"Steven Martens tritt als Geschäftsführer des Fußballbundes zurück", titelt Het Belang van Limburg. "Steven Martens nimmt den Hut und bekommt trotzdem einen Goldenen Handschlag", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen. "Martens lässt sich von der Union belge scheiden und bekommt eine fette Prämie", schreibt La Dernière Heure.
Steven Martens ist nicht mehr der Geschäftsführer des Nationalen Fußballverbandes. Seit Monaten stand der 49-Jährige im Kreuzfeuer der Kritik. Ihm wurde unter anderem Misswirtschaft vorgeworfen. Zudem soll er den Boden unter den Füßen verloren haben. "Größenwahn bei der Union belge", fasst es La Libre Belgique zusammen. Per Kommuniqué kündigte er am Montag seinen Rücktritt an. Die Kritik sei unerträglich geworden, begründete er seine Entscheidung.
Das ist aber wohl nur die halbe Wahrheit. "Martens musste weg", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Demnach erfolgte sein Abgang nicht ganz freiwillig. Viel mehr habe Verbandspräsident François De Keersmaecker ihn zu diesem Schritt gedrängt. Intern sei das Vertrauensverhältnis allzu sehr zerrüttet gewesen. Das jedenfalls sei der Grund, dass Steven Martens jetzt eine Abschiedsprämie verlange, und zwar in Höhe von 336.000 Euro.
Swiss Leaks: Die Namen
Im Mittelpunkt steht aber auch heute die sogenannte "Swiss-Leaks"-Affäre. Die Zeitung Le Soir, die zu den Enthüllern gehörte, bringt die Liste der belgischen Kunden der Bank HSBC. Die britische HSBC hatte es über ihre schweizerische Filiale finanzkräftigen Kunden ermöglicht, ihr Geld zu verstecken. "Die großen belgischen Namen", verspricht das Blatt auf Seite eins. Auf den Listen tauchen demnach Namen auf wie der der Modeschöpferin Diane von Fürstenberg, der Millionen-Erbin Jacqueline Boël oder des Industriellen Stefaan Colle aus dem De-Clerck-Textilimperium. Es sei die Crème de la Crème, resümiert Le Soir.
L'Echo bringt auf Seite eins sozusagen das internationale Pendant der Kundenliste von HSBC: Darunter sind König Abdullah von Jordanien, die Popstars David Bowie und Phil Collins und der ehemalige Formel-1-Manager Flavio Briatore.
Offenbar verweigern die schweizerischen Behörden nach wie vor die Zusammenarbeit. Deswegen droht die belgische Justiz jetzt mit einem internationalen Haftbefehl gegen die Verantwortlichen der HSBC, wie unter anderem Le Soir berichtet.
"Fiskale Bandenkriminalität"
De Morgen spricht in diesem Zusammenhang von "fiskaler Bandenkriminalität". Besonders zynisch ist die Rolle der Banken. Nicht nur, dass sie durch ihren Kasino-Kapitalismus unsere Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs gebracht haben, sie belasten die Haushalte der Staaten zusätzlich durch fiskale Hightech-Tricksereien.
"Jetzt reicht's!", wettert La Libre Belgique in ihrem Kommentar. Inzwischen jagt ein Steuerskandal den nächsten. Und wer glaubt, dass die Bankenwelt in der Schweiz oder in Luxemburg mittlerweile clean ist, der geht wohl auch davon aus, dass der Sieger der Tour de France lediglich Mineralwasser trinkt. Die Justiz muss jetzt wirklich in die Offensive gehen. Hier geht es nicht nur um Steuergerechtigkeit, sondern um die Demokratie in ihrer Gesamtheit.
Steuerbetrug gefährdet Demokratie
L'Echo sieht das ähnlich. HSBC hat dafür gesorgt, dass über sechs Milliarden Euro vom Radarschirm der belgischen Steuerbehörden verschwinden. Diesen Praktiken muss weltweit ein Riegel vorgeschoben werden. Denn: Die Gleichheit vor dem Fiskus ist die Grundlage des Gesellschaftsvertrags in liberalen Demokratien. Insofern erschüttern diese Affären unsere Staaten in ihren Grundfesten.
Man muss sich einmal vorstellen, was ein Staat mit diesem Geld hätte anstellen können, das ihm durch die Lappen gegangen ist, gibt auch Het Belang van Limburg zu bedenken. 6,3 Milliarden Euro allein für Belgien, das ist alles andere als eine abstrakte Summe Geld. Damit kann man nicht nur den Haushalt sanieren, sondern zudem wirkliche gesellschaftliche Probleme lösen.
La Dernière Heure schlägt in dieselbe Kerbe. Mit jedem Cent, der heimlich ins Ausland geschafft wird, gibt es weniger Geld für Kinderkrippen, Schulen, Krankenhäuser und auch für das Gesundheitssystem und die Renten. Die Gesellschaft wird damit nur noch ungerechter. Insofern muss man die Praktiken als das betrachten, was sie sind: kriminell.
"Ohrenbetäubendes Schweigen"
"Warum scheint uns das inzwischen unberührt zu lassen?", fragt sich Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Dabei erinnert die "Swiss-Leaks"-Geschichte ganz an einen James-Bond-Film. Sogar Gangster, die nicht wussten, wohin mit ihrem Geld aus dunklen Geschäften, fanden in der Schweiz Hilfe. Aber offenbar halten viele von uns Schwarzgeld nicht für problematisch, auch dann nicht, wenn es von Drogenbaronen, Waffenhändlern oder Terroristen stammt. Für diesen Fatalismus gibt es aber eine Erklärung: Seit Jahrzehnten sind die Staaten machtlos gegen diese Form von Kriminalität. Und auf den, der sich erwischen lässt, wartet ein Steuerdeal.
Auch Le Soir beklagt das "ohrenbetäubende Schweigen". Zwar produzieren Politiker bei jedem Steuerskandal markige Worte. In der Praxis ändert sich aber herzlich wenig. Und wenn sich überhaupt jemand fürchten muss, dann sind es die kleinen, privaten Steuerbetrüger. Die wirklich dicken Fische, die schwimmen weiter in trüben Gewässern. Und oft brauchen die nicht einmal Schweizer Banken, um Steuern zu vermeiden. Dabei helfen ihnen sogar Regierungen.
Archivbild: Dirk Waem (belga)