Viele Blätter beschäftigen sich heute auch mit den jüngsten Arbeitslosenzahlen. In Flandern hat schließlich die Diskussion um ein Kopftuchverbot an Schulen durch eine neue Entscheidung des Staatsrates wieder Auftrieb bekommen.
Verrückt nach Europa
Auf den Titelseiten vieler Tageszeitungen gehen heute Freud und Leid Hand in Hand. Zum einen würdigen fast alle Blätter den gestrigen Erfolg von Standard Lüttich in der Europa-League.
„Standard Lüttich ist verrückt nach Europa“, titelt etwa La Derniere Heure. Vers l'Avenir hebt hervor: Standard Lüttich besiegt Athen zum zweiten Mal und ist damit der einzige belgische Club im Viertelfinale eines europäischen Wettbewerbs.
Tragödie in Bocholt
Zum anderen prägt aber auch das gestrige Verkehrsdrama von Bocholt die Titelseiten vieler Zeitungen. „Vier Fahrradfahrer von Traktor überrollt“ titeln heute fast geleichlautend Het Belang van Limburg und Gazet Van Antwerpen. „Radtour endet in Drama“, notiert Het Nieuwsblad auf seiner Titelseite. Het Laatste Nieuws zitiert auf Seite 1 in Blockbuchstaben den 61-jährigen Fahrer des Unglückstraktors: „Ich habe sie nicht gesehen“.
Gestern Nachmittag hat ein Traktor eine Gruppe von Radfahrern buchstäblich überrollt. Der Fahrer gab an, von der tiefstehenden Sonne geblendet worden zu sein. Die Opferbilanz ist dramatisch. Vier Menschen überlebten das Unglück nicht. Drei weiter wurden verletzt. Bei den Opfern handelt es sich allesamt um Rentner. Augenzeugen und Helfer zeichnen von der Unglücksstelle ein Bild des Grauens.
Dazu notiert Het Nieuwsblad: Sobald sich die Sonne nach einem kalten Winter wieder zeigt, nimmt die Betriebsamkeit auf den Straßen gleich exponential wieder zu. Fahrradclubs, Wandervereine und Motorräder bevölkern gleich bei den ersten Sonnenstrahlen wieder die Straße. Und leider dauert es nie lange, bis uns ein Unfall wieder daran erinnert, wie verletzlich die sogenannten schwachen Verkehrsteilnehmer sind. Jedes Jahr wiederholen sich Dramen wie das von Bocholt tausendfach. Hier zeigt sich einmal mehr: Es dürfen keine Mittel und Wege gescheut werden, um unsere Straßen sicherer zu machen.
Dramatische Arbeitsmarktzahlen
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute mit den neuesten Arbeitslosenzahlen. Und diese Statistik fällt für 2009 dramatisch aus. „Ein Viertel aller Menschen im berufsfähigen Alter kommt in den Genuss von Sozialleistungen“, hebt De Morgen auf seiner Titelseite hervor. Konkret geht es hier um über 1,3 Millionen Belgier. Das ist ein historischer Rekord. Gemeint sind hier nicht nur Arbeitslose, sondern auch z.B. Menschen, die eine Laufbahnunterbrechung genommen haben. Entsprechend ist das Budget des nationalen Beschäftigungsamtes ONEM geradezu explodiert. 2009 belief sich das Gesamtvolumen der ausgezahlten Sozialleistungen auf 11 Milliarden Euro. Das ist fast doppelt so viel wie vor zehn Jahren.
Soziale Sicherheit - Quo vadis?
Kommentierend meint dazu L'Echo: All diese Ausgaben sind natürlich nötig. Arbeitslosenunterstützung etwa ist ein Bollwerk gegen Armut. Kurzarbeit ermöglicht es Betrieben und Mitarbeitern, schwierige Zeiten zu überbrücken. Es geht also nicht darum, diese Leistungen grundsätzlich in Frage zu stellen. Bleibt dennoch eine Frage: Wer soll das auf Dauer bezahlen? Bislang blieb jedoch die Politik eine Antwort schuldig. Die Botschaft an unsere Verantwortlichen kann denn auch nur lauten: „Bewegt euch“.
Auch De Morgen stellt einmal mehr die bange Frage nach der Zukunft der sozialen Sicherheit, insbesondere der Pensionen. Der Belgier träumt immer noch davon, sich noch ein paar schöne Jahre gönnen zu können, in der Blüte seiner Jahre dem Arbeitsleben Lebewohl zu sagen um fortan unbekümmert reisen zu können.
Eine Generation hat dieses Privileg tatsächlich gehabt. Von diesem Traum können sich die anderen aber getrost verabschieden. Wir müssen der Realität ins Auge blicken: Dieses System ist absolut nicht zu finanzieren. Und es wird höchste Zeit, dass sich die Politik ernsthaft und resolut diesem Problem stellt.
Monarchie der Magistrate
In Flandern droht derweil eine Neuauflage des Kopftuchstreits. Der Staatsrat hat gestern eine Regelung vorläufig auf Eis gelegt, wonach Schülern und Lehrern im Gemeinschaftsunterrichtswesen das Tragen von sichtbaren religiösen oder philosophischen Symbolen untersagt wird. Diese Entscheidung wurde vom Schulträger gefällt. Der Staatsrat stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob es hier nicht eines Dekrets des flämischen Parlaments bedürfte.
Das flämische Massenblatt Het Laatste Nieuws widmet dem Thema einen fast schon verbitterten Kommentar. Wir leben inzwischen in einer Gesellschaft von Magistraten. Unsere parlamentarische Demokratie hat sich zu einer juristischen entwickelt. Immer häufiger übernehmen de facto Richter die Aufgabe von Politikern. Ob nun in Sachen Kopftuchverbot oder in anderen gesellschaftspolitischen Fragen: Immer wieder werden politische Entscheidungen durch die Justiz auf Eis gelegt oder gekippt.
Damit werden aber häufig mehr Probleme geschaffen als gelöst. Eine Demokratie macht sich eben oft auch selbst das Leben schwer, meint De Standaard. Der Beschluss des Staatsrates, das Verbot von religiösen Symbolen in Schulen bis auf weiteres auszusetzen, dürfte sich jedenfalls zunächst als kontraproduktiv erweisen. Jetzt wird die Diskussion wieder neu angeheizt, jetzt sind wieder Aktionen von Befürwortern und Gegnern der Maßnahme zu erwarten, jetzt wird wieder neue Spannung aufgebaut.
Vom Sprechen und Schießen
Das Grenz-Echo schließlich widmet der Polemik um die Schaffung eines Asylbewerberheims in Eupen heute seinen Leitartikel. Das Blatt plädiert in diesem Zusammenhang für eine möglichst offene Diskussion, wo alle Seiten zu Wort kommen sollten, wo die Meinungen aber auch kritisch hinterfragt werden müssen. In jedem Fall darf das aber nicht in eine Hetzkampagne ausarten. Das Grenz-Echo zitiert den ehemaligen deutschen Außenminister Genscher mit den Worten: „Solange gesprochen wird, wird nicht geschossen“.