"Ceci n’est pas une invitation"
Vor allem flämische Zeitungen nehmen heute den CD&V Verteidigungsminister Pieter De Crem mächtig unter Beschuss. De Crem hatte unlängst im Rahmen eines Besuchs in der demokratischen Republik Kongo eine Einladung an die Adresse der kongolesischen Streitkräfte gerichtet. Die sollten demnach eine Abordnung nach Brüssel entsenden, die dann am 21.Juli an der Truppenparade zum Nationalfeiertag teilnehmen sollte. Vor allem die Opposition übte daraufhin harsche Kritik am Verteidigungsminister: eine Armee, die erwiesenermaßen Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung vor allem im Osten Kongos verübt hat, könne unmöglich in Brüssel mit marschieren. Im zuständigen Parlamentsausschuss sprach De Crem nun von einem Missverständnis: er habe keine offizielle Einladung formuliert, hier habe es sich nur um eine Höflichkeitsfloskel gehandelt.
De Standaard nennt das Ganze surrealistisch. „Ceci n‘est pas une invitation », meint das Blatt spöttisch in einer Anspielung auf das berühmte Bild des Brüsseler Surrealisten René Magritte. Tatsächlich fragt sich insbesondere die Opposition, was denn passieren würde, wenn die Kongolesen am Ende die Einladung annähmen. Ein Verteidigungsminister kann doch nicht allen Ernstes hingehen und so tun, als sei eine Einladung aus seinem Mund nicht offizieller Natur.
Ein "Problem De Crem"?
Het Laatste Nieuws bescheinigt dem Minister gar einen Anflug von Halluzinationen. Möglicherweise ist De Crem im Kongo zu lange in der Sonne geblieben. Vielleicht ist ihm auch das einheimische Essen nicht bekommen. Die kongolesische Armee zum 21.Juli nach Brüssel einzuladen, das ist, als würde man dem kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila eine Ehrendoktorwürde antragen, mit anderen Worten, Zitat, total bekloppt. Langsam aber sicher haben wir genug von den Ausrutschern von Herr De Crem.
Für Gazet Van Antwerpen entwickelt sich De Crem zu einem veritablen Problem für die Regierung und auch für seine Partei, die CD&V. De Crem hat das geschafft, was die Opposition nicht fertig bekommen hat: er hat die Mehrheit auseinanderdividiert. Während die Flamen von einer möglichen kongolesischen Beteiligung am Defilé vom 21.Juli nichts wissen wollen, sieht man das auf frankophoner Seite nicht ganz so eng. Und es ist ja nicht das erste Mal, dass De Crem Peinlichkeiten produziert. Vor allem seine ungehemmte Reiselust sorgt immer wieder für Polemik. Etwa die Trips nach Brasilien, Argentinien oder auf die Seychellen, Reisen deren Nutzen offensichtlich nur De Crem sieht.
Freispruch trotz Kindstötung
Viele Zeitungen beleuchten heute auch ein bemerkenswertes Urteil des Schwurgerichts von Mons. Eine Frau, die die Tötung ihres Kindes zugegeben hatte, wurde dennoch freigesprochen. Psychologischen Gutachten zufolge leidet die Frau an einer psychologischen Störung, die als das Phänomen der „Verdrängten Schwangerschaft“ bekannt ist. Die Tötung des Kindes erfolgte demnach infolge einer Zwangsneurose.
Schockierend oder wegweisend?
La Derniere Heure spricht auf seiner Titelseite von einem „Schockierenden Freispruch“. Kommentierend meint das Blatt: Es ist schon befremdlich, dass das Gericht der Frau nicht wenigstens eine Therapie auferlegt hat. Hinzu kommt, dass der vorsitzende Richter sich auch noch bei der Freigesprochenen entschuldigt hat. Man kann aber nicht der Gesellschaft vorwerfen, dass gegen eine Frau ermittelt wurde, die ihr Kind umgebracht hat. Hier wird ein denkbar schlechtes Zeichen gesetzt.
Die Brüsseler Tageszeitung Le Soir sieht das ganz anders. Das Urteil von Mons mag großherzig erscheinen, ungerecht ist es dafür nicht. Vor zehn Jahren noch wäre die Frau wahrscheinlich streng bestraft worden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse haben das Gericht dann aber eines Besseren belehrt. Dies ist ein Zeichen dafür, dass sich mit der Gesellschaft auch die Rechtsprechung weiterentwickelt. Eine Justiz, die der Sklave eines rigiden Strafenkatalogs wäre, würde die Gesellschaft, die sich ja ständig weiterentwickelt, nur vergiften.
Politik und Legitimität
De Morgen bringt heute auf Seite 1 eine beunruhigende Zahl. Demnach haben mehr als acht von zehn Belgiern kein Vertrauen mehr in die Politik. Kommentierend meint das Blatt: für die Mehrheit der Gewählten in diesem Land ist dieses vernichtende Urteil ungerechtfertigt. Nichtdestotrotz ist diese Zahl eine ernsthafte Warnung, besagt sie doch, dass die Politik Gefahr läuft, ihre Legitimität abgesprochen zu bekommen. Und die Ursache liegt auf der Hand: vor allem die Krise nach der Wahl 2007 hat den Eindruck vermitteln, dass die Politik eher eigene Interessen vor Augen hat als die gesellschaftlichen Probleme in Angriff zu nehmen.
Arme Wallonen
L'Echo schließlich kann auch mit einer bemerkenswerten Zahl aufwarten. Nach einer neuen Erhebung lebt knapp einer von fünf Wallonen unter der Armutsgrenze, 18,8% um genau zu sein. Das bedeutet, dass diese Menschen mit weniger als 878 Euro im Monat auskommen müssen. Die Wallonie reiht sich damit europaweit in die Regionen ein, denen es am schlechtesten geht.