"Dänemark unter Schock", titelt La Libre Belgique. "Kopenhagen im Bann des Terrors", so die Schlagzeile von Gazet Van Antwerpen.
Etwas mehr als einen Monat nach den Attentaten von Paris wurde die dänische Hauptstadt Kopenhagen am Wochenende von einem Doppelanschlag erschüttert. Erst schoss der Täter auf ein Kulturzentrum, wo eine Veranstaltung über Meinungsfreiheit stattfand, später attackierte er die Synagoge von Kopenhagen.
Insgesamt zwei Menschen kamen ums Leben. Gestern konnten Sicherheitskräfte auch den Täter stellen. Es kam zu einem Schusswechsel, bei dem der Mann getötet wurde.
Charlie Hebdo II
Dieser Ablauf der Ereignisse erinnert ganz an die Attentate von Paris: Erst attackiert der Täter die Meinungsfreiheit - in dem Kopenhagener Kulturzentrum war ja auch ein Mohammed-Karikaturist anwesend - und danach greift er eine jüdische Einrichtung an. In Paris war es ein koscherer Supermarkt, in Kopenhagen war es die Synagoge.
"Er war inspiriert durch Charlie Hebdo", titelt denn auch Het Nieuwsblad. La Dernière Heure spricht auf Seite eins von einem "Charlie Hebdo II". "Er wollte in Kopenhagen ein Blutbad wie in Paris", schreibt L'Avenir". Die düstere Schlagzeile von Le Soir fasst es zusammen: "Die Ansteckung". Es ist jedenfalls eine "Nachahmungstat mit nachhaltiger Wirkung", glaubt De Standaard. Wer jetzt noch eine Veranstaltung organisieren will, bei der es um die Meinungsfreiheit geht, der dürfte sich das zweimal überlegen, schreibt das Blatt.
Einige Zeitungen versuchen, das Profil des Täters nachzuzeichnen: "Der Schütze war gerade erst auf freiem Fuß", hebt Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite hervor. "Kaum zwei Wochen aus der Zelle", unterstreicht auch Het Nieuwsblad. Der mutmaßliche Täter hatte eine kriminelle Vergangenheit, die auch von Gewalt geprägt war. Offenbar war er aber nie in Syrien.
Ein dänischer "lone wolf"
Das zeigt, wie komplex die terroristische Bedrohung ist, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Der Schütze von Kopenhagen war in Dänemark geboren. Warum er sich letztlich zum Werkzeug der Organisation IS gemacht hat, das ist im Moment noch schwer nachvollziehbar. An der Ausgangslage ändert das aber im Grunde nichts. Mehr denn je müssen wir der Angst widerstehen, Verallgemeinerungen, Thekenparolen und Eseleien ablehnen. Wir leben in Europa, in offenen, freien und demokratischen Gesellschaften und darauf müssen wir stolz sein.
Es war ein einsamer Wolf, der in Kopenhagen zugeschlagen hat, hält auch Het Nieuwsblad fest. Und es ist eine Illusion zu glauben, dass wir uns gegen derlei frei herumlaufende Wahnsinnige schützen können. Dass der Täter es ausgerechnet auf eine Podiumsdiskussion abgesehen hatte, bei der es um freie Meinungsäußerung ging, ist an Zynismus nicht zu überbieten. Ein für alle Mal muss klar sein, dass Gotteslästerung oder Blasphemie ganz persönliche Angelegenheiten sind: Der gläubige Mensch fühlt sich beleidigt, den Atheisten oder Agnostiker lässt es kalt. Religion steht nicht über den Regeln unserer Gesellschaft. Das wäre eine verkehrte Welt.
Kühle Dänen
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit dem Umgang der Dänen mit der terroristischen Bedrohung. "Cool, cooler, dänisch", bringt De Standaard die Wahrnehmung auf den Punkt. "In Kopenhagen geht's auch ohne Soldaten in den Straßen", konstatiert De Morgen auf Seite eins.
Die Reaktion in Dänemark unterscheidet sich grundlegend von dem, was wir in Belgien oder Frankreich gesehen haben, unterstreicht De Morgen in seinem Leitartikel. Politiker aus Mehrheit und Opposition machten in Kopenhagen klar, dass Terroristen die freie und offene Gesellschaft in Dänemark nicht infrage stellen werden. Die dänischen Sicherheitskräfte setzen verstärkt auf Prävention. Nicht die Zahl der Beamten ist ausschlaggebend, sondern ihre Qualität und Effizienz. Die Dänen zeigen jedenfalls, dass man die Welt immer noch in Nuancen sehen kann.
De Standaard schlägt in dieselbe Kerbe: Die demonstrative Nüchternheit, die die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt an den Tag legt, kommt auch bei der flämischen Elite gut an. Dabei haben sich die Behörden hierzulande eher für die französisch-italienische Vorgehensweise entschieden: den Einsatz von Soldaten. Man muss aber zugeben, dass hier vor allem die flämisch-nationalistische N-VA Pate gestanden hat. Beide Haltungen sind aber nachvollziehbar, was man nicht von den Aussagen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu behaupten kann. Der ruft die Juden in Europa dazu auf, nach Israel auszuwandern.
Viele Zeitungen berichten heute auch über ein neues Video, in dem IS-Terroristen ausdrücklich Drohungen gegen Belgien formulieren. Zu sehen ist offenbar ein Mann aus Verviers, der auch schon mit dem vereitelten Terrorkomplott von vor einem Monat in Verbindung gebracht wurde.
Rauschebart und Plastik-Kalaschnikow
Die belgischen Sicherheitsbehörden bleiben jedenfalls wachsam. Am Wochenende war ja schon bekannt geworden, dass N-VA-Chef Bart De Wever im Skiurlaub Polizeischutz genießt. Auch das traditionelle Foto der Königsfamilie auf einer Skipiste in der Schweiz wurde aus Sicherheitsgründen abgesagt.
Angesichts dieser permanenten Bedrohung dürfen wir aber nicht in die Knie gehen, mahnt L'Avenir. In einigen Ortschaften wurden sogar für den Karneval Verbote ausgesprochen, etwa mit Blick auf angeblich provozierende Kostüme oder Wagenmotive. Das ist problematisch! Der Karneval ist von Natur aus ein Moment der absoluten Freiheit. Die Sicherheitsbedenken mögen nachvollziehbar sein. Und doch sind sie eine Bankrott-Erklärung gegenüber den Terroristen.
Die Karnevalisten in Aalst jedenfalls haben sich nicht beirren lassen. Vor allem die flämischen Zeitungen bringen Fotostrecken von dem Karnevalszug, der als besonders satirisch und anarchisch bekannt ist. Diesmal hatten sich einige Karnevalisten als Dschihadisten verkleidet. Inklusive Rauschebart und Plastik-Kalaschnikow.
Bild: Claus Björn Larsen/AFP