"Freiheit, Solidarität und Einigkeit", titelt De Morgen auf Französisch. "3,7 Millionen Charlies", meint Het Nieuwsblad und zeigt das Menschenmeer von Paris. "Würde statt Barbarei", schreibt L'Avenir. "Charlie ist unsterblich", bemerkt La Dernière Heure auf Seite eins.
Frankreich und der Rest der Welt haben am Sonntag Geschichte geschrieben. Nur wenige Tage nach den grausamen Anschlägen von Paris sind mehrere Millionen Menschen auf die Straße gegangen - gegen Terror und für Toleranz und Meinungsfreiheit. Alleine in der französischen Hauptstadt haben schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen an dem Solidaritäts- und Trauermarsch teilgenommen. Darunter waren auch rund 50 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt. Das Ganze war noch größer und beeindruckender als erhofft, bemerkt Het Nieuwsblad. Menschen aller Religionen, Hautfarben, Nationalitäten und Altersgruppen marschierten Seite an Seite.
Auch Het Belang van Limburg meint: Es war ergreifend zu sehen, wie die Bürger für die Werte ihrer Gesellschaft einstanden. De Morgen ist ebenfalls beeindruckt und spricht angesichts ähnlicher Solidaritätsmärsche in vielen anderen europäischen Städten, darunter Brüssel, sogar vom Beginn eines "Europäischen Frühlings". Plötzlich sind viele zu der Erkenntnis gekommen, dass unsere Grundfreiheiten nicht in Frage gestellt werden dürfen - von nichts und niemandem.
"Menschen sowohl zum Schlimmsten als auch zum Besten fähig"
La Libre Belgique stellt fest: Innerhalb kürzester Zeit haben wir gesehen, dass Menschen sowohl zum Schlimmsten als auch zum Besten fähig sind. Millionen von Männern, Frauen und Kindern haben sich versammelt, um ein Ende der Gewalt, des Hasses und des Terrors zu fordern. Die Zeitung spricht von einer weltweiten Menschenkette. Le Soir beschwört das Bild eines menschlichen Schutzschildes zur Verteidigung unserer Demokratie.
"Natürlich sollten wir jetzt nicht blauäugig sein", mahnt Het Nieuwsblad: So hoffnungsvoll und beeindruckend das Signal aus Paris auch ist, wir sollten uns nicht allzu große Illusionen machen. Im IS-Kalifat, in Nigeria oder dem Jemen wird jetzt wohl kaum ein Dschihadist seine Ideologie aufgeben und Kalaschnikow und Sprengstoffgürtel niederlegen. Auch die islamistischen Fanatiker in Europa werden von ihrem Traum, als "Märtyrer" zu sterben und dabei möglichst viele "Ungläubige" zu töten, so schnell nicht abrücken. Wir können nur hoffen, dass mit den Gräueltaten von Paris eine Grenze überschritten wurde.
L'Avenir hofft ebenso, dass die Worte "Je suis Charlie" nicht nur ein einfaches Lippenbekenntnis sind. Wir müssen näher zusammenrücken und solidarischer werden, damit "Je suis Charlie" nicht nur drei weiße Wörter auf schwarzem Hintergrund bleiben. So sieht es auch De Morgen: Wir müssen jeden Tag für unsere Rechte und Freiheiten einstehen.
Ursachen bekämpfen
De Standaard ist überzeugt, dass wir das Problem des Extremismus' langfristig nur lösen können, wenn jeder einen Platz in unserer Gesellschaft bekommt. Gute Bildung, Chancengleichheit und die Aussicht auf einen Job sind die einzige Garantie für eine gut funktionierende Gesellschaft. In diesem Zusammenhang müssen auch wir uns an die eigene Nase fassen, findet Het Laatste Nieuws. Allzu oft leben wir nebeneinander statt miteinander, grenzen uns voneinander ab. Einige junge Muslime sehen hierzulande keine Perspektive und werden deshalb zur leichten Beute von Hasspredigern.
Gazet van Antwerpen meint: Natürlich müssen wir auch in Belgien die Sicherheitsvorkehrungen erhöhen und politische Maßnahmen ergreifen, wie der Entzug der Staatsbürgerschaft für Auslandskämpfer. Doch damit bekämpft man lediglich die Symptome, nicht die Ursachen.
Wie De Standaard berichtet, will das belgische Justizministerium die Radikalisierung in den Gefängnissen eindämmen. Sogenannte Islam- Berater sollen dabei helfen. Außerdem sollen Häftlinge künftig so auf die Strafanstalten verteilt werden, dass es schwieriger wird, dort Extremistenzellen zu bilden.
Belgische Geisel: "Der blanke Horror"
Het Laatste Nieuws macht mit dem Interview der belgischen Geisel aus dem jüdischen Supermarkt in Paris auf. Als der Attentäter am Freitag in den Laden stürmte und begann, um sich zu schießen, brachte ein muslimischer Angestellter die Belgierin mit ihrem Baby und andere Kunden geistesgegenwärtig in einem Kühlraum in Sicherheit. Die junge Frau erklärt: "Hätte der Terrorist uns dort gefunden, er hätte uns mit Sicherheit getötet." Fünf Stunden lang habe sie versucht, ihren elfmonatigen Sohn warm und vor allem ruhig zu halten. "Wir hatten zwar SMS-Kontakt zur Polizei, es war aber der blanke Horror, wir litten unter Todesangst."
Nach der dramatischen Stürmung durch die Polizei hat die aus Brüssel stammende 26-Jährige bewusst ihre Augen fest geschlossen gehalten: "Ich wusste, dass ich ansonsten schreckliche Dinge sehen würde".
Bild: Rodrigo Buendia (afp)