"Tot, weil sie Menschen unterhalten wollten", titelt La Dernière Heure. "Die schlimmste Tragödie in der Welt der Reality Shows", so die Schlagzeile von L'Avenir. "Crash stellt Zukunft der Reality Shows in Frage", schreibt Le Soir auf Seite eins.
Nicht nur in Frankreich sitzt der Schock nach dem tragischen Hubschrauberunglück in Argentinien tief. Bei einem Zusammenstoß zweier Helikopter eines französischen Fernsehteams waren ja alle zehn Insassen ums Leben gekommen. Darunter sind auch drei französische Spitzensportler, die in ihrer Heimat sehr bekannt waren. La Dernière Heure widmet dem Drama gleich sieben Sonderseiten. Das hat wohl auch damit zu tun, dass Reality Shows im frankophonen Kulturkreis nach wie vor ungemein populär sind, und ebenso umstritten.
Nicht die falsche Debatte führen
Doch darf die Hubschraubertragödie nicht zu einer falschen Debatte führen, mahnt L'Avenir. Das Drama hat grundsätzlich nichts mit dem TV-Format zu tun. Selbst wenn man der Produktionsfirma am Ende Versäumnisse nachweisen kann, hatte der Zusammenstoß der beiden Helikopter nicht unmittelbar mit dem Gegenstand der Sendung zu tun. Es ist schließlich nicht so, als hätte man die Kandidaten kopfüber an einem Hubschrauber aufgehängt. Die wirklichen Verfehlungen der Reality Shows, die liegen anderswo, nämlich in ihrem teilweise unterirdischen Niveau. Darüber muss man reden, nicht über ein Unglück.
La Dernière Heure schlägt in dieselbe Kerbe: Es wäre falsch, jetzt den federführenden Privatsender TF1 an den Pranger zu stellen. Hier sollte niemand vorgeführt werden. Die Kandidaten waren weder von Geld noch von der Suche nach Ruhm getrieben; das hatten sie schlichtweg nicht nötig. Im Gegenteil: Der Erlös sollte an gemeinnützige Vereine gehen, die ihnen am Herzen lagen. Man sollte das Drama als das betrachten was es ist: eben ein Unglück.
Le Soir sieht das etwas anders. Vielleicht kann man keinen direkten Zusammenhang zwischen der Tragödie und dem TV-Format herstellen. Und doch müssen sich die TV-Sender der Frage nach ihrer Verantwortung stellen. Kann etwa banale und sinnfreie Unterhaltung alles rechtfertigen, muss das Leitmotiv "Brot und Spiele" wirklich bis zum Exzess getrieben werden? In Argentinien ist letztlich doch ein gewisses Fernsehen gecrasht.
"Das versteht doch kein Schwein"
Innenpolitisch steht weiter die Polemik um die Frühpensionen im Mittelpunkt. Die Gewerkschaften hatten ja am Dienstag die von der Regierung korrigierte Fassung der Reform verworfen. Vor allem in den Augen der Gewerkschaften hätte die Regierung die Vereinbarung der Sozialpartner eins zu eins umsetzen müssen, eben ohne Veränderungen vorzunehmen. Strittig ist die "begleitete Verfügbarkeit", die die Regierung von künftigen Frührentnern verlangen will. Die christliche CSC will von der Koalition wissen, was mit dieser Formulierung genau gemeint ist. "Das versteht doch kein Schwein", zitiert Het Nieuwsblad den CSC-Vorsitzenden Marc Leemans. Nichtsdestotrotz hält die CSC damit noch eine Hintertür offen.
Im Grunde geht es beiden Seiten hier nur um die Außenwirkung, sind sich viele Leitartikler einig. Seien wir mal ehrlich, meint etwa De Morgen: Wo mag wohl der Unterschied liegen zwischen "passiver" Verfügbarkeit und "angepasster" Verfügbarkeit? Zwischen beide Formulierungen passt kein Zigarettenblättchen. Hier geht es doch letztlich nur um die Frage, wer das letzte Wort, beziehungsweise wer die Hosen anhat.
Muskelspielchen
Het Belang van Limburg sieht das genauso: Vor allem in den Augen von N-VA-Chef Bart De Wever durfte nicht einmal der Eindruck entstehen, als beuge sich die Regierung den Gewerkschaften. In der Welt der N-VA gibt allein die Politik die Richtung vor. Bei allen Muskelspielchen scheint die Regierung aber nicht zu bemerken, wie sehr sie hier mit dem Feuer spielt. Es besteht die Gefahr, dass sie eine einmalige Chance auf Sozialen Frieden verspielt.
"Wer ist hier im Recht?", fragt sich De Standaard. Es ist zweifelsohne so, dass die Sozialpartner eine gewisse gesetzgeberische Funktion haben. Sogar internationale Verträge sehen vor, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam befugt sind, Löhne oder Arbeitsvorschriften zu beschließen. In Belgien allerdings müssen sich die Sozialpartner dieses Recht in gewisser Weise auch erst einmal wieder verdienen. Nur ein Beispiel: Die Verhandlungen über das Einheitsstatut haben 20 Jahre gedauert. Und insbesondere die Gewerkschaften stehen allzu oft mit beiden Füßen auf der Bremse, statt Reformen zu ziehen.
Quo vadis, Regierungskoalition?
Einige Zeitungen stellen sich aber die Frage, wie das noch weitergehen soll. Die Regierung ist ja auch einmal mehr gespalten: Während Bart De Wever deutlich die Konfrontation mit den Gewerkschaften sucht, versprach Kris Peeters, die gewünschten Erläuterungen zu den Plänen der Regierung zu liefern.
Lobende Worte gibt es dazu übrigens von Het Laatste Nieuws. Hier geht es schließlich um unser aller Zukunft. Da wird man doch mehr erwarten dürfen als zwei Wörtchen, die jeden möglichen Interpretationsspielraum zulassen.
Dennoch gibt die CD&V hier einmal mehr das soziale Gewissen der Regierung. Diese x-te Meinungsverschiedenheit verheißt nichts Gutes, glaubt Gazet van Antwerpen. In wenigen Tagen steht die Haushaltskontrolle an, in solchen Momenten braucht man eine geschlossene Equipe. Davon sind wir im Moment allerdings weit entfernt.
"Warum verplempern alle Beteiligten soviel Energie?", fragt sich auch De Morgen. Das gilt für die Gewerkschaften, aber vor allem auch für die Koalition. Die wirklich komplexen Themen, die kommen ja erst noch. Wenn man es nicht besser wüsste, dann könnte man meinen, dass sich die Parteien schon so positionieren, als hätten sie einen möglichen Sturz der Regierung vor Augen.
Archivbild: na/afp