"Die Jagd", titelt La Libre Belgique. "Treibjagd mit 88.000 Beamten", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. De Standaard spricht von einer "beispiellosen Treibjagd". Die Titelseiten gleichen sich: Fotos von Sondereinsatzkommandos, vermummte Beamte mit Helmen und Schnellfeuerwaffen. Und immer derselbe Begriff: Treibjagd.
In Frankreich wird großflächig nach den mutmaßlichen Attentätern von Paris gefahndet. Die Staatsmacht hat alle Kräfte mobilisiert. "Das Netz zieht sich zusammen um die Verdächtigen", schreibt De Morgen. Und dieses Netz ist engmaschig. Der Norden Frankreichs wird buchstäblich durchkämmt, Polizisten und Soldaten gehen von Dorf zu Dorf und von Haus zu Haus.
Het Laatste Nieuws spricht von einem "Belagerungszustand". L'Avenir formuliert es drastischer: "Frankreich im Krieg", schreibt das Blatt. Le Soir glaubt eher eine Psychose zu erkennen: "Nach dem Horror: die Angst".
Vom Pizzaboten zur Mordmaschine
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute auch mit den beiden Hauptverdächtigen, den Brüdern Saïd und Chérif Kouachi. "Vom Pizzaboten zur Mordmaschine", fasst etwa Gazet van Antwerpen den Werdegang der beiden Männer zusammen. Zunächst waren die beiden nur, man könnte sagen, "gewöhnliche" Verbrecher. Bis sie sich vor einigen Jahren radikalisierten. Und einige Zeitungen glauben, ihren Mentor zu kennen: einen einschlägig bekannten salafistischen Hassprediger aus Paris.
De Morgen beschäftigt sich mit den politischen Konsequenzen nach dem Attentat gegen Charlie Hebdo. "Belgien will Schengen-Abkommen verschärfen", schreibt das Blatt auf Seite eins. Demnach will die Regierung also in gewissen Fällen wieder verstärkt Grenzkontrollen durchführen lassen. Innenminister Jan Jambon will zudem die gesetzliche Grundlage schaffen, um im Ernstfall auch Soldaten als Unterstützung für die Polizei im Öffentlichen Raum einsetzen zu können.
De Morgen hält das für keine gute Idee. Jambon sagt: Wenn unsere Soldaten den Flughafen von Kabul bewachen können, warum sollen sie das nicht auch hier machen? Der Punkt ist, geehrter Herr Jambon: Wir sind hier nicht in Kabul, erwidert De Morgen. Aber indem man den Eindruck erweckt, dass Zaventem plötzlich in Afghanistan liegt, heizt man hier nur ein allgemeines Unsicherheitsgefühl an. Man kann nur feststellen, dass es in Paris, trotz der Allgegenwart von Soldaten in Tarnkleidung, doch zu einem Anschlag gekommen ist.
Islamisten und Rassisten vereint
Viele Zeitungen warnen vor den Gefahren einer zugespitzten Polarisierung. Der Graben des Hasses zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen droht nur noch tiefer zu werden, warnt etwa Le Soir. Dieses Problem betrifft bei weitem nicht nur Frankreich, sondern ist eine Herausforderung für ganz Europa. Stellvertretend steht da zum Beispiel die Pegida-Bewegung in Deutschland, die offen rassistisch auftritt und die im Grunde alles repräsentiert, was es zu vermeiden und sogar zu bekämpfen gilt.
Rassisten sehen sich offenkundig im Augenblick im Aufwind, stellt De Standaard fest. Sie wollen den Anschlag ausschlachten. Seit Jahrzehnten versucht die fremdenfeindliche Rechte, die Ausländer loszuwerden. Erst fokussierte man sich auf die Hautfarbe, später wurde daraus die Religion. Insofern sind radikale, gewaltbereite Moslems und der gemeine Stammtisch-Xenophob faktisch Verbündete: Beide wollen die Konfrontation. Gefährlich für unsere Gesellschaft ist vor allem die Tatsache, dass die fremdenfeindlichen Parolen längst in den Mainstream Einzug gehalten haben.
Mehr denn je ist die Gesellschaft gespalten, bemerkt auch Het Nieuwsblad: Es gibt "uns" und "die anderen". Es reicht ein Blick in soziale Netzwerke und Internetforen, um festzustellen, dass die Polarisierung mit jedem Tag zunimmt. Und apropos: Es ist im Augenblick schwierig, die digitale Hassrhetorik in ihre Schranken zu weisen. Im Zusammenhang mit Charlie Hebdo wird das Recht auf freie Meinungsäußerung auf einen Sockel gestellt. Da ist es schwierig, denjenigen, die Hass schüren, die Grenzen aufzuzeigen. Wir müssen diesen Prozess stoppen. Sonst haben wir am Ende nur noch die Wahl zwischen zwei Extremen: den Radikalen "bei uns" oder "bei denen".
Prinzipien verteidigen, Dialog starten
Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg plädieren in diesem Zusammenhang für einen echten Dialog zwischen den Gemeinschaften. Man muss nicht lange suchen, um festzustellen, dass gewisse Muslime sich nicht mit Charlie Hebdo solidarisieren können. Zwar lehnen sie Gewalt ab, die absolute Pressefreiheit, die sich Charlie Hebdo herausnimmt, können und wollen sie aber ebenso wenig unterstützen. Heißt also: Wir brauchen einen wirklichen Dialog über unsere demokratischen Grundwerte, wobei klar sein muss, dass die nicht verhandelbar und nicht zu relativieren sind, glaubt Gazet van Antwerpen.
Het Belang van Limburg sieht das ähnlich: Über Prinzipien wie die Trennung von Kirche und Staat oder die freie Meinungsäußerung darf es in unserer Gesellschaft keinen Zweifel geben, was ja nicht heißt, dass man nicht auch die Überzeugungen der Moslems in Belgien respektieren kann.
Nicht die Spaltung darf das Ziel sein, sondern die Einheit, mahnt denn auch L'Echo. Wir dürfen nicht den Sirenengesängen des Extremismus verfallen, den einfachen Parolen. Hass ist keine Option, genauso wenig im Übrigen wie Blauäugigkeit und Naivität. Richtschnur dürfen allein der Rechtsstaat und aufgeklärte Toleranz sein.
Bild: Francois Nascimbeni/AFP