"Putin-Kritiker schweigt jetzt für immer", titelt De Standaard. "Russischer Oppositionsführer kaltblütig ermordet", schreibt Het Nieuwsblad. La Libre Belgique meint: "Wieder ein Oppositioneller weniger". "Zehntausende Russen gehen für Nemzow auf die Straße", so Le Soir auf Seite eins.
Nach dem Mord am Kreml-Kritiker Boris Nemzow am Freitagabend auf offener Straße in Moskau sind Trauer und Empörung groß. L'Avenir bemerkt: Seine Kritik am Regime hat Nemzow jetzt mit seinem Leben bezahlt. Besonders pikant: Russlands Präsident Wladimir Putin verurteilt die Bluttat, betont aber gleichzeitig, es könnte sich um ein Manöver der Opposition handeln, um das Land zu destabilisieren. Was für ein Schauspiel, findet die Zeitung. Obwohl der Kreml-Chef in der Sache alles andere als unverdächtig ist, hat der allmächtige Präsident es geschafft, den Verdacht auf seine Gegner zu lenken. Wegen der vielen Nebelkerzen, die jetzt in Moskau gezündet werden, wird die Wahrheit wohl nie ans Licht kommen. Demokratie wird es in Russland aber nie geben können, so lange die alte Tradition der politischen Auftragsmorde weitergeht, prophezeit L'Avenir.
In Russland ist niemand mehr sicher
La Libre Belgique meint: Nemzow stand für die Meinungsfreiheit. Sein Tod bedeutet, dass in Russland niemand mehr sicher ist. Die Folge: Aus Angst um ihr Leben werden sich nun viele Oppositionelle zwei Mal überlegen, was und ob sie überhaupt noch etwas sagen.
De Morgen bemerkt: Dass Putin den Nemzow-Mord der Opposition in die Schuhe schieben will, zeigt, wie weit eine Regierung mit totalem Machtanspruch gehen kann und will. Sie kontrolliert fast alle Medien in Russland und kann so nach Belieben ihre Propaganda unters Volk bringen. Putin bleibt derweil unantastbar, weil er sein Volk mit eiserner Hand regiert und die Opposition so gut wie mittellos ist. Auch wenn er nicht selbst den Mordauftrag gegeben hat, Putin hat zumindest das Klima der Hetzjagd auf alle Gegner geschaffen. Die Annexion der Krim, die Gewalt in der Ukraine und der Abschuss des Flugzeugs mit vielen Niederländern an Bord: Es gibt zurzeit keinen einzigen Grund, warum Europa seine Sanktionen gegen Russland lockern sollte, meint De Morgen.
"Regiert endlich!"
In Het Laatste Nieuws rufen bekannte Unternehmer die Koalitionsparteien auf, ihre Streitigkeiten beiseite zu legen und endlich zu regieren. Im Visier stehen dabei vor allem die Dauerstreithähne CD&V und N-VA. Der Föderalregierung steht ein entscheidender Monat ins Haus: Bei der wichtigen Haushaltskontrolle drohen die Meinungsunterschiede zwischen den vier Parteien der Koalition wieder aufzuflammen. Der Schuh-Riese Wouter Torfs appelliert an die Politiker: "Löst eure Konflikte im Hinterzimmer und macht euch endlich an die Arbeit!" Auch die Zeitung findet, dass Premierminister Charles Michel jetzt dafür sorgen sollte, dass sein Kabinett nochmal durchstartet.
In diesem Zusammenhang meint Gazet van Antwerpen: Zwar hatte Vizepremier Alexander De Croo recht, wenn er meint, wir sollten unsere Probleme in Belgien öfter mal relativieren. Verglichen mit der Lage in Russland oder im Kongo haben wir hierzulande höchstens "Problemchen". Trotzdem droht die anstehende Haushaltsnachbesserung zur Zitterpartie für die Mitte-Rechts-Koalition zu werden. Obwohl sich die Parteien zum Sparen verpflichtet haben, werden die Minister zusätzliche Mittel für unsere Sicherheit aufbringen müssen.
Arbeitstourismus auf Rekordniveau
Nach Angaben von Le Soir kommt jeder zweite Arbeitnehmer, der in Belgien im Baufach tätig ist, aus dem Ausland. Seit 2007 hat sich deren Zahl sogar von 25.000 auf 100.000 vervierfacht. Die meisten ausländischen Bauarbeiter werden aus den Niederlanden, Polen, Deutschland, Portugal und Rumänien entsandt. Der spektakuläre Anstieg hat auch Folgen für belgische Firmen: Er trägt zum Sozialdumping bei, wodurch alleine im letzten Jahr 2.000 hiesige Bauunternehmen schließen mussten.
Es wäre zu einfach, den polnischen Maurer, den rumänischen Verputzer oder den bulgarischen Baggerfahrer zu verteufeln und zu sagen, dass sie uns die Arbeit wegnehmen, mahnt Le Soir. Das wirkliche Problem ist die unausgereifte EU-Arbeitnehmer-Entsendungsrichtlinie. Quasi ohne staatliche Kontrolle und ohne Rücksicht auf den örtlichen Arbeitsmarkt ist es möglich, einen Arbeitnehmer in ein anderes EU-Land zu entsenden und nach Heimattarifen zu bezahlen. Die Politiker haben aus der EU einen gemeinsamen Währungs- und Wirtschaftsraum gemacht, ohne jedoch die Sozial- und Steuersysteme aneinander anzugleichen. Die negativen Folgen des Arbeitstourismus' fallen nach Ansicht der Zeitung in die gleiche Kategorie Probleme wie Lux- und SwissLeaks.
Die Räder rollen wieder
Alle Blätter gehen auf den heiß ersehnten Start in die belgische Radsaison ein. Doch kein Belgier stand am Ende ganz oben auf dem Treppchen, sondern die Briten Stannard und Cavendish. Sie setzten sich sowohl bei der 70. Auflage des "Omloop Het Nieuwsblad" als auch bei "Kuurne - Brüssel - Kuurne" durch.
Foto: Sergei Gapon (afp)