"Das Terrornetzwerk war viel größer als gedacht", titelt Het Nieuwsblad. "Ein neues Attentat ist nicht zu vermeiden", so die Schlagzeile von La Dernière Heure.
Knapp eine Woche nach der Anti-Terror-Operation von Verviers laufen die Ermittlungen weiter auf Hochtouren. Het Nieuwsblad bringt eine vorläufige Bilanz. Demnach war es viel komplizierter als erwartet, die einzelnen Mitglieder des Terrornetzwerkes zu identifizieren. So war man tagelang davon ausgegangen, dass der Logistik-Chef der Zelle bei dem Zugriff am Donnerstagabend getötet worden war. Inzwischen stellte sich heraus, dass er einer der beiden Verdächtigen ist, die in Frankreich festgenommen wurden. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Identifizierung der beiden toten Dschihadisten als schwierig erwiesen hat. "Nach sechs Tagen setzen sich die Puzzlestücke langsam aber sicher zusammen", resümiert Het Nieuwsblad.
Wie einige Zeitungen berichten, hat sich ein anderer Verdächtiger am Dienstag der belgischen Polizei gestellt. Die Ermittler hatten in der Wohnung in Verviers offenbar seine Papiere entdeckt. Der 21-Jährige wurde in Spanien vermutet, hat sich aber jetzt bei der Polizei in Molenbeek gemeldet, berichtet unter anderem Le Soir. Der Verdächtige trug eine elektronische Fußfessel und hat Belgien offenbar nicht verlassen.
Hysterie
Das, was so mancher eine Angst-Psychose nennt, scheint derweil anzudauern. In einem Interview mit La Dernière Heure sagt der Brüsseler Bürgermeister Yvan Mayeur klipp und klar, dass ein neuer Anschlag wohl unvermeidbar ist. Er verlangt in jedem Fall zusätzliche Mittel, um Syrien-Heimkehrer begleiten beziehungsweise beobachten zu können.
Derweil beantragen immer mehr Städte die Unterstützung der Armee zur Bewachung von Gebäuden. Zugleich wurde bekannt, dass die Polizei künftig auf "klassische" Alkoholkontrollen verzichten will: Die Beamten sollen nicht zu lange an einem Ort bleiben, was sie zu potentiellen Zielen machen würde. Und außerdem werden sie für andere Aufgaben gebraucht, hieß es zur Begründung. Eine weitere Konsequenz aus der terroristischen Bedrohung steht auf Seite eins von Het Laatste Nieuws: "Der Verkauf von kugelsicheren Westen hat sich verfünffacht", titelt das Blatt. Die Hersteller können demnach der Nachfrage kaum gerecht werden. Käufer sind nicht nur die Polizeidienste, sondern auch Sicherheitsfirmen, Feuerwehrleute und Notärzte.
De Morgen spricht in seinem Leitartikel nur noch von "Sicherheits-Theater". Justizminister Koen Geens hatte nicht Unrecht, als er sagte, dass nirgendwo so viel über Alarmanlagen gesprochen wird wie in einem Haus, in das gerade eingebrochen wurde. Vielleicht sind wir hier tatsächlich gerade Zeugen einer urmenschlichen Reaktion. Die Frage sei dennoch erlaubt, ob wir es hier nicht mit klassischer Hysterie zu tun haben. Viel beunruhigender ist aber noch die Tatsache, dass immer mehr Politiker die Gunst der Stunde nutzen wollen, um die persönlichen Freiheiten einzuschränken. Da kann man nur zum x-ten Mal an den Spruch von Benjamin Franklin erinnern: "Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren".
Google soll helfen
L'Echo bringt heute ein Interview mit Premierminister Charles Michel. Auch der kommt an der terroristischen Bedrohung natürlich nicht vorbei. Die Zeitung hebt eine Kernaussage hervor: Das Internet darf nicht mehr das Verbreitungsgebiet von Radikalismus sein. Michel will sich da einen mächtigen Verbündeten mit ins Boot holen. Seiner Ansicht nach sollte sich Google am Kampf gegen Terrorismus und Radikalisierung beteiligen. Michel will sich nach eigenen Angaben beim Weltwirtschaftsforum in Davos mit dem Google-Chef persönlich darüber unterhalten.
"CD&V und N- VA sind sich nicht einig über Anti-Terror-Politik", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. Anscheinend gibt es unter anderem Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit der Idee, Terroristen die belgische Staatsangehörigkeit abzuerkennen.
La Libre Belgique kann die diesbezüglichen Bauchschmerzen der CD&V verstehen. Wer mit der Nationalität herumspielt, der begibt sich auf dünnes Eis, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Konkret: Wenn die Regierung sich das Recht herausnehmen will, Menschen mit der doppelten Staatsangehörigkeit die belgische Nationalität abzuerkennen, dann macht man aus dieser Bevölkerungsgruppe pauschal Bürger zweiter Klasse. Staatsbürgerschaft ist Staatsbürgerschaft.
"Schluss mit den Spielchen!"
Es gibt aber auch noch andere Themen: "Haushaltsloch: Der Föderalstaat gibt den Regionen die Schuld", titelt Le Soir. Belgien hat im vergangenen Jahr gegen die Drei-Prozent-Defizitgrenze verstoßen. Im Augenblick machen sich die verschiedenen Machtebenen gegenseitig für das Entgleisen des Haushalts verantwortlich. Für den Föderalstaat tragen Flandern und die Wallonie die Schuld.
Dieses Schwarze-Peter-Spiel bringt überhaupt nichts, wettert Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Wer auch immer die Verantwortung für das Verfehlen des Haushaltszieles trägt, das ändert nichts an der Tatsache. Die Politiker sollten ihre Energie aufsparen, um nach kreativen Lösungen zu suchen.
Het Belang van Limburg sieht das ähnlich. Das würdelose Theater von Dienstag zeigt im Grunde nur eins: Jeder hat Butter auf dem Kopf, alle sind Schuld. Den EU-Währungshütern ist das ohnehin egal. Sie kennen nur die Sprache der Zahlen und Statistiken. Die Botschaft an die belgischen Politiker kann also nur lauten: Hört auf, herum zu lavieren, schenkt reinen Wein ein. Wenn nämlich etwas das Misstrauen nicht nur der EU sondern auch der Bürger befeuert, dann sind es rhetorische Nebelkerzen.
Archivbild: Bruno Fahy (belga)