"LuxLeaks: 35 neue Dossiers", titelt Le Soir. Unter ihnen internationale Großkonzerne wie Walt Disney, Skype oder Bombardier, aber keine belgischen Unternehmen. Nach den ersten Enthüllungen über gewisse Steuerpraktiken des Großherzogtums Luxemburg Anfang November rollt jetzt die zweite Welle.
Die heute veröffentlichten Fälle sind denen von vor einem Monat ähnlich. Mit einem Unterschied: Nicht nur PricewaterhouseCoopers, sondern auch die anderen drei großen Wirtschaftsprüferfirmen, KPMG, Deloitte und Ernst & Young haben kräftig dabei mitgeholfen.
Politik kann Steuerflucht beenden
Dazu meint Le Soir: Alle europäischen Staaten spielen mit, wenn es darum geht, steuerlich attraktiver zu sein als der andere - auch Belgien. Angesichts bestens gerüsteter Steuerexperten in den Unternehmen, einer EU-Kommission mit nur beschränkten Befugnissen in Sachen Steuern und fehlender Einstimmigkeit scheint eine Steuerharmonisierung auf europäischer Ebene nur ein frommer Wunsch. Das ist falsch. Steuerflucht gibt es, weil die Staaten sie tolerieren und sogar fördern. Der politische Wunsch könnte sie beenden. Warum schlägt die EU-Kommission nicht vor, bei großen Unternehmen die gleichen Regeln anzuwenden wie bei den Banken? Diese müssen ihre Umsätze, ihre Gewinne, ihre gezahlten Steuern und ihre Subsidien veröffentlichen. Die Öffentlichkeit wäre informiert und könnte vergleichen. Die Kommission könnte politische Legitimität gewinnen und Jean-Claude Juncker könnte beweisen, dass er ein europäischer Staatsmann ist und nicht nur der ehemalige Premierminister von Luxemburg, so Le Soir.
Auch Gazet van Antwerpen sieht Luxemburg nicht als alleinigen Schuldigen. Auch Belgien hat solche Abkommen mit großen Unternehmen geschlossen. Stichwort "Fiktivzinsen". Die aktuellen Proteste der sozialistischen Parteien SP.A und PS findet die Zeitung scheinheilig. Sie selbst hatten einige Steuerschlupflöcher mitgeschaffen. Die Vermögenssteuer, nach der die Sozialisten so laut rufen, hätten sie selbst in der Vergangenheit umsetzen können, als sie noch in der Regierung saßen. Das haben sie aber nie getan. Sie haben gewartet, bis sie in der Opposition landeten, denn da ist es immer einfacher zu reden, als in einer Mehrheit, meint Gazet van Antwerpen.
Sparmaßnahmen treffen Kaufkraft der Mittelschicht
De Morgen befasst sich in seinem Kommentar mit einer Studie der OECD. Demnach ist die Kluft zwischen Arm und Reich so groß wie seit dreißig Jahren nicht mehr. Damit wird eine der beliebtesten Mythen über den Haufen geworfen. Wenn die Reichen reicher werden, profitieren auch die weniger Reichen und Armen davon - das war das Dogma, das stets aufs Neue von Unternehmern und Regierungen verbreitet wurde. Diesen Automatismus, so scheint es, gibt es nicht. Im Gegenteil: In den Ländern, in denen die Einkommenskluft und die Ungleichheit größer geworden sind, hat auch das Wirtschaftswachstum gelitten. Das liegt vor allem an der gesunkenen Kaufkraft der Mittelschicht. Die Politik der Regierung Michel steht genau diesen Erkenntnissen entgegen. Mehr Gewinne und weniger Anstrengungen für die Oberschicht, während alle Sparmaßnahmen die Kaufkraft der unteren Mittelschicht treffen, analysiert De Morgen.
La Libre Belgique veröffentlicht heute die Ergebnisse einer Studie der Stiftung des Versicherungsunternehmens P&V in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Brüssel, VUB. 2.000 junge Belgier zwischen 25 und 35 Jahren wurden zu ihren Zukunftserwartungen befragt. Eine der herausragendsten Erkenntnisse der Studie ist: 80 Prozent sind optimistisch, was die persönliche Zukunft angeht, aber nicht was die Gesellschaft angeht. Viele glauben nicht, dass die Politik ihre persönliche Zukunft verbessern kann. Fast alle zählen lieber auf sich selbst oder ihre Partner und Familien. Dazu meint La Libre Belgique: Die Studie offenbart die individualistische Geisteshaltung der befragten Alterskategorie. Es beunruhigt, dass ein großer Teil der Befragten die Zukunft unserer Gesellschaft pessimistisch sieht. Wo ist die Solidarität geblieben, das Gemeinschaftsgefühl, der Glaube an den sozialen Fortschritt? Die 68er werden die Resultate betrübt zur Kenntnis nehmen. Aber sind nicht sie es, die, nachdem sie die Schlüsselpositionen in Wirtschaft und Politik besetzt hatten, unsere Gesellschaft zu dem gemacht haben, was sie jetzt ist? Glanzlos, verschlossen und ohne Schwung? "Müssten sie jetzt nicht korrigierend eingreifen?", fragt La Libre Belgique.
CIA-Bericht: Lektion in Sachen Demut
De Standaard kommentiert die jetzt veröffentlichten Foltermethoden der CIA. In den hitzigen Tagen des Kriegs gegen den Terror wurden absolute Prinzipien über Bord geworfen. Für den Feind gab es keine Menschenrechte. Fortan hieß das Ganze nicht mehr Folter, sondern Selbstverteidigung. Der Bericht des amerikanischen Senats über die Foltermethoden der CIA ist eine Lektion in Sachen Demut gegenüber der Kraft des Terrors. Ein Rechtsstaat, der den Geheimdiensten die gesetzlichen Möglichkeiten gibt, Verdächtige unkontrolliert festzunehmen und zu foltern, ist nicht mehr Herr und Meister über die Terrormaschinerie, die er in Gang setzt. Wer anfängt, zu foltern, der übernimmt die barbarische Logik des Feindes, meint De Standaard.
Archivbild: Herwig Vergult (belga)