"Königin Fabiola 1928-2014", viele Titelseiten wirken heute irgendwie wie eine Todesanzeige. Fast alle Zeitungen widmen ihr heute zahlreiche Sonderseiten. Auf den Titelseiten: ein Foto der Witwe von König Baudouin. Meist sind es alte Bilder, aus der Zeit ihrer Hochzeit 1960. "Fabiola, Königin der Herzen", so die Schlagzeile von La Dernière Heure. "Die passionierte Königin", titelt Le Soir.
Het Belang Van Limburg und L'Avenir bringen ihrerseits eine fast schon mystische Schlagzeile: "Fabiola ist endlich wieder bei ihrem Baudouin". Davon war die strenggläubige Katholikin felsenfest überzeugt. Es heißt, sie habe sich trotz aller offensichtlichen Lebenslust auf ihren Tod gewissermaßen gefreut, eben weil sie ihren geliebten Gatten wiedersehen wollte, 21 Jahre nach seinem Tod, am 31. Juli 1993.
Sonne im grauen Belgien
Ihr Tod kam trotz ihrer seit längerer Zeit schwächelnden Gesundheit immer noch überraschend, bemerken Gazet Van Antwerpen und Het Nieuwsblad. Das letzte Mal trat sie am 31. Juli vergangenen Jahres in der Öffentlichkeit auf, bei der Gedenkfeier zum 20. Todestag von König Baudouin. Het Laatste Nieuws hat nachgerechnet: 493 Tage hatten wir sie nicht mehr gesehen.
Viele Zeitungen bringen ausgewachsene Fotostrecken, die Höhepunkte ihres bewegten Lebens. Niemand konnte ahnen, dass das dritte Kind einer spanischen Adelsfamilie einmal Königin werden würde, am wenigsten wohl sie selbst. Und Belgien machte es ihr am Anfang in gewisser Weise nicht leicht. "Es waren die schlimmsten Voraussetzungen, die man sich vorstellen kann", notiert La Dernière Heure. 1960-61: Belgien hat gerade seine Kolonien verloren, die darauffolgende Wirtschaftskrise nötigt die Regierung zu einem drastischen Sparkurs. Die Reaktion darauf ist der sogenannte "große Streik", das Land steht buchstäblich an der Schwelle zum Chaos. Außerdem hatte sich Belgien noch nicht von der Königsfrage erholt, zugleich wurden die gemeinschaftspolitischen Spannungen immer spürbarer. Und der König litt offensichtlich unter alledem, man nannte ihn "le Roi triste", den traurigen König.
Und dann kam Fabiola, bemerkt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. In Windeseile brachte sie die Sonne in dieses ach so graue Belgien. Sie brachte ihren Mann dazu, sein Amt zu lieben. In kürzester Zeit wurde Fabiola trotz ihres spanischen Blutes genauso belgisch wie die Belgier. Sie lernte Niederländisch und Deutsch, was ihr die Sympathien des ganzen Volks einbrachte, der Wallonen, der Brüsseler, der Flamen und der Deutschsprachigen. Mit ihrer Liebe und ihrer Präsenz an seiner Seite machte sie aus Baudouin den König, den das Land brauchte. Beeindruckend auch ihr weißes Kleid, das sie bei Baudouins Beerdigung trug. Belgien verliert eine große Königin, meint La Libre Belgique.
"Die Mutter der Belgier"
Auch La Dernière Heure stimmt ein Loblied auf die verstorbene Königin an. Sie interessierte sich in erster Linie für die Menschen. Sie stellte Fragen, wollte Näheres über ihren Gesprächspartner erfahren. Sie hatte immer ein offenes Ohr. Und sie vermittelte den Eindruck, dass sie all das wirklich ernst meinte. Für viele Menschen, vor allem die Schwachen, war sie zweifelsohne eine Stütze.
Auch L'Avenir hebt vor allem diesen Charakterzug hervor: Die Aufmerksamkeit und das Interesse, die sie den Menschen entgegenbrachte, zeigten sich an ihrer Körperhaltung: Ihr Kopf war immer etwas zur Seite geneigt. Das war Kommunikation ohne Worte. Die Botschaft: "Reden Sie nur, ich höre zu".
La Libre Belgique nennt sie sogar "Eine Mutter für alle Belgier". Sie, der ihr das Mutterglück verwehrt blieb, wie viele Zeitungen hervorheben. Dass sie keine Kinder bekommen konnte, habe Fabiola großen Kummer bereitet.
Ethischer Kompass und Dancing Queen
Viele Zeitungen erinnern auch noch an eine andere Charaktereigenschaft der Königin: Sie galt als ausgesprochen religiös. De Standaard nennt Fabiola den "ethischen Kompass" des Königs. Sie habe der Mission ihres Gatten religiösen Inhalt gegeben. Das ist nicht immer als Kompliment gemeint. Viele Kritiker haben ihr immer vorgeworfen, die politischen Positionen ihres Mannes beeinflusst zu haben, etwa als sich Baudouin geweigert hatte, das Gesetz zur Liberalisierung der Abtreibung gegenzuzeichnen.
"Doch wer kannte schon die echte Fabiola?", meinen viele Leitartikler. Het Belang Van Limburg erinnert an die Biographie, die anlässlich des 80. Geburtstags von Königin Fabiola erschienen war. Titel des Buches: "Ein Mädchen von 80". Plötzlich zeigte sich die menschliche Seite der Königin, ihr Humor. Mindestens einmal ließ sie auch die Öffentlichkeit daran teilhaben, nämlich 2009, als ein Geistesgestörter damit gedroht hatte, sie mit einer Armbrust zu erschießen. Dass sie sich nicht einschüchtern lassen wollte, zeigte sie dadurch, dass sie am Nationalfeiertag einen Apfel mitbrachte. Wilhelm Tell lässt grüßen.
Auch Het Laatste Nieuws hebt diese andere Seite der Königin hervor. Sie war "fromm aber feurig", fasst das Blatt auf Seite eins zusammen. In der Tat war Fabiola, eine durchaus komplexe Persönlichkeit. Auf der einen Seite religiös und konservativ, auf der anderen Seite einfach und humorvoll. Als Schirmherrin des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs liebte sie die Klassik, galt zugleich aber als Fan der schwedischen Pop-Gruppe ABBA. Hinter der vermeintlich schwermütigen Mystikerin verbarg sich also gewissermaßen eine Dancing Queen.
"Mit Fabiola kam der Bruch"
Doch all diese Eigenschaften verhinderten nicht, dass sie wegen ihrer Stiftungen einen Sturm der Entrüstung auslöste. Der Verdacht stand im Raum, dass Fabiola die Erbschaftssteuer umgehen wollte. Damit hat Fabiola selbst dazu beigetragen, dass sich eine Seite umblätterte, glaubt De Standaard. Plötzlich schien der öffentlichen Meinung bewusst zu werden, wie fürstlich das Königshaus entlohnt wurde. Und wie seltsam doch eine Institution ist, in der die Kinder den Thron erben ungeachtet ihrer Fähigkeiten. Die Folge war jedenfalls, dass das System der staatlichen Dotationen angepasst wurde. Für Fabiola muss es im Übrigen ein Schock gewesen sein, als sich die öffentliche Meinung so vehement gegen sie wandte. Mit ihrem Tod ist jetzt die Monarchie des 20. Jahrhunderts definitiv Geschichte.
Auch Le Soir hebt dieses Paradox im Leben der Königin hervor. Direkt nach ihrer Hochzeit hat sie dem Land und vor allem auch der Monarchie eine neue Perspektive gegeben. Am Ende ihres Lebens provoziert sie einen sichtbaren Bruch zwischen der Gesellschaft und dem Königshaus. Und die Ironie wird sich bei ihrer Beerdigung fortsetzen: Wenn die Ikone der Belgitude zu Grabe getragen wird, führen republikanische und separatistische Minister Regie.
Ja, mit Königin Fabiola ist ein Stück Geschichte gestorben, meint auch Het Nieuwsblad. Sie war noch die Frau andere Seite des Königs, spielte die klassische Rolle der Königin. Heute ist die Monarchie vor allem Marketing, spätestens der Rummel um ihre Stiftungen hat ihr vor Augen geführt, wie sehr sich die Zeiten verändert haben. Das alles darf aber nicht den Respekt schmälern, Respekt einer Frau gegenüber, die vor 55 Jahren nach Belgien kam, um einem einsamen König eine Königin zu geben.
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