"Die Belgier feiern wie wild aber sind zugleich Weltmeister des Pessimismus", titelt Le Soir. "2015 wird das Jahr der Wahrheit", schreibt Het Belang Van Limburg auf Seite eins.
Hunderttausend Menschen haben an der Brüsseler Place de Brouckère das neue Jahr begrüßt. Das ist Rekord. Zugleich ist aber kaum jemand pessimistischer als die Belgier. Le Soir veröffentlicht die Ergebnisse einer Umfrage, die in 65 Ländern der Welt durchgeführt worden ist. "Die Ergebnisse sind erstaunlich", meint Le Soir. Demnach sind die Belgier diejenigen, die am meisten Angst vor der Zukunft haben. Nur vier Prozent der Belgier glauben, dass das Jahr 2015 ein gutes Jahr wird. In Deutschland ist es immerhin einer von zehn. Selbst die angeblich so deprimierten Franzosen sind zuversichtlicher als die Belgier.
Was bringt 2015?
De Morgen macht gleich wieder mit einer düsteren Schlagzeile auf: "Keine Angst, aber die Deflation ist da", schreibt das Blatt. De Morgen beruft sich auf die Aussagen des Belgiers Peter Praet, immerhin Chefökonom der Europäischen Zentralbank. Der geht davon aus, dass die Preise in den nächsten Monaten gar nicht mehr steigen, sondern sogar fallen könnten. Deflation eben. Für viele Ökonomen ist das ein Schreckgespenst. De Morgen zitiert aber auch Experten, die Deflation nicht unbedingt für eine schlechte Neuigkeit halten. Die derzeitige Entwicklung ist nämlich zum Teil durch die niedrigen Ölpreise zu erklären. Und das sei prinzipiell eine gute Sache.
Auch La Libre Belgique wagt einen Blick in die Glaskugel: "Ölpreis, Börsen, Inflation, unsere Szenarien für 2015", so die Schlagzeile. Grob zusammengefasst: Der Ölpreis könnte noch weiter fallen; die Inflation flirtet mit der Nullprozent-Marke, die Brüsseler Börse dürfte ihren Aufwärtstrend bestätigen und der Zinssatz für belgische Staatsanleihen scheint sich erstmal unter der Ein-Prozent-Marke festgesetzt zu haben. Alles in allem sind das nicht die schlechtesten Aussichten, meint das Blatt. Der Punkt ist allerdings, dass die letzten Jahre eigentlich gezeigt haben, wie schnell sich die Lage grundlegend verändern kann. Prognosen haben heutzutage viel mit Wahrsagerei zu tun, räumt La Libre Belgique ein.
Das Jahr der Börse!?
Aber apropos Börse: "Der Bel20 hat sich 2014 dreimal besser entwickelt als der Durchschnitt der europäischen Börsenindizes", titelt L'Echo. 2014 war ein gutes Jahr für den belgischen Leitindex. Der Bel20 legte um 12 Prozent zu - große Gewinner waren Belgacom, bpost, Delhaize und AB InBev.
Eine Konsequenz daraus steht auf Seite eins von De Standaard: Topmanager versilbern das gute Börsenjahr, schreibt das Blatt. Allein die Führungsspitze von AB InBev hat demnach über 50 Millionen Euro an so genannten Stock Options verdient - mit anderen Worten: Sie profitierten von den steigenden Kursen der AB InBev-Aktien.
Das vergleichsweise gute Börsenjahr 2014 sollte die Belgier doch endlich zu mehr Risikofreude bewegen, meint L'Echo in seinem Leitartikel. Der Bel20 mit seinem Plus von über 12 Prozent zeigt doch deutlich, wo man Geld machen kann. Stattdessen schlummern in diesem Land immer noch 250 Milliarden Euro auf Sparkonten, die so gut wie keine Rendite bringen. Statt immer auf Leute wie Marc Coucke einzuprügeln, die an der Börse fette Mehrwerte erzielen, sollte man sich einmal fragen, warum dieses Land nicht mehr Menschen wie Marc Coucke hervorbringt. Die Belgier sollten in diesem Jahr verstärkt ihr Geld in innovative Technologien und Projekte investieren.
Reden, schweigen, zuhören
Und doch sind die Aussichten für 2015 erstmal nicht sonderlich rosig. Der Konflikt zwischen der Regierung und den Arbeitgebern einerseits und den Gewerkschaften andererseits ist nach wie vor nicht beigelegt, warnt Le Soir in seinem Leitartikel. Eher im Gegenteil. Die derzeitige Ruhe kann man allenfalls als Festtagsfrieden bezeichnen. Die neue Regierung sollte jedenfalls mit den richtigen Vorsätzen ins Jahr 2015 gehen. Vor allem die Kommunikation der neuen Equipe ließ bislang zu wünschen übrig. In Bezug auf ihre Entscheidungen blieb sie oft zu vage. Auf der anderen Seite glänzte sie durch eine unglaubliche Kakofonie, etwa als es um eine mögliche Kapitalsteuer ging. Fazit: Um das neue Jahr unter besseren Vorzeichen zu beginnen, muss die Regierung lernen zu reden und zu schweigen.
Nach dem unruhigen Jahrgang 2014 sollte sich die Regierung besinnen, meint auch La Libre Belgique. Nicht vergessen: Für sie öffnet sich jetzt ein Fenster von vier Jahren, in denen keine Wahl das Klima vergiften wird. Die Koalition hat eine fast einmalige Chance, wirklich tiefgreifende, mutige Reformen durchzuführen, die unser aller Zukunft sichern sollen. Dazu bedarf es allerdings eines stabilen Sozialen Friedens. Um das zu erreichen, gibt es nur eins: Die Regierung muss lernen, zuzuhören. Auf die Gefahr hin, dass sie ansonsten eine historische Chance vergibt.
Und wir?
Wir sollten uns aber auch selber an die Nase fassen, mahnt De Standaard. Die letzten Jahre waren geprägt von Verlustängsten. Wir alle fürchten um die bisherigen Vorzüge, um unsere Kaufkraft, das Rentenalter, bisherige Steuervorteile oder Gewinnmargen. 2015 sollten wir uns einmal nach vorne wenden. In welcher Welt wollen wir leben? Was ist uns wichtig? Die Antwort auf diese Fragen dürfen wir nicht allein Politikern überlassen.
"Sturmlauf auf Winterschlussverkauf erwartet", schreibt Gazet van Antwerpen. Morgen startet der Winterschlussverkauf. Und der Handel hofft auf einen Ansturm. Positiv sei jedenfalls, dass der Start auf einen Samstag fällt. Jedenfalls sind die Warenlager voll; und die Kunden können eigentlich sofort mit tollen Rabatten von bis zu minus 70 Prozent rechnen.
Schnäppchenjagd
Het Laatste Nieuws gibt seinerseits Schnäppchenjägern eine Reihe von Tipps mit auf den Weg. "So lassen Sie sich nicht über den Tisch ziehen", schreibt das Blatt. Beantwortet werden Fragen wie: Darf ein Geschäft elektronische Zahlungen verweigern? Die Antwort ist übrigens ja. Oder: Hat man das Recht, ein Schnäppchen umzutauschen? Die Antwort lautet: Nicht unbedingt.
De Standaard schließlich bringt zum Winterschlussverkauf eine nachdenkliche Note. Wenn die Warenlager voll sind, dann weil das Vorweihnachtsgeschäft schlecht gelaufen ist. Der Einzelhandel, vor allem in der Textilbranche verzeichnete ein Minus von neun Prozent im Vergleich zu 2013. Experten zeichnen denn auch ein düsteres Bild: "Das klassische Modegeschäft ist dem Tode geweiht". Demnach ist die Pleite von Mexx nur der Anfang. Die Zukunft des Klamottenkaufs, die liegt im Internet.
Illustrationsbild: Jorge Dirkx (afp)