"Reynders will einen wirklichen Tax-Shift", schreibt Le Soir auf Seite eins. Am Wochenende lancierte der liberale Vizepremierminister Didier Reynders buchstäblich auf allen Kanälen seine Ideen mit Blick auf eine Umverteilung der Steuerlast.
Reynders plädiert in diesem Zusammenhang fast schon für eine Revolution. So soll die Steuerlast auf Arbeit um insgesamt fünf Milliarden gesenkt werden. Im Gegenzug will er den Fokus legen auf Konsum, Umweltschutz und Kapital.
Konkret: Man sollte über eine Mehrwertsteuererhöhung nachdenken, aber auch über neue Abgaben auf umweltschädigende Produkte und nicht zuletzt ebenfalls über eine gleich wie geartete Steuer auf Kapital. Unter anderem stellt der Vizepremier auch die steuerliche Bevorteilung von Firmenwagen in Frage, stattdessen sollte man einfach die Netto-Gehälter anheben.
Provokation und Kakophonie
Das ist Provokation!, wettert Gazet van Antwerpen im Leitartikel. Reynders legt es offensichtlich auf eine Frontalkollision mit den Koalitionspartnern an. Er weiß nämlich, dass er mit solchen Ideen die N-VA und vor allem die OpenVLD auf die Palme bringt. Und auch Premierminister Michel gegenüber, der schließlich ein Parteifreund ist, ist dieser Vorstoß wenig loyal. Michel hatte gerade erst alle Koalitionspartner zur Zurückhaltung aufgerufen. Jetzt schießt ausgerechnet einer der eigenen Leute quer.
Es wird von Tag zu Tag schlimmer, konstatiert auch Het Laatste Nieuws. Die Regierung Michel stolpert von einem Kommunikationschaos ins nächste. Im Grunde ist das die Rückkehr der, wie man es damals nannte, "offenen Streitkultur" aus den Verhofstadt-Jahren. Allerdings mit einem Unterschied: Wenn man die Entscheidungsfindung öffentlich macht, dann muss unter den Koalitionspartnern Vertrauen herrschen. In dieser Equipe ist das aber offensichtlich nicht der Fall.
Le Soir empfiehlt den Koalitionsparteien, sich dennoch einmal mit dem Inhalt der Reynders-Vorschläge zu beschäftigen. Wenn sie nämlich einmal genauer hinschauen, dann sollten sie feststellen, dass sie in Bezug auf die Zielsetzung durchaus einer Meinung sind. Alle wollen die Steuerlast auf Arbeit verringern, und alle plädieren auch für eine Steuerreform, die wirtschaftspolitisch Sinn macht. Deswegen sollten alle Koalitionspartner einmal ihre jeweiligen Tabuthemen beiseite lassen. Nur das große Ganze zählt.
Annus horribilis für die Justiz
"Die Justiz ist pleite", titelt Le Soir. Das Blatt bringt acht Sonderseiten, auf denen der Zustand des Justizwesens beschrieben wird. Eine Feststellung: Das Jahr 2015 wird wohl ein "Annus horribilis". Das Gesamtbudget verringert sich um vier Prozent, die Funktionskosten werden sogar um ein Fünftel beschnitten. Es ist aber nicht nur eine Krise finanzieller Natur, hier stellt sich mehr und mehr auch ein moralisches Problem, schreibt die Zeitung.
Polemik um königliche Urlaubsreise
"Polemik um königliche Reise im Militärflugzeug", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins. König Philippe macht mit der ganzen Familie Urlaub in Indonesien. Dorthin gebracht wurden sie von einer Maschine der Luftstreitkräfte. Das Flugzeug muss für die Dauer des Aufenthaltes vor Ort bleiben, um das Staatsoberhaupt im Notfall schnell nach Belgien zurück bringen zu können. Die sozialistische Gewerkschaft CGSP übte scharfe Kritik. Ihre Argumentation: Die Streitkräfte müssten den Gürtel spürbar enger schnallen, aber für den König gebe es anscheinend immer noch Geld. Einige politische Parteien schlossen sich umgehend dem Protest an. "Der König muss für Privatreisen mit Armeeflugzeugen bezahlen", titelt Het Nieuwsblad. Das jedenfalls sei die Meinung der vier großen flämischen Parteien, also N-VA, CD&V, OpenVLD und SP.A.
In seinem Leitartikel ist sich Het Nieuwsblad nicht ganz schlüssig. Mal ehrlich: Die Kosten für einen Privattrip sind, gemessen am Gesamtbudget der Streitkräfte, nicht mal ein Milliliter auf dem heißen Stein. Hier geht es allenfalls ums Prinzip. Das ist aber nicht nichts. In einer Zeit, in der die ganze Bevölkerung Anstrengungen zur Haushaltssanierung unternehmen muss, steht hier der Eindruck im Raum, dass das Königshaus nach wie vor über undurchsichtige Privilegien verfügt. Eigentlich sollte der König doch mit gutem Beispiel voran gehen. Nur zugegeben: Unsere Politiker tun sich auch schwer damit, ihre Privilegien aufzugeben.
Für La Libre Belgique erleben wir hier hingegen eigentlich nur den x-ten Sturm im Wasserglas. Wenn der König eine Militärmaschine genutzt hat, dann in erster Linie, weil er gar keine andere Wahl hatte. Philippe ist ein Vollzeit-Staatsoberhaupt, das heißt er muss jederzeit schnellstmöglich auf dem Posten sein können. Hätte er vielleicht mehr Solidarität mit seinen Bürgern zeigen können? Diesen Vorwurf kann man dem Königspaar weiß Gott nicht machen. Wenn sie nicht im wohlverdienten Urlaub sind, dann sind sie an der Seite der Menschen in diesem Land.
Schönes oder langes Leben?
"Belgier bevorzugen Lebensqualität statt eines längeren Lebens", schreibt De Morgen auf Seite eins. Das Blatt beruft sich auf eine Umfrage, die bei 4.500 Belgiern durchgeführt worden ist. Demnach ist den Befragten die Lebensqualität am wichtigsten. Wichtiger jedenfalls als die Aussicht auf ein möglichst langes Leben.
Eine solche Umfrage ist mit Vorsicht zu genießen, meint De Morgen in seinem Leitartikel. Es ist wohl alles eine Frage des Blickwinkels. Man sollte zum Beispiel diese Frage mal in Altenheimen stellen, oder Menschen, die im Endstadium einer schweren Krankheit sind. Ob die im Nachhinein ihr vielleicht ungesundes Leben schönreden oder sich weigern, länger zu leben, das sei dahingestellt. Die Frage wird sich in jedem Fall in der Zukunft wahrscheinlich immer häufiger stellen. Bei einer Bevölkerung, die immer älter wird und zugleich bei Behandlungsmethoden, die immer teurer werden, wird sich in irgendeiner Form die Frage stellen, ab wann sich eine Therapie nicht mehr "lohnt". Insofern sind die Ergebnisse einer solchen Umfrage auch noch in gewisser Weise gefährlich.
Es liegt was in der Luft
"Flughafen Zaventem bricht alle Passagier-Rekorde", schreiben Gazet van Antwerpen und Het Nieuwsblad auf Seite eins. Noch nie sind so viele Reisende vom Brussels Airport aus geflogen. Heute wird die Schwelle von 21,6 Millionen Fluggästen überschritten, das war der bisherige Rekord aus dem Jahr 2000.
Seltsame Geschichte schließlich in Le Soir: Am Samstag ist das Kernkraftwerk Doel von einer Drohne überflogen worden. Vergleichbare Vorfälle gab es auch schon in Frankreich. Wer hinter der Aktion steckt, ist rätselhaft. Greenpeace jedenfalls beteuert, nichts damit zu tun zu haben. Le Soir nennt drei mögliche Hintergründe: Entweder stecken Witzbolde dahinter, Spione oder Terroristen.
Archivbild: Nicolas Maeterlinck (belga)