Dazu meint De Morgen: Es gab eine Zeit, da wurden die Verfechter einer Steuer auf Vermögensgewinne als weltfremde utopische Träumer betrachtet. Heute zweifelt niemand mehr daran, dass wir früher oder später dahin kommen. Menschen, die von ihrem oft niedrigen Lohn die Hälfte an Steuern und Sozialbeiträgen zahlen müssen, bekommen höhere Rechnungen und Indexsprünge um die Ohren gehauen. Menschen, die Milliarden besitzen oder verdienen, bezahlen darauf weniger Steuern als ihre Putzfrau. Das hat nichts mit Neid auf die Reichen zu tun. Dass diese aber auf ihre Einkommen mehr oder weniger dasselbe zahlen sollen wie alle anderen, ist rein ethisch begründet. Wer aber ausschließlich die Arbeitnehmer belastet und riesige Vermögen freistellt, der sorgt zu Recht für Empörung. Nicht nur bei den Gewerkschaften und Linken, sondern auch bei jedem, der sich morgens in den Stau stellt, um seinen Beitrag zur Wirtschaft zu leisten, so De Morgen.
Finanzsteuer: Ein klares Signal ist nötig
Die Wirtschaftszeitung L'Echo meint: Man kann es drehen und wenden wie man will, die Besteuerung von Finanzspekulationen ist nur ein Nebenziel im Regierungsabkommen Michel I. Vor allem die kurzfristigen Börsenspekulationen sind für die Wirtschaft eines Landes völlig unproduktiv. Ein klares Signal in diese Richtung wäre alles, aber nicht unanständig. Die Regierung muss sich bewusst werden, dass eine große Mehrheit der Mittelschicht will, dass die quasi unantastbare Steuerbefreiung auf Spekulationen beendet wird. Es bleibt dabei: Belgien ist immer noch ein Paradies für die Finanzströme und eine Hölle für alle, die arbeiten.
Steuerharmonisierung: Der Ball liegt bei den Mitgliedsländern
Andere Zeitungen kommentieren den gestrigen Auftritt von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Dazu meint Le Soir: Juncker hat die richtigen Schlüsse aus seinen Kommunikationsfehlern gelernt und hat das getan, was man von ihm erwartet. Er ist aktiv geworden. Seine Vergangenheit als Premierminister von Luxemburg, der die anderen europäischen Staaten absaugt und dessen Euro-Gruppe Griechenland zu Sparmaßnahmen zwang, bleibt.
Am Mittwoch hat Juncker das Fundament für seine Zukunft gelegt. Der Ball ist jetzt im Lager der Mitgliedsländer. Werden sie für die Steuerharmonisierung stimmen, die sie seit einer Woche lauthals fordern und die ihnen Juncker jetzt auf den Tisch gelegt hat?, fragt Le Soir. Die Steuerpraktiken Luxemburgs, so La Libre Belgique, sind laut Juncker das Resultat einer fehlenden Steuerharmonisierung in Europa. An der Spitze einer Institution mit alleinigem Initiativrecht bei der Gesetzgebung muss er die Gelegenheit nutzen, einen Plan gegen Steuerflucht vorzulegen.
Falls die Mitgliedsstaaten sich da nicht reinreden lassen wollen, muss die Kommission sie auf diese Widersprüche aufmerksam machen. Die europäischen Bürger tragen die Last der Haushaltsanstrengungen. Man kann nur schwer verstehen, wieso die EU diese Ungerechtigkeit nicht behebt. Juncker sagt immer wieder, es sei die Kommission der letzten Chance. Es wäre undenkbar diese Gelegenheit jetzt zu verpassen.
Tariferhöhung bei De Lijn: SP.A-Kritik ideologisch
Die meisten flämischen Tageszeitungen kommentieren die Preiserhöhung beim öffentlichen Nahverkehrunternehmen De Lijn. Die SP.A-Opposition im flämischen Parlament kritisierte die Tariferhöhung als unsozial. Vor allem der Wegfall der gratis Beförderung für Senioren ärgerte die SP.A. Dazu meint Het Belang Van Limburg: Zwei Dinge drängen sich auf. In Krisenzeiten muss jeder sein Scherflein dazu beitragen, um Flandern wieder eine Zukunftsperspektive zu geben. Aber auch hier keine Regel ohne Ausnahme. Für viele Pensionierte sind die 50 Euro eine Menge Geld. Es kann nicht sein, dass diese für die notwendigen Sparmaßnahmen bei De Lijn aufkommen müssen. Andererseits ist es auch nicht tragbar, dass viele flämische Senioren mit einer hohen Pension gratis mit dem Bus fahren, meint Het Belang Van Limburg.
Ähnlich sieht es auch Het Nieuwsblad. Die Kritik der SP.A ist ideologisch. Viele Senioren sind bereit zu bezahlen. Das grundlegende Problem ist ein anderes. Bus und Tram spielen bei der Lösung des Mobilitätsproblems keine Rolle. Die Preise bei Kindern und Jugendlichen sind noch stärker gestiegen. Wer einmal ein Tagesticket mit Kindern genommen hat, der weiß, dass Autofahren billiger kommt. Het Laatste Nieuws meint zum selben Thema: Die Gratistickets für Senioren sind eine sympathische Idee von vor zehn oder 15 Jahren - eine Zeit in der das Zusammenleben angenehmer war. Man dachte, es sei Geld da, um ältere und weniger mobile Menschen kostenlos zu befördern. Doch damals war damals, und heute ist heute. Keinen Tag zu früh schafft die neue flämische Regierung Ordnung im Ticketchaos. Die Abonnements waren günstig, haben es aber nie geschafft die Menschen vom Auto wegzulocken, so Het Laatste Nieuws.
Leben wir in Absurdistan?
De Standaard wundert sich: Bei der Debatte im Parlament ging es fast nur um Tarife und Preise. Hört man den Menschen jedoch zu, geht es gar nicht darum. Unpünktlichkeit, die Tatsache, trotz Bus und Tram im Stau zu stehen, der Mangel an Komfort und Sauberkeit, das Unsicherheitsgefühl und schlechte Zugänglichkeit für Personen mit einer Behinderung wiegt viel schwerer.
Gazet Van Antwerpen greift die gestrige Debatte in der Kammerkommission Landesverteidigung auf. Die N- VA will, dass diese umbenannt wird in Kommission Verteidigung. Die frankophonen Parteien wollen das Nationale im Titel behalten. Das Ganze ist lächerlich, so Gazet Van Antwerpen. Und genau so surreal wie die Diskussion 2009 über die Farbe der Autokennzeichen. Was müssen wir auf eine Insel der Glückseligen leben, wenn die höchsten Autoritäten unseres Landes die Zeit haben, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, fragt die Zeitung und zitiert Mark Eyskens: Leben wir in Absurdistan?
Bild: Frederick Florin (afp)