"Ein zweites Paris wurde vereitelt", titeln fast gleichlautend Het Belang Van Limburg, Gazet Van Antwerpen und das GrenzEcho. "Belgien entgeht einem kurz bevorstehenden schweren Attentat", schreiben La Libre Belgique und L'Echo auf Seite eins. "Großangelegte Anti-Terror-Operation im ganzen Land", so die Schlagzeile von L'Avenir.
In mehreren Städten des Landes hat die Polizei Razzien im Islamisten-Milieu durchgeführt. Im Fokus steht natürlich vor allem die Stadt Verviers. Dort kam es zu einem spektakulären Schusswechsel zwischen der Polizei und mutmaßlichen Dschihadisten. Dabei wurden zwei Verdächtigte getötet, ein dritter wurde festgenommen. Bei den mutmaßlichen Terroristen soll es sich um Syrien-Heimkehrer handeln.
"In letzter Sekunde"
Der Zugriff erfolgte, weil sich die Hinweise verdichtet hatten, dass ein Anschlag kurz bevorsteht. "Ein Attentat war eine Frage von Stunden", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Was die Terroristen geplant hatten, das scheint auch im Wesentlichen bekannt zu sein: "Die Dschihadisten hatten die Polizei im Fadenkreuz", titelt Le Soir. "Die Polizei war das Terrorziel", weiß auch De Standaard.
Nach Informationen der Zeitung wollten die mutmaßlichen Terroristen demnach ein Polizeikommissariat stürmen und alle Anwesenden töten.
Het Laatste Nieuws ist noch ein anderer Plan zu Ohren gekommen: "Sie wollten Prominente entführen und enthaupten", so die Schlagzeile. Ein Video von der Gräueltat sollte dann später im Internet verbreitet werden.
Verviers, ein Islamistennest?
Dass die Islamisten ausgerechnet in einer Kleinstadt wie Verviers wohnten, das hat allerdings die wenigsten wirklich überrascht. "Verviers hat sich zum 'Radikalen-Nest' entwickelt", schreiben unter anderem La Libre Belgique und La Dernière Heure. De Standaard erinnert an eine Aufmachergeschichte, die die Vervierser Ausgabe der Zeitung L'Avenir noch gestern gebracht hatte. Titel der Story: Warum unsere Region zur Brutstätte des Dschihadismus geworden ist. Diese Schlagzeile sei fast schon prophetisch, bemerkt De Standaard. Die Diagnose der Zeitung: Gewisse Vervierser Viertel sind bettelarm, die dort lebenden jungen Menschen haben so gut wie keine Perspektive.
Le Soir und De Standaard bringen ein Interview mit dem Imam einer Vervierser Moschee. Der ist nach eigenen Worten "vom Stuhl gefallen" als er die Meldung von dem Anti-Terror-Einsatz hörte. Ausgerechnet gestern hatten die Vervierser Muslime den Lütticher Bischof empfangen. Beide Seiten hatten eine Lanze gebrochen für Dialog und Verständigung zwischen den Religionen.
Fazit jedenfalls: "Belgien ist im Belagerungszustand", titelt La Dernière Heure. Für Polizisten und Polizeigebäude wurde die Terrorwarnstufe von zwei auf drei angehoben. "Und das wird noch wohl noch eine Weile so bleiben", orakelt De Morgen auf Seite eins. Landesweit sind die Sicherheitsdienste in Alarmbereitschaft und auf Stand-by.
Ausgerechnet heute will die Regierung ein erstes Paket von Dringlichkeitsmaßnahmen beschließen, um den Kampf gegen den Terrorismus zu verschärfen. "Das Timing hätte besser nicht sein können", bemerkt dazu La Libre Belgique.
"Krieg"
Viele Leitartikler sind sichtlich geschockt nach den Ereignissen gestern, insbesondere in Verviers. Der Horror war uns näher, als wir gestern Morgen noch vermutet hätten, meint etwa Het Laatste Nieuws. Er ist unter uns. Sie sind unter uns. Der Krieg ist bei uns. Das ist ein Krieg gegen diejenigen, die im Koran ein wahnsinniges Alibi suchen, um unsere Gesellschaft zu erschüttern. Es sind insbesondere jene Syrien-Heimkehrer, die bei Facebook für jede Hassbotschaft tausende Likes bekommen. Hier muss hart durchgegriffen werden. Unsere Sicherheitsdienste wissen womöglich, was sich in gewissen Häusern zusammenbraut. Frage ist, ob sie auch wissen, was in den Köpfen schwelt.
Auch für La Dernière Heure sind wir im Krieg. Zum ersten Mal benutzen Terroristen Kriegswaffen gegen die Ordnungskräfte. Belgien braucht schnellstens Antworten auf diese Bedrohung: Die Armee in den Straßen, mehr Telefonüberwachung, Kontrolle der sozialen Netzwerke, harte Strafen gegen Syrien-Heimkehrer. Denn wir alle sind bedroht.
De Morgen will seinerseits das Wort "Krieg" nicht hören. Hier geht es um eine kleine Gruppe radikalisierter jungen Menschen, die unsere Gesellschaft ins Mark treffen wollen, die Angst und Misstrauen sähen wollen. Das ist natürlich durchaus ernst zu nehmen, ein Krieg ist das aber nicht.
Effiziente Polizei
Viele Zeitungen heben in diesem Zusammenhang die Effizienz von Polizei und Justiz hervor. Die gestrigen Ereignisse haben uns noch einmal vor Augen geführt, wie groß das Gefahrenpotential auch in Belgien tatsächlich ist, bemerkt L'Avenir. In einer solchen Situation bleibt nur noch die Gewalt, um die Bürger vor den Fanatikern zu schützen.
Die belgischen Sicherheitsdienste haben sich als schlagkräftig erwiesen, konstatiert auch Le Soir. Inzwischen gelten Einrichtungen wie der Antiterrorstab OCAM auch international als vorbildlich. Zumindest in einer ersten Phase können wir jetzt also erleichtert sein. Beruhigt sein können wir aber nicht: Niemand kann ausschließen, dass ein einsamer Wolf durch die Maschen schlüpft.
Je näher die Bedrohung kommt, desto größer die Gefahr, dass sich unsere Sicht verzerrt, warnt De Standaard. Man kann in der Tat das Glas halb leer oder halb voll sehen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es jedoch so: Die Polizei hat zeitig eingegriffen, ein Anschlag wurde vereitelt, so dramatisch kann der Zustand der Polizei und Geheimdienste nun auch nicht sein.
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich. Es ist durchaus möglich, positive Schlussfolgerungen aus den Ereignissen zu ziehen. Die Sicherheitsbehörden haben das getan, was sie tun müssen: Sie waren bereit.
"Chapeau an alle Beteiligten", sagt auch La Libre Belgique. Die Polizisten haben ihr Leben riskiert, um das Land vor Terroristen zu schützen. Das sollte den Politikern, die die Mittel der Ordnungskräfte kurzen wollen, eine Mahnung sein. Wir brauchen keinen Polizeistaat, wir brauchen aber eine Polizei, die über die erforderlichen Mittel verfügt. Vor allem brauchen wir aber einen kühlen Kopf.
Bild: Bruno Fahy/BELGA