Ein Tag in Brüssel
"Ein schwarzer Montag der Gewalt in Brüssel" titelt heute Le Soir. La Dernière Heure nennt Brüssel auf ihrer Titelseite schon reißerisch "Hauptstadt des Verbrechens". Het Laatste Nieuws fasst auf Seite 1 in Blockbuchstaben den gestrigen Tag lapidar zusammen: "Ixelles - Täter tötet Juwelier, Schaarbeek - Juwelier tötet Täter".
In Brüssel haben sich gestern gleich zwei blutige Überfälle auf Schmuckgeschäfte ereignet. In Ixelles wurde dabei der Juwelier erschossen. Sein Sohn und einer der Täter wurden schwer verletzt. Am Abend traf es dann ein Schmuckgeschäft in Schaarbeek. Dort erschoss der Juwelier einen der Täter.
Doch war das noch nicht alles, bemerkt unter anderem Het Laatste Nieuws. Die Brüssel Stadtgemeinde St. Gilles wurde zudem von Ausschreitungen erschüttert. Die hatten im Grunde auf der E19 Autobahn in Wallonisch-Brabant ihren Ursprung, wie Vers l'Avenir auf ihrer Titelseite bemerkt. In der Nähe von Braine-le-Chateau hatte die Polizei zwei Verdächtige aufgegriffen. Einer der beiden wurde von der Polizei erschossen. Der andere zog sich bei seinem Fluchtversuch schwere Verletzungen zu. Beide stammten aus St. Gilles. Die Unruhen in der Brüsseler Stadtgemeinde seien denn auch eine Reaktion auf diesen Zwischenfall, heißt es. Etwa dreißig Jugendliche griffen dabei sogar das Polizeikommissariat von St. Gilles an.
Spannung(en) - Warten auf Dehaenes BHV-Plan
Im Mittelpunkt der meisten Kommentare stehen indes einmal mehr die jüngsten Spannungen in der Akte BHV. "Joëlle Milquet schürt das BHV-Feuer" titelt in diesem Zusammenhang De Standaard. Die Wirtschaftszeitung De Tijd geht noch einen Schritt weiter: "Belgien droht wieder im gemeinschaftspolitischen Morast zu versinken". Tatsächlich hat die cdh-Vorsitzende Joëlle Milquet die bislang geltende Omertà durchbrochen, notiert das Blatt. Milquet hatte gestern die derzeit auf dem Tisch liegenden Vorschläge des königlichen Vermittlers Jean-Luc Dehaene als "vollkommen unzureichend" bezeichnet. Der Vorstoß stößt allgemein auf Unverständnis.
Het Laatste Nieuws formuliert es wie folgt: "Madame Non sagt wieder Nein, die Frage ist nur, was sie denn ablehnt". Tatsächlich hat Jean-Luc Dehaene noch keinen abschließenden Vorschlag im Hinblick auf die Spaltung des Wahl- und Gerichtsbezirkes Brüssel-Halle-Vilvoorde formuliert. In der Brüsseler Rue de la Loi macht denn auch ein neues geflügeltes Wort die Runde, weiß Het Nieuwsblad. Demnach spricht man jetzt vom "Milquet-Faktor". Die cdh-Vorsitzende ist demnach die einzige, die weiß, warum sie jetzt das allgemeine Stillschweigen durchbricht. Aus dem fernen Washington hat Premier Yves Leterme versucht, die Wogen wieder zu glätten, berichtet De Morgen auf seiner Titelseite. Der Regierungschef wird zitiert mit den Worten: "In dieser Akte ist Reden Silber und Schweigen Gold".
Milquets Vorstoß - Teil der institutionellen Liturgie ?!
Die meisten Leitartikler warnen jedoch davor, den cdH-Vorstoß überzubewerten. Niemand, mit Ausnahme von Jean-Luc Dehaene, kennt derzeit den Lösungsansatz in seiner Gesamtheit, bemerkt etwa Gazet van Antwerpen. Auch die cdH reagiert nur auf die Puzzlestücke, von denen die Partei weiß. Möglich, dass die cdH nur den Preis hochtreiben will, dass es sich um reine Profilierung handelt. Milquet hat einen Torpedo auf das Dehaene-Schiff abgefeuert, Absicht ist aber nicht, es zu versenken.
Auch De Morgen sieht in dem cdH-Vorstoß bislang kein größeres Problem. Im Grunde versprüht Joëlle Milquet noch ein bisschen mehr Dunst über ein ohnehin sehr nebliges Dossier. Positiv ist zudem, dass die meisten anderen Parteien nur sehr zurückhaltend, beziehungsweise gar nicht, auf die Milquet-Aussagen reagiert haben.
Für La Libre Belgique folgt das Ganze derzeit dem klassischen Drehbuch. In der institutionellen Liturgie befinden wir uns jetzt in der Phase der Dramatisierung. Da muss man nicht alles, was gesagt wird, hundertprozentig ernstnehmen.
Milquet hat jetzt sozusagen die heiße Phase eingeläutet, notiert auch Het Nieuwsblad. Dass Milquet und vielleicht auch andere an den derzeitigen Vorschlägen herummäkeln, ist normal, ansonsten gäbe es ja schon eine Einigung. Einen Fehler sollte man allerdings nicht machen: Einige auf frankophoner Seite scheinen zu glauben, dass man BHV in Ermangelung einer Lösung wieder in den Kühlschrank stecken kann. Das dürfte diesmal allerdings unmöglich sein.
Der point of no return ist eigentlich schon überschritten, meint auch sinngemäß De Tijd. Jean-Luc Dehaene sucht jetzt schon seit vier Monaten nach einer Lösung. Und wenn der legendäre institutionelle Klempner es nicht schafft, dann stellt sich die Frage: Wer sonst? Darüber ist sich allen voran Yves Leterme im Klaren. Ohne Lösung für BHV ist eine Staatskrise unausweichlich.
Atomgipfel in Washington
Einige Zeitungen blicken schließlich noch nach Washington, wo die wichtigsten Staaten der Welt zu einem Treffen zur atomaren Sicherheit zusammengekommen sind. Im Mittelpunkt steht hier vor allem die wachsende Gefahr des nuklearen Terrorismus, notiert dazu De Standaard in seinem Leitartikel. Derzeit sind 1.600 Tonnen hoch angereichertes Uran und 500 Tonnen Plutonium weltweit verfügbar. Das reicht für 120.000 Atombomben. Außerdem versuchen extremistische Gruppen, Material für so genannte schmutzige Bomben zusammenzubekommen, die also ganze Landstriche buchstäblich vergiften würden. Vielleicht wird es in Washington nicht einmal verbindliche Sicherheitsnormen geben. Das Verdienst von US-Präsident Barack Obama ist es aber, dass die Welt zumindest über diese Gefahren nachdenkt.
Zunächst die dramatischen Ereignisse, die gestern die Hauptstadt erschütterten: zwei blutige Überfälle auf Juweliere waren zu beklagen, außerdem kam es zu Ausschreitungen in der Stadtgemeinde St.Gilles.
Und zum zweiten natürlich das Dauerbrennerthema BHV.
Einige Zeitungen beleuchten schließlich noch die Atomkonferenz in Washington.
Bild: belga