"Der schwere Fehler des Rudi Vervoorts", titelt Le Soir. "Alle sauer wegen des 'idiotischen' Nazi-Vergleichs", meint Het Laatste Nieuws. Bei La Libre Belgique heißt es: "Der Bock-Schießer Vervoort".
Brüssels Ministerpräsident Rudi Vervoort hat am Mittwoch eine Welle der Empörung losgetreten. In einem Zeitungsinterview hatte er die Terrorabwehr-Maßnahmen der Föderalregierung kritisiert - vor allem den geplanten Entzug der Staatsbürgerschaft. Das seinen Methoden aus der Nazi-Zeit, erklärte Vervoort. Auch die Nationalsozialisten hätten den deutschen Juden ihre Nationalität abgenommen. Noch am Nachmittag ruderte Vervoort kleinlaut zurück: Er habe niemanden verletzen, lediglich eine Debatte anstoßen wollen.
"Rudi Vervoort kann unter diesen Umständen nur schwerlich Brüsseler Ministerpräsident bleiben", wird der liberale Kammerabgeordnete Armand De Decker auf Seite eins von L'Echo zitiert.
"Inakzeptabel, ungeschickt und unangebracht"
Auch viele Zeitungen gehen mit Vervoort hart ins Gericht, etwa La Libre Belgique: Der Brüsseler MP hat eine rote Linie überschritten - und zwar deutlich. Da bringen auch holprige Erklärungsversuche im Nachhinein nichts mehr. Der Nazi-Vergleich ist historisch inakzeptabel, politisch äußerst ungeschickt und dazu noch menschlich völlig unangebracht.
Diese Aussagen gehören bestraft, findet auch Gazet Van Antwerpen. De Standaard meint: Die Regierung mit dem Hitler-Regime zu vergleichen und die verfolgten Juden mit Syrienkämpfern, ist nicht nur völlig daneben, sondern in jeder Hinsicht ekelhaft. Rudi Vervoort hätte den Preis der Geschmacklosigkeit verdient, so die Zeitung. L'Avenir fasst es mit den Worten des ehemaligen französischen Präsidenten Georges Clémenceau zusammen: "Alles, was übertrieben ist, ist ohne Bedeutung".
Le Soir übt ebenfalls scharfe Kritik: Wie wäre es, wenn Rudi Vervoort sich mit seinen eigentlichen Aufgaben an der Spitze der Brüsseler Region befassen würde und die Oppositionsarbeit der PS-Fraktionsvorsitzenden im föderalen Parlament, Laurette Onkelinx, überlassen würde? Vervoort hätte definitiv besser daran getan, seinen Mund zu halten. Auch der Parteiführung wirft die Zeitung Fehlverhalten vor. Statt den Vorstoß Vervoorts zu verurteilen, gab es von PS-Chef Elio Di Rupo nur Funkstille.
"Debatte braucht Argumente, keine Nazi-Vergleiche"
Het Laatste Nieuws bemerkt dagegen: Auch wenn Vervoorts Auftritt völlig unangebracht war, in einem Punkt hat er Recht. Über Sinn und Zweck des Entzugs der Staatsangehörigkeit lässt sich streiten. Nutzen und Durchführbarkeit der Maßnahme sind umstritten - auch innerhalb der Regierung. So eine heikle Debatte führt man aber mit fundierten Argumenten und nicht mit billigen Nazi-Vergleichen.
Stichwort: Nationalitätsentzug. Wie De Standaard berichtet, wird das Vorhaben der Föderalregierung wohl deutlich komplizierter als gedacht. Das Verfassungsgericht wird schwere Bedenken haben und die Schaffung Bürger zweiter Klasse bemängeln. Konkret sieht es so aus, dass man wohl nur den Extremisten die belgische Staatsbürgerschaft abnehmen kann, die sie nicht schon von Geburt an besitzen, sondern erst im Zuge einer Naturalisierung erhalten haben. Diese Möglichkeit besteht allerdings schon heute. Vor allem bei der N-VA, die ja auf die Einführung der Maßnahme, die auch in Deutschland und Großbritannien angedacht ist, drängt, dürften die juristischen Hindernisse für Ernüchterung sorgen. Koalitionsstreit nicht ausgeschlossen, warnt Het Belang Van Limburg.
Neues Drohvideo gegen Belgien
"Warum die Terroristen vom IS Belgien im Visier haben", fragt De Morgen auf seiner Titelseite. am Mittwoch war im Internet ein neues Video der Extremisten aufgetaucht, in dem sie vor Anschlägen in den USA, Frankreich und Belgien warnen. Die Zeitung führt die drei Hauptgründe für die Drohungen gegen unser Land auf. Erstens: IS will sich für den Tod zweier mutmaßlicher Dschihadisten beim Anti-Terror-Einsatz von Verviers rächen. Zweitens: Belgien nimmt mit Kampfflugzeugen an der Anti-IS-Koalition teil und wirft Bomben über dem Irak ab. Und drittens: Zu den Mitgliedern der Terrororganisation gehören verhältnismäßig viele Kämpfer aus Belgien.
Het Laatste Nieuws berichtet, dass 2014 ein Viertel weniger Ausländer Belgier geworden sind als in den Jahren zuvor. Die belgische Nationalität wurde im vergangenen Jahr knapp 26.000 Mal anerkannt - zum Vergleich: 2013 war es fast 10.000 Mal öfter der Fall. Grund für den Rückgang sind schärfere Zulassungskriterien und die Abschaffung des Gesetzes zur sogenannten schnellen Einbürgerung.
Rechtsvorfahrt vor dem Aus?
Laut Het Nieuwsblad schaffen immer mehr Kommunen die Rechtsvorfahrt an Kreuzungen ab. "Zu verwirrend und zu gefährlich", lautet die Kritik. Vor allem auf größeren Straßen würden Autofahrer die Rechtsvorfahrt von abbiegenden Fahrzeugen aus kleineren Straßen immer häufiger missachten. Gilt eine andere Vorfahrtsregel, dann muss ein entsprechendes Schild an der Kreuzung darauf hinweisen. Eine Aufhebung der allgemeinen Rechtsvorfahrtregelung auf Belgiens Straßen soll es vorerst aber nicht geben, erklärt der Sprecher von Verkehrsministerin Jacqueline Galant in der Zeitung.
Bild: Eric Lalmand (belga)