"Das V-Jahr", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. Für die Zeitung ist das V eines der Symbole des Jahres. Im Wahlkampf standen Zeige- und Mittelfinger zum V geformt für die N-VA, genauer gesagt für "Vlaanderen", für "Veränderung" aber auch für "Victory", den Sieg.
Le Soir hat seinerseits die "hundert Belgier des Jahres" gekürt. Auf Platz eins steht Premierminister Charles Michel. Trotz aller Proteste gegen seine Regierung gibt er sich auf Seite eins von Le Soir demonstrativ zuversichtlich: "Ich bin entspannt, besonnen und ziemlich optimistisch", sagt der föderale Regierungschef. Platz zwei in der Rangliste nehmen die Roten Teufel ein, dahinter folgt der Brüsseler Musiker Stromae.
Mann des Jahres
Mann des Jahres ist aber eindeutig Charles Michel, meint Le Soir in seinem Leitartikel. An ihn kommt man eigentlich nicht vorbei. Er ist der Macher, hat die MR in eine Koalition geführt, die niemand für möglich gehalten hatte. Und während alle Welt von einem CD&V-Premierminister ausging, hat sich Michel diese Mütze auch noch gesichert. Objektiv betrachtet ist er zweifelsohne eben der Mann des Jahres. Subjektiv gesehen fällt das Bild wohl nuancierter aus: Reformer oder Totengräber der Sozialsysteme? Wird die N-VA loyal sein oder ist sie der Fuchs im Hühnerstall? Ist Michel am Ruder oder De Wever am Drücker? 2015 wird jeder für sich diese Fragen beantworten.
Perspektiven
Auch De Standaard befasst sich mit dem politischen Jahr 2015. Wir haben wohl lange nicht mehr so viel über Steuern geredet: Einkommenssteuern, Mehrwertsteuer, Kapitalertragssteuer, Steuerparadiese, Tax-Shift. Bislang erinnerte das aber häufig an Silvester-Raketen, die gleich nach dem Abschießen verpuffen. Für 2015 brauchen wir aber ein wirkliches Gesamtkonzept, eine gründliche Steuerreform, die all diese Parameter einschließt. Irgendwie muss man aber den Eindruck haben, dass am Ende nur wieder klassisches belgisches Gewurstel herauskommen wird.
2014 war dominiert von der "Mutter aller Wahlen", resümiert Gazet Van Antwerpen. Danach kamen auf alle Ebenen neue Koalitionen. Flandern wurde überspült von einer "gelben Welle", die N- VA ist auf allen Ebenen. Was allerdings fehlt, ist eine positive Perspektive. Man wäre ja bereit, Anstrengungen zu unternehmen, um das Land, seine Wirtschaft, seine Sozialsysteme fit für die Zukunft zu machen. Allerdings erwarten viele zunächst die Garantie, dass danach auch tatsächlich alles besser wird. Eben positive Perspektive.
Pessimismus ist Trumpf
Stattdessen hat das Jahr 2014 wohl eher Pessimismus hervorgerufen, bemerkt Het Nieuwsblad in einem nachdenklichen Kommentar. Die Bilder des ausklingenden Jahres haben deutlich gemacht, dass die Welt immer noch ziemlich angsteinjagend sein kann. Man denke nur an die Ukraine, an den Gaza-Streifen, an Ebola oder an die Terrororganisation IS. Angst ist aber ein schlechter Berater. Sie mag angesichts der Ereignisse in der Welt gerechtfertigt und nachvollziehbar sein, Angst darf jedoch nicht unser Leben beherrschen.
Het Belang Van Limburg schlägt in dieselbe Kerbe: 2014 war ein Jahr zum Abgewöhnen, indem überall und auf allen Ebenen die Alarmglocken geschrillt haben. Im Endeffekt liegt es aber an jeden einzelnen, ob er nun das Glas als halbvoll oder halbleer betrachtet. Die düsteren Bilder von 2014 dürfen uns nicht lähmen, wir dürfen uns nicht vom Pessimismus einschnüren lassen.
Auch De Morgen versucht sich in einem positiven Appell. 2014 war geprägt von Unsicherheit, und einem flagranten Mangel an Vertrauen. Doch dürfen wir nicht vergessen: Die heutige Generation ist die reichste, die gesündeste, die langlebigste, die sicherste, die am besten ausgebildete und die produktivste, die je diesen Landstrich besiedelt hat. Das sollten wir vielleicht vor Augen haben, wenn wir uns das nächste Mal über den x-ten Skandal empören, der zwei Tage später schon keiner mehr ist.
Austerität, Pandas, Dominique Leroy
L'Avenir bringt auf seiner Titelseite die "Zwölf Wörter des Jahres". Darunter sind Begriffe wie "Austerität", "Blackout", aber auch "Papst" und "Panda".
"Alles, was sich ab dem 1. Januar ändern wird", titeln das GrenzEcho und La Libre Belgique. Und da gäbe es Einiges aufzulisten: Die Staatsreform wird definitiv in die Praxis umgesetzt, die sogenannten "Eingliederungszulagen" fallen für verschiedene Arbeitslose weg, ab dem 1. Januar werden aber auch gewisse Steuern gesenkt, zugleich werden aber einige Akzisen erhöht.
Es war auch das Jahr von Dominique Leroy. Die löste anfangs 2014 den umstrittenen Didier Bellens an der Spitze von Belgacom ab. Inzwischen heißt Belgacom Proximus. Gleich mehrere Zeitungen bringen heute ein Interview mit Dominique Leroy. "Innerhalb eines Jahres hat sich Dominique Leroy ganz klar als Chefin durchgesetzt", schreibt La Libre Belgique. De Morgen spricht von einem "Wunderjahr" für die 50-Jährige. Jedenfalls sei Proximus "auf Kurs", zitiert L'Echo die Managerin.
Die Proximus-Chefin kommentiert unter anderem auch die Politik der neuen Regierung. "Belgien hat keine Wahl, es muss Reformen geben", sagt sie in De Standaard. "Der Indexsprung ist eine gute Entscheidung", fügt sie in De Morgen hinzu.
Automatisierte Gefühle
La Libre Belgique schließlich hat in ihrem Kommentar noch einen Tipp für Neujahrswünsche parat. Seien sie kreativ, fordert das Blatt. Machen sie es jedenfalls nicht wie so viele, und lassen Facebook sich bei ihren Freunden an ihrer Stelle für das Jahr 2014 bedanken. Wenn jetzt schon Computerprogramme unsere Gefühle automatisieren, dann werden wir bald unsere ganze Persönlichkeit per Mausklick verschwinden lassen. Diese Welt braucht wirkliche Individuen, Querdenker, Nonkonformisten, die sich von der Masse abheben, und die sich vor allem für ihre Mitmenschen wirklich interessieren.
Das komplette Team des BRF Studios in Brüssel wünscht einen Guten Rutsch und ein gutes Neues Jahr 2015!
Bild: John Thys/AFP