"Mobilmachung vor dem Generalstreik", titelt Le Soir. "Die Gewerkschaften mobilisiert, die Arbeitgeber irritiert", so die Schlagzeile von L'Avenir.
Die Gewerkschaften zünden die dritte Streikstufe.
Heute sind die Provinzen Flämisch und Wallonisch Brabant, sowie Brüssel an der Reihe. Die Hauptstadt soll komplett lahmgelegt werden. Die Gewerkschaften wollen nicht nur den Schienenverkehr und die öffentlichen Nahverkehrsbetriebe, sondern auch strategische Straßenkreuzungen blockieren.
Das Ganze sieht irgendwie wie die Generalprobe vor dem nationalen Streik am kommenden Montag aus, notiert Le Soir.
Streiks: nur eine "motzende Minderheit"?
Doch war eine Protestaktion noch nie so umstritten, glaubt L'Avenir. Vor allem den Arbeitgebern fehlt jegliches Verständnis für die Aktion. "Total unverantwortlich", wettert etwa der Präsident der Wallonischen Mittelstandsvereinigung UCM. Die Gewerkschaften spielen mit der Zukunft der künftigen Generationen, kritisiert auch der Geschäftsführer des Unternehmerverband FEB, Pieter Timmermanns.
Dabei lässt der Streik die meisten Menschen kalt, schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Das Blatt hat eine exklusive Umfrage durchgeführt. Demnach sind drei Viertel der Menschen an den Streiktagen ganz normal zur Arbeit gegangen. Sechs von zehn Befragten sind der Ansicht, dass die Proteste ohnehin nichts bringen werden.
In seinem Leitartikel spricht Het Laatste Nieuws denn auch von einer "motzenden Minderheit". Selbst glauben die Gewerkschaften, dass sie für die Mehrheit der Menschen sprechen. Die ist aber offensichtlich bereit, die Sparmaßnahmen zu schlucken. Die Mehrheit demonstriert nicht, sie streikt nicht, sie arbeitet.
Demgegenüber wollen es die beiden großen Gewerkschaften FGTB und CSC offensichtlich nicht dabei belassen, wie mehrere Zeitungen hervorheben. "Die Aktionen werden wohl über den 15. Dezember hinausgehen, berichtet etwa De Standaard. Demnach würden schon neue Aktionen für den Monat Januar geplant.
Zwei Jahre Schwarzbrot
Der Kontext ist leider auch ausgesprochen trostlos, bemerkt dazu De Morgen. Gerade erst hat die Nationalbank ihre neuen Wirtschaftsprognosen vorgestellt. Demnach wird der Konjunkturmotor auch im kommenden Jahr noch nicht wirklich anspringen. Resultat: Die Regierung wird weitere Sparmaßnahmen beschließen müssen.
Da ist von zusätzlichen fünf Milliarden Euro die Rede, weiß auch La Libre Belgique. Damit wissen wir jetzt schon, dass das Land in den kommenden zwei Jahren wohl weiter Schwarzbrot essen muss.
La Dernière Heure fühlt sich irgendwie an die "Grande Grève", den großen Streik von 1960-61 erinnert. Die Protestwelle begann seinerzeit um die gleiche Zeit: am 14. Dezember 1960. Damals kamen vier Menschen bei den Unruhen ums Leben. Jetzt blinken wieder einige Kontrolllampen rot. Wird sich die Geschichte auch an die Streiks von 2014 erinnern? Die nächsten Tage werden es zeigen.
"Weg mit den Scheuklappen!"
Die andauernden Streiks machen die ganze Sache aber eigentlich nur noch schlimmer, sind sich La Libre Belgique und De Morgen einig. Stillstand ist keine Option. Wer jegliches Reformprojekt prinzipiell und aus ideologischen Gründen ablehnt, der sorgt allenfalls dafür, dass die Rechnung in einigen Jahren noch gesalzener ausfällt, warnt La Libre Belgique.
Und für die Außenwirkung sind die Proteste eigentlich noch schlimmer als die 541 Tage-Krise, meint De Morgen. Zweimal hintereinander wird Brüssel mit seinen internationalen Institutionen, seinem internationalen Flughafen und seinen internationalen Betrieben lahmgelegt. Das kann sich keine Regierung erlauben. Und auch die Gewerkschaften wissen, dass sie hier mit dem Feuer spielen.
Man muss diesen Teufelskreis durchbrechen, fordert denn auch Le Soir. Beide Seiten müssen dafür ihre ideologischen Scheuklappen ablegen. Drei Feststellungen müssen doch jedem einleuchten. Erstens: Das Land muss wettbewerbsfähiger werden. Zweitens: Arbeit ist zu teuer. Und drittens: Die Anstrengungen müssen gerecht verteilt werden. Auf dieser Grundlage muss ein neuer Sozialpakt möglich sein.
In der Zwischenzeit scheinen die bewegten ersten Wochen der neuen Regierungen für die politische Klasse des Landes nicht ohne Folgen geblieben zu sein. La Libre Belgique veröffentlicht heute den dritten Teil ihres Politbarometers. In allen Landesteilen ist dabei vor allem eine Entwicklung zu beobachten: Die Popularität der Politiker nimmt ab. Kaum ein Verantwortungssträger kommt ungeschoren davon.
Dumme Steuerdeals
Die Schlagzeile von De Standaard dürfte jedenfalls nicht dazu beitragen, die Wogen zu glätten: "Belgien promotet Steuer-Deals", schreibt das Blatt auf Seite eins. Demnach bietet der Fiskus Unternehmen Formeln an, um spürbar weniger Steuern zu zahlen.
Das ist genau das, wofür Luxemburg am Pranger steht, bemerkt De Standaard in seinem Leitartikel. Es gilt also weiterhin, dass man sich um die Moral nicht kümmert. Hauptsache, eine Regelung ist legal.
Het Nieuwsblad spricht in diesem Zusammenhang von "kollektivem Wahnsinn". Die Staaten Europas versuchen offensichtlich weiter, sich gegenseitig zu überbieten, um Unternehmen anzuziehen. Es ist wie ein Schlussverkauf: Für Multinationals gelten permanent immer größere Rabatte. Hier muss die EU durchgreifen. Was nämlich gerade passiert, ist nicht nur ungerecht, sondern vor allem sehr dumm.
Tod mit Symbolcharakter?
Angesichts der Unruhe an der Sozialfront geht der Tod von Königin Fabiola fast schon unter. Allein La Libre Belgique und La Dernière Heure widmen ihre Titelseite ausschließlich der Witwe von König Baudouin. La Libre Belgique zeigt eine Flagge auf Halbmast. "Staatstrauer in Belgien", schreibt auch das Grenz-Echo.
Einige Zeitungen berichten über das Testament der verstorbenen Königin. Fabiola wollte eine fröhliche Beisetzungsfeier, weiß La Dernière Heure. Fabiola plante ihre eigene Beerdigung bis ins kleinste Detail, berichtet Het Nieuwsblad.
Fabiola wird zwischen zwei Streiks zu Grabe getragen, konstatiert L'Avenir in seinem Leitartikel. Wer will, der kann darin ein gehöriges Maß an Symbolcharakter erkennen. Selten war das Land gespaltener. Es gibt nicht nur gemeinschaftspolitische, sondern auch soziale Bruchlinien. Von Konzertierung und Konsens keine Spur.
Irgendwie bezeichnend, dass ausgerechnet jetzt die Frau eines Königs zu Grabe getragen wird, der das Symbol der Einheit war.
Bild: Dirk Waem (belga)