"Sozialer Krieg an fünf Fronten", titelt De Morgen. "Die Gewerkschaften zeigen die Zähne; die sozialen Spannungen verschärfen sich", schreibt auch L'Echo. Die Gewerkschaften stellen sich offenbar auf eine neue Kraftprobe mit der Regierung ein. Das gilt insbesondere für die sozialistische FGTB. Wie De Morgen berichtet, rumort es gleich in fünf verschiedenen Sektoren: Bei den Angestellten, im öffentlichen Dienst, im Metallsektor, bei der Polizei und bei der Bahn.
De Morgen will jedenfalls nicht mehr ausschließen, dass nach dem heißen Herbst von Ende letzten Jahres möglicherweise ein ebenso heißes Frühjahr ansteht. Der Unmut richtet sich insbesondere gegen den Indexsprung und gegen die neue Frühpensionsregelung.
"Feuerprobe für Michel"
Genau diese beiden Punkte sorgen auch innerhalb der Regierungskoalition für spürbare Spannungen. Het Laatste Nieuws spricht schon von einer "Feuerprobe für die Regierung Michel". In puncto Indexsprung hält die CD&V an ihrer Forderungen fest, wonach auch die Mieten einmalig nicht steigen dürfen. Die N-VA hält dagegen, dass für diese Materie die Regionen zuständig sind. Noch sensibler ist die Problematik um die Frühpensionen. Nach dem ursprünglichen Beschluss der Regierung sollten Frührentner ab sofort dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und aktiv nach einem Job suchen müssen.
Die Sozialpartner hatten sich aber auf Korrekturen verständigt, die allerdings die Regierungspläne weitgehend aushöhlen. Die Regierung muss allerdings dieser Vereinbarung noch zustimmen. Die CD&V wäre bereit, das Abkommen der Sozialpartner integral abzusegnen. Die N-VA hält ihrerseits kategorisch am Regierungsabkommen fest. "Jetzt wird Premierminister Michel erstmals ernsthaft auf die Probe gestellt", bemerkt Het Laatste Nieuws.
Zugleich halten die Gewerkschaften ihre Drohkulisse aufrecht. Für sie gibt es nur eine Option: Die Regierung muss den Kompromiss über die Frühpensionen umsetzen und zwar integral, also ohne Korrekturen vorzunehmen. Ansonsten wäre das Tischtuch zerrissen. "Wenn die Regierung dennoch mit Streichhölzern spiele, dann müsse sie sich nicht wundern, wenn ein Feuer ausbricht", sagt ein Gewerkschafter in Het Laatste Nieuws. "Die Gewerkschaften lassen ihre Trophäe nicht mehr los", resümiert De Standaard. "Die Entscheidung fällt erst am Freitag, aber die Gewerkschaften gehen jetzt schon auf die Barrikade", stellt Het Nieuwsblad fest. In einigen Betrieben des Metallsektors gab es am Mittwoch schon spontane Protestaktionen.
N-VA: Willkommen im wahren Leben
Insbesondere für die N-VA muss das alles doch ein böses Erwachen sein, glaubt Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Die Nationalistenpartei hatte sich ihren Wählern gegenüber als die "Kraft der Veränderung" profiliert. Fünf Monate nach dem Start der Regierung will der Motor aber nicht so wirklich anspringen. Die N-VA ist in gewisser Weise im wahren Leben angekommen. Beispiel: Man kann nicht Frührentner mit Gewalt einem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen wollen, der mit diesen Menschen gar nichts anfangen kann. Und in diesem Zusammenhang wird die Partei jetzt auch mit der Realität des belgischen Dialogmodells konfrontiert. Jetzt steht man vor der Wahl: Beugt man sich der Wirklichkeit oder greift man zur Brechstange?
Kubla und De Decker : Ethik in der Politik
Insbesondere die frankophonen Zeitungen beschäftigen sich weiter mit den Parallelen-Affären um die beiden MR-Politiker Serge Kubla und Armand De Decker. "Meine Akte ist sauber, mit Ausnahme einer Dummheit", sagt Serge Kubla in L'Echo. Kubla weist also alle Korruptionsvorwürfe einmal mehr zurück. Besagte Dummheit, das sei die Übergabe eines Umschlags mit 20.000 Euro gewesen. Mit Korruption habe diese Geschichte aber nichts zu tun. Vielmehr sollte er der angeblichen Ehefrau des früheren kongolesischen Ministerpräsidenten Muzito das Geld übergeben, damit diese in Paris shoppen gehen konnte.
Le Soir nimmt die Affären zum Anlass für eine Geschichte über die Moral in der Politik. "Die Ethik hinkt ständig hinterher", kann das Blatt nur feststellen. Frage ist zum Beispiel, ob ein ehemaliger Minister gleich nach dem Ende seiner Amtszeit für gleich wen arbeiten darf? Frage ist auch, ob Amtsträger nicht automatisch zurücktreten sollten, wenn gegen sie ein Ermittlungsverfahren läuft. Das gilt ja beispielsweise auch für den PS-Bürgermeister von Seraing, Alain Mathot.
La Libre Belgique beschäftigt sich mit dem Job des Untersuchungsrichters. Die Affären um Serge Kubla oder auch Tecteo haben wieder gezeigt, wie kompliziert und delikat die Aufgabe eines Untersuchungsrichters sein kann, meint das Blatt. Das bedeutet aber nicht, dass man daran etwas verändern müsste, fügt La Libre Belgique kommentierend hinzu. Mehr denn je ist es wichtig, dass diese Leute in aller Unabhängigkeit arbeiten können.
SNCB - Cornu auf dem Schleudersitz?
"Die Regierung denkt über die Zukunft von Bahnchef Jo Cornu nach", so die Aufmachergeschichte von L'Echo. Hintergrund sind demnach anstehende Veränderungen im Verwaltungsrat der SNCB. Unter anderem will der bisherige Verwaltungsratspräsident sein Amt niederlegen; hinzukommt, dass die N-VA jetzt einen Posten in den Gremium beansprucht. Und es ist nicht auszuschließen, dass man diese Gelegenheit nutzt, um das interne Gleichgewicht neu auszutarieren. Jedenfalls kann das auch bedeuten, dass Jo Cornu ersetzt wird; nach Informationen von L'Echo sei der Bahnchef amtsmüde.
Das sind keine besonders guten Neuigkeiten, meint L'Echo in seinem Leitartikel. Die Bahn braucht dringend Stabilität und eine klare Marschrichtung. Cornu ist keine zwei Jahre im Amt; es wäre gar noch zu früh, eine erste Bilanz seiner Arbeit zu ziehen. Wenn der Bahnchef tatsächlich einem politischen Karussell zum Opfer fallen sollte, dann wäre das ein schlechtes Signal.
Von Geld, Waffen und Fritten
"Eine Million Euro für eine verpfuschte Karriere", titelt Het Nieuwsblad. Hier geht es um einen 25-jährigen jungen Mann, der übrigens der Sohn eines früheren Fußball-Nationalspielers ist. Bram Sanders wurde vor einigen Jahren von einem betrunkenen Autofahrer angefahren; er ist seither zu 65 Prozent arbeitsunfähig. Ein Gericht sprach ihm jetzt eine hohe Entschädigung zu: Über 500.000 Euro sofort, und dann nochmal 14.500 Euro pro Jahr nachdem er 65 geworden ist. "Opfer bekommt eine Million nach einem Unfall, der durch einen Betrunkenen verursacht wurde", schreibt auch Het Laatste Nieuws auf Seite eins.
"Das Smartphone schafft den Durchbruch als Zahlungsmittel", so die Aufmachergeschichte von Gazet van Antwerpen. Künftig wird man bei der Supermarktkette Colruyt per Handy an der Kasse bezahlen können. In gewissen Geschäften funktioniert das jetzt schon...
"Weniger Morde nach Verschärfung der Waffengesetzgebung", schreibt Het Belang van Limburg. 2006 wurde ja die Waffengesetzgebung verschärft; das war eine Reaktion auf den rassistisch motivierten Amoklauf von Hans Van Themsche. Jedenfalls: Seit es deutlich schwieriger geworden ist, Waffen zu kaufen, ist die Zahl der Tötungsdelikte deutlich zurückgegangen.
"Frittenbudenbetreiber verdauen die Werbung der Fastfood-Kette Quick nicht", so die Schlagzeile von L'Avenir. Es ist so: Quick hat im Moment ein Werbeplakat, auf dem ein Wortspiel vorkommt: "On va casser la baraque à frites", frei übersetzt: "Wir brechen die Frittenbude ab"; die Frittenbudenbetreiber finden das aber gar nicht lustig. "Die bei Quick sollen erstmal lernen, Fritten zu machen", heißt es da. Quick hat sich inzwischen für den Fauxpas entschuldigt.
Bild: Olivier Vin (belga)