintergrund für diese Schlagzeile: Diese Woche ist die "Internationale Woche ohne Pestizide".
Beängstigende Schlagzeile in diesem Zusammenhang auf Seite eins von De Morgen: "Ist das meist gebrauchte Pestizid krebserregend?", fragt sich das Blatt. Die Rede ist von dem Unkrautvernichtungsmittel "Roundup". Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation steht das Mittel im Verdacht, Krebs zu verursachen. In den Niederlanden wurde Roundup daraufhin verboten. In Belgien (noch) nicht.
In La Dernière Heure, die das Thema ebenfalls aufgreift, zeigt sich der föderale Landwirtschaftsminister Willy Borsus aber besorgt. Der Bericht über die potentielle Gesundheitsgefährdung durch Roundup sei "extrem beängstigend". Er wolle jedenfalls mit Gesundheitsministerin Maggie De Block über eine mögliche Reaktion beraten.
Staatsbesuch 2.0
"Der König erfindet den Staatsbesuch neu", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. Ende Juni reist Philippe nach China. Und dabei nimmt er diesmal auch die Ministerpräsidenten der Regionen mit. Die Zeitung spricht von einem "symbolträchtigen Signal".
Philippe drückt dem Königsamt seinen ganz persönlichen Stempel auf, bemerkt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Und er trägt dabei der neuen institutionellen Realität Rechnung. Aber indem er die Regionen in die Staatsbesuche miteinbezieht, erreicht er noch etwas anderes: Er bettet die Teilstaaten damit in den belgischen Kontext ein. Das ist wohl die Zukunft: Regionen, die autonom für ihre Stärken werben können, die sich aber trotzdem unter einem gemeinsamen Dach befinden.
Objekt der Begierde: Pflastersteine
Skurrile Geschichte auf Seite eins von Gazet van Antwerpen: "Diebe klauen einmalige Pflastersteine", schreibt das Blatt. Die Geschichte hat sich in der Gemeinde Nijlen in der Nähe von Antwerpen zugetragen. Dort haben Unbekannte historische Pflastersteine gestohlen, und zwar gleich 350 Quadratmeter, also fast schon ein kleines Fußballfeld. Die Steine sind 10.000 Euro wert. Herausreißen musste man die nicht, die Steine waren auf einem Lagerplatz aufgestapelt. Besonders bemerkenswert: Der Diebstahl erfolgte am helllichten Tag.
Bild: John MacDougall/AFP