"Was die Dschihadisten miteinander besprochen haben", titelt Le Soir. "Die Terroristen wollten sich an den Beamten rächen, bei denen sie 'Stammkunden' waren", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Einige Zeitungen kennen inzwischen zumindest in Teilen den Inhalt der Abhörprotokolle, die die Polizei bei der Beobachtung der Vervierser Terrorzelle erstellt hatte. Demnach wollten die Dschihadisten das Hauptquartier der Föderalen Polizei in Brüssel und auch das Kommissariat von Molenbeek angreifen. Offenbar stand der Anschlag tatsächlich kurz bevor.Nach Informationen von Het Laatste Nieuws wollten die Terroristen am vergangenen Freitag losschlagen; der Zugriff der Polizei erfolgte ja bekanntlich am Donnerstagabend.
"Nur geweint"
Gestern hat die zuständige Ratskammer die Untersuchungshaft von drei Verdächtigen verlängert. Darunter ist auch Marouan El Bali. Der befand sich in der konspirativen Wohnung in Verviers, die die Polizei gestürmt hatte. Im Moment des Zugriffs stand er unter der Dusche. Er überlebte nur, weil er halbnackt aus dem Fenster sprang, berichtet Het Laatste Nieuws. Der Verdächtige behauptet, nur rein zufällig in der Wohnung gewesen zu sein. "Er hat die ganze Gerichtssitzung über geweint", gab sein Anwalt an. Das zeige doch, dass sein Mandant nichts mit der Sache zu tun habe.
"Währenddessen macht sich in Belgien eine Psychose breit", bemerkt Le Soir auf Seite eins. "Belgien schwankt zwischen legitimer Angst und Hysterie", meint das Blatt. Inzwischen haben sechs belgische Städte die Unterstützung der Armee beantragt beziehungsweise dort patrouillieren schon Soldaten. "Sind wir im Krieg?", fragt sich die Wochenzeitschrift Le Vif/L'Express. Das Magazin widmet der terroristischen Bedrohung ein ganzes Dossier.
"Big Brother 2.0"
Wir erleben im Moment ein wahres Potpourri an Sicherheitsmaßnahmen, stellt Het Nieuwsblad in seinem Kommentar fest. Vor allem die Föderale Polizei trifft eine Entscheidung nach der anderen, um den Schutz ihrer Beamten zu gewährleisten. Natürlich ist das nachvollziehbar; niemand möchte den Eindruck haben, als lebende Zielscheibe durch die Straßen zu laufen. Das Problem ist aber, dass die Polizei durch ihre sichtbare Nervosität auch das allgemeine Unsicherheitsgefühl bei den Bürgern befeuert. Die Polizei braucht dringend eine koordinierte und geordnete Herangehensweise; wer herum rennt wie ein kopfloses Huhn, der spielt nur denen in die Karten, die Panik schüren wollen.
Gestern hat derweil im Parlament die Debatte über die Sicherheitsmaßnahmen der Regierung begonnen. Die Ausschüsse für Justiz, Inneres und Verteidigung beschäftigen sich gemeinsam mit der Thematik. Dabei wurde schnell deutlich, dass es auch innerhalb der Mehrheit durchaus Meinungsverschiedenheiten gibt. Vor allem CD&V und OpenVLD haben Bauchschmerzen angesichts der einen oder anderen Maßnahme, "die N- VA fühlt sich dagegen wie ein Fisch im Wasser", schreibt sinngemäß La Libre Belgique. Insbesondere für den N- VA-Innenminister Jambon sei die terroristische Bedrohung quasi ein Roter Teppich, um seine rechtskonservative Agenda umzusetzen, meint das Blatt.
Het Laatste Nieuws befürchtet ein "Big Brother 2.0". Die Frage aller Fragen lautet: Wieviel Freiheit und Privatleben müssen wir opfern für die Illusion von Sicherheit. Das Problem ist, dass unsere Wahrnehmung im Augenblick verzerrt ist. Es fällt einem eher noch bei Windstille ein Baum auf den Kopf, als dass man durch einen Moslemextremisten getötet wird. Wenn wir nicht aufpassen, dann ist der Schutz des Privatlebens bald nur noch ein Luxusprodukt, von dem wir eines Tages nur noch unseren Enkeln erzählen können.
Die Zeit der demonstrativen Einhelligkeit ist vorbei, bemerkt auch Le Soir in seinem Kommentar. In einer ersten Phase hatten die Parteien fraktionsübergreifend den Schulterschluss gesucht, eine "Nationale Einheit" suggeriert. Jetzt ist es aber wieder an der Zeit, klassische politische Debatten zu führen. Hoffentlich bekommen wir zu diesen durchaus heiklen Themen konstruktive Diskussionen, die nicht mit Karikaturen und groben Vereinfachungen geführt werden.
Defossé spaltet, Marghem verwaltet
La Dernière Heure beschäftigt sich mit dem Journalisten Jean-Claude Defossé. Nach einem Gastspiel als Politiker produziert der jetzt wieder ein Fernsehmagazin, das allerdings nicht mehr für die RTBF sondern bei RTL-TVI. Gleich die erste Ausgabe sorgt aber jetzt schon für Polemik. "Defossé spaltet und er steht dazu", titelt La Dernière Heure. Die Reportage hatte den Titel: "Die Integration von Ausländern ist in Belgien gescheitert". Damit sorgte er für einen Sturm der Entrüstung.
"Die Maßnahmen gegen den drohenden Black-Out sind unzureichend", titelt L'Echo. Zu diesem Schluss ist offensichtlich die zuständige Ministerin Marie-Christine Marghem gekommen. Sie will jedenfalls die so genannte "strategische Reserve" aufstocken, das heißt, es sollen mehr Kraftwerke für den Fall der Fälle zur Verfügung stehen. Dass es bislang noch nicht zu einem Stromausfall gekommen ist, das sei jedenfalls allein dem Wetter zu verdanken, sagt Marghem.
Tag der Wahrheit für "Super Mario"
Einige Zeitungen beschäftigen sich heute mit der Entscheidung der Europäischen Zentralbank, die sich heute die Möglichkeit geben will, in großem Stil Staatsobligationen zu kaufen.
Im Grunde will die EZB Geld drucken, konstatiert De Standaard in seinem Leitartikel. Die Entscheidung ist nicht unumstritten; vor allem Deutschland ist dagegen. Und Finanzminister Van Overtveldt schließt sich dem Kollegen Schäuble an. Das ist seltsam, meint De Standaard. Erstens: Die Politik hat sich aus den Entscheidungen der EZB herauszuhalten. Und zweitens: Nichts zu tun ist auch keine Option.
Heute ist der Tag der Wahrheit für "Super Mario", also den EZB-Vorsitzenden Draghi, meint La Libre Belgique. Staatsobligationen kaufen oder nicht? In dieser Frage sind selbst Ökonomen tief gespalten. Das Hauptproblem der EU ist aber anderswo gelagert, drei Worte: Mangel an Vertrauen.
Deswegen sollten wir jetzt auch aufhören, die Entscheidung der EZB kaputt zu diskutieren, mahnt De Morgen. Stattdessen sollte man den US-Präsidenten Barack Obama zum Vorbild nehmen, der gestern bei seiner Rede zur Lage der Nation mal eben selbstbewusst die Krise für beendet erklärt hat.
Krisengespenst geistert durch Davos
Die Mächtigen der Welt sind derzeit im schweizerischen Davos versammelt, wo das Weltwirtschaftsforum stattfindet. Und dort geistert nach wie vor das Krisengespenst durch die feinen Salons, glaubt L'Avenir. Vielleicht sollte gerade die mächtige Runde in Davos sich mal selbst in Frage stellen: Inwieweit haben eben diese Leute Schuld an der Krise?
Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg stellen beide die Frage, warum Belgien eigentlich durch das Königspaar und den Premier in Davos vertreten ist. Für Gazet van Antwerpen ist das Glas halbleer: Selbst ein Abendessen mit dem König wird keinen Investor überzeugen, bevor das Land nicht endlich auf Vordermann gebracht wurde. Für Het Belang van Limburg kann eine Präsenz in Davos nicht schaden. Nichts geht über persönliche Kontakte. Davos ist ein guter Platz, um Probleme mal eben zwischen Tür und Angel zu regeln.
Foto: Emmanuel Dunand afp)