"Nur die OpenVLD ist gegen eine Reichensteuer", titelt Het Nieuwsblad. Sowohl die frankophonen Liberalen der MR als auch die N-VA sind bereit für den Tax-Shift, das heißt weniger Steuer auf Arbeit und eine höhere Belastung von Konsum, Umweltverschmutzung oder Vermögen. Die Zeitung glaubt zu wissen, warum der größte Widerstand von der OpenVLD kommt. Die Partei befürchtet, dass eine solche Reichensteuer die falschen Vermögen treffen könnte. Die Zeitung findet diese Argumentation widersprüchlich. Die linearen Sparmaßnahmen werden auch den einen oder anderen Falschen treffen. Warum sollte man mit großem Vermögen schonender umgehen? Und wie deckt sich das mit dem Mantra, das jeder seinen Teil beitragen muss? Den Befürwortern einer solchen Reichensteuer hält die Zeitung entgegen: Wer träumt, dass mit der Reichensteuer einige unappetitliche Sparmaßnahmen aus dem Regierungsabkommen verschwinden werden, macht sich Illusionen. Die Gewerkschaften sollten ihren Mitgliedern sagen, dass die Pension mit 67 Jahren und der Indexsprung kommen werden, rät Het Nieuwsblad.
Tax-Shift: Anzeichen von Versöhnung
Zum selben Thema sieht Gazet Van Antwerpen leise Anzeichen einer Versöhnung. Die flämische Gewerkschaft ACV ist bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukommen, wenn die Regierung für einen Tax-Shift bereit ist. Daraus könnte man ableiten, dass die Gewerkschaft über Arbeitszeitverlängerung und Indexsprung reden will. Auch der CD&V-Vorsitzende Wouter Beke nahm Druck aus dem Kessel. Er machte deutlich, dass die Regierung Zeit habe, um den Tax-Shift zu verwirklichen. Die N- VA mit Finanzminister Van Overtveldt zeigt Gesprächsbereitschaft, solange diese Gespräche innerhalb der Regierung stattfinden. Und schließlich raten OECD und EU-Kommission Belgien ausdrücklich dazu. Wenn man dies alles zusammenlegt, so Gazet Van Antwerpen, dann müsste ein Kompromiss innerhalb der Schwedischen Koalition und bei den Sozialpartnern möglich sein.
Het Belang Van Limburg ist die Diskussionen über den Tax-Shift leid. Jeder mit gesundem Menschenverstand begreift, dass alle ihren Beitrag leisten müssen. Jetzt geht es darum, wie eine solche Besteuerung auf Vermögenseinkünfte konkret aussehen soll, was man besteuert und wie man es tut. Vorschläge, die weder das bisschen Ersparte des guten Familienvaters treffen, noch zu Kapitalflucht führen. Denn dann fehlt das nötige Geld um in unsere Unternehmen zu investieren, meint Het Belang Van Limburg.
De Croo will Gehaltsobergrenze beerdigen
Die Wirtschaftszeitung L'Echo kommentiert die neuesten Pläne von OpenVLD-Minister Alexander De Croo. Er will die Gehaltsobergrenze für die Spitzenmanager der staatlichen und halbstaatlichen Unternehmen lockern. Sein sozialistischer Vorgänger Jean-Pascal Labille hatte diese auf 290.000 Euro pro Jahr begrenzt. Die Maßnahme war aber bislang nicht gesetzlich verankert worden. De Croo will die Entscheidung über die Höhe den Verwaltungsräten der Unternehmen überlassen. Dazu meint die Zeitung: Man kann die flämischen Liberalen verstehen. Sie waren damals dagegen, weil sie diese Maßnahme für rein ideologisch begründet hielten. Jetzt will De Croo das Projekt beerdigen. Aber auf der einen Seite muss man realistisch sein. Börsennotierte Unternehmen stehen in starker Konkurrenz. Auf der anderen Seite darf man die Kontrolle über die Gehaltsentwicklung aber nicht aus der Hand geben. Alexander De Croo scheint seine Wahl getroffen zu haben. Und das geht nicht in die richtige Richtung, findet L'Echo.
Härteres Durchgreifen bei Pharmaindustrie
De Standaard beschäftigt sich mit der Pharmaindustrie. Augenpatienten dürfen nicht mit dem Mittel Avastin behandelt werden. Das Mittel kostet 40 Euro und ist genauso wirksam wie das viel teurere Lucentis, das 800 Euro kostet. Das Günstigere wird von Roche hergestellt, das Teurere von Novartis. Nach Informationen der Zeitung haben beide, auch finanziell miteinander verbandelte Unternehmen, einen Deal ausgehandelt: Nur das teurere Lucentis wird vermarktet. Ein Antrag auf Zulassung von Avastin soll gar nicht erst gestellt werden. Test-Achats hat zusammen mit anderen europäischen Verbraucherorganisationen bereits Klage gegen die Produzenten eingereicht. Die Zeitung meint: Das Regierungsabkommen sieht verschiedene Maßnahmen vor, um den hohen Medikamentenverbrauch der Belgier zu senken und die Preisgestaltung transparenter zu machen. Die Praktiken von Roche und Novartis fordern jedoch härteres Durchgreifen. Die Pharmaindustrie muss verstehen, dass sie damit auch sich selbst schadet. Die Gesundheitsbudgets werden in Krisenzeiten nicht steigen. Wenn die Regierungen in Zukunft noch Geld für Innovationen locker machen sollen, dann sollten sie jetzt besser nicht auf so feige Art und Weise gerupft werden.
Solidarität, Toleranz, Respekt
La Libre Belgique kommt auf den Besuch von Papst Franziskus im Europaparlament zurück. Franziskus hat nicht an Kritik an Europa gespart: zu müde, gealtert, zu bürokratisch. Ein Europa, das die Menschenwürde wirtschaftlichen Interessen opfert. Nichts davon ist neu, meint die Zeitung. Franziskus gibt nur denen eine Stimme, die nach mehr Solidarität rufen und ein kritisches Nachdenken über unser Gesellschaftsmodell fordern. Es bleibt zu hoffen, dass Europas Politiker die richtigen Schlüsse daraus ziehen.
Auch Le Soir findet: Der Chef des Vatikans hat recht. Wenn Europa seinen Marktanteil in der Welt zurückerobern will, dann reicht es nicht nur, ein Binnenmarkt zu sein. Solidarität, Toleranz, Gleichheit und Respekt müssen wieder Europas Markenzeichen sein.
Archivbild: Virginie Lefour (belga)