"Wurden die Vervierser Dschihadisten von Griechenland aus gesteuert?", fragen sich La Libre Belgique und L'Avenir auf Seite eins. "Die Vervierser Terrorzelle wurde noch nicht vollständig aufgerollt", warnt De Morgen auf Seite eins.
Viele Zeitungen beschäftigen sich zunächst mit dem Stand der Ermittlungen im Zusammenhang mit der Anti-Terror-Operation in Verviers. Bei der Suche nach den mutmaßlichen Hintermännern führt die Spur offenbar nach Griechenland. Im Fokus steht da ein 27-jähriger Mann aus Molenbeek; Abdelhamid Abaaoud soll die vereitelten Anschläge in Belgien in Auftrag gegeben haben. Er soll sich derzeit in Griechenland aufhalten. Am Samstag waren in Athen zwei Verdächtige festgenommen worden. Einer von ihnen soll Verbindungen zur Vervierser Terrorzelle gehabt haben. Es soll sich aber nicht um Abaaoud handeln. "Das Gehirn konnte fliehen", stellen Gazet Van Antwerpen und Het Belang Van Limburg fest. Nach Informationen von De Standaard kommen aber nahezu alle Verdächtigen, die in den letzten Tagen festgenommen worden sind, aus dem Umfeld des besagten Abdelhamid Abaaoud. Auch die in Verviers getöteten mutmaßlichen Terroristen stammten offenbar aus Molenbeek.
Die Terrorzelle wurde aber noch nicht vollständig unschädlich gemacht, warnt De Morgen. Demnach sind nach wie vor Verdächtige auf freiem Fuß, nicht nur in Griechenland, sondern auch in Belgien. "Die Lage ist äußerst gefährlich", zitiert De Morgen ungenannte Sicherheitsverantwortliche.
"Im Bann des Terrors"
In Belgien geht jedenfalls die Angst um. Das belegen auch neue Umfragen, die einige Zeitungen durchgeführt haben. Aus einer Erhebung von Le Soir und Het Laatste Nieuws geht etwa hervor, dass acht von zehn Belgier neue Anschläge fürchten. Das deckt sich mit den Ergebnissen einer Umfrage, die Het Nieuwsblad in Auftrag gegeben hatte: Vier von fünf Belgier sind der Ansicht, dass die Gefahr eines Attentats auf belgischem Boden "sehr groß" ist. Andere Schlussfolgerungen sind je nach Umfrage unterschiedlich. Laut Le Soir und Het Laatste Nieuws wollen nur 16 Prozent der Menschen ihr Verhalten ändern, also zum Beispiel nicht mehr Städte wie Brüssel oder Antwerpen zu besuchen.
Het Nieuwsblad kommt zu einem anderen Schluss: Demnach geben vier von zehn Befragte an, ab jetzt gewisse Orte zu meiden. Das Blatt bringt sogar auf Seite eins die Schlagzeile: "Nicht mehr nach Brüssel aus Angst vor Terrorismus". Das bezieht sich konkret auf eine Schule in Halle, die einen Ausflug nach Brüssel abgesagt hat.
Die Regierung hatte ja bereits am Freitag mit einem Aktionsplan auf terroristische Bedrohung reagiert. Sichtbarste Maßnahme: Seit dem Wochenende werden in Brüssel und Antwerpen Botschaftsgebäude und jüdische Einrichtungen von Soldaten bewacht. "Im Bann der Terrors", titelt De Standaard. Auf Seite eins sieht man Soldaten, die ein jüdisches Wohnviertel in Antwerpen bewachen. Ein ähnliches Foto auf Seite eins von Gazet van Antwerpen. Die Schlagzeile: "Die Präsenz von Paras in Antwerpen ruft gemischte Reaktionen hervor". "Militärs in den Straßen: Die Flamen sind gespalten", schreibt auch Het Nieuwsblad. Laut besagter Umfrage ist die Hälfte der Bürger der Ansicht, dass der Einsatz der Armee im Öffentlichen Raum keine gute Idee ist.
Le Soir kommt auf der Grundlage seiner Umfrage zu einem anderen Schluss: "Die Belgier sind mit den verschärften Sicherheitsmaßnahmen einverstanden", titelt das Blatt. Demnach haben sieben von zehn Belgier kein Problem damit, Soldaten in den Straßen einzusetzen.
Der Preis für die Sicherheit
Man sieht es: Die Art und Weise, mit der terroristischen Bedrohung umzugehen, kann sehr unterschiedlich sein, konstatiert De Standaard. Es gibt Politiker, die ihre Worte abwägen, die keine Panik schüren wollen. Und dann gibt es diejenigen, die die Flucht nach vorn antreten, die den Untergang des Abendlandes vorhersagen, die ihre Bürger darauf vorbereiten, dass ein Anschlag in ihrer Stadt quasi mit Sicherheit kommen wird. Dass gewisse Politiker mit Ängsten herumfuchteln, ist nicht neu. Angst kann sich auch an der Wahlurne auszahlen. Doch es gibt auch positive Nebeneffekte: Angst lässt die Bürger enger zusammenrücken. Bleibt allerdings zu hoffen, dass sich dieses neugewonnene Gefühl der Einheit nicht gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe wendet.
Angst ist inzwischen eine Realität, notiert auch Het Nieuwsblad. Einer von drei Flamen befürchtet, das Opfer eines Terroranschlags zu werden. Doch sollten wir trotz aller Ängste nicht vergessen, gewisse Entscheidungen und Maßnahmen der Regierung kritisch zu hinterfragen. Es ist paradox, aber genau in dem Moment, wo unsere Grundwerte bedroht sind und wir für eben diese Grundwerte kämpfen, genau in dem Moment besteht die Gefahr, dass sie ausgehöhlt werden. Nicht vergessen: Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.
Die Wurzeln des Terrors
Einige Leitartikler wollen denn auch ihrerseits den tieferen Ursachen des Terrorismus auf den Grund gehen. De Morgen empfiehlt, sich mit den schreienden sozialen Ungerechtigkeiten zu beschäftigen. Das sollte auch einmal Thema beim Weltwirtschaftsforum in Davos sein, das in Kürze beginnt. Dort sitzen allesamt Staatenlenker, die herzlichst wenig dafür getan haben, dass sich der Graben zwischen arm und reich verkleinert.
Andere behaupten, dass die Integration von Ausländern gescheitert ist. Ob man diese These nun für richtig oder falsch hält, wir müssen in jedem Fall darüber reden, meint Le Soir. Wenn es wirklich so ist, dass falschgelaufene soziale, politische oder wirtschaftliche Integration letztlich die Keime des Terrorismus enthält, dann müssen wir das Problem angehen.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)