Le Soir kommentiert den Vorwurf der Polizeigewerkschaft, Brüssels Bürgermeister, Yvan Mayeur, habe die Beamten im Stich gelassen, als sie mit Pflastersteinen und Molotowcocktails beworfen wurden. Einen Befehl, nicht zu helfen, hat es nicht gegeben, so Le Soir. Es sind aber wahrscheinlich strategische Fehler begangen worden. Der Vorwurf der Gewerkschaften an den Politiker zeigt das tiefe Unbehagen innerhalb der Polizei. Seit Jahren beklagen die Gewerkschaften die Auswirkungen der Polizeireform. Die Änderung der Pensionsregelung, die dazu führt, dass viele Beamte bis zu acht Jahre länger arbeiten müssen, hat das Ganze noch verstärkt. Die Polizisten fühlen sich als Opfer. Die öffentliche Meinung ist eine Katastrophe. "Wie soll diese Polizei die Sicherheit gewährleisten, wenn sie sich nicht selbst verteidigen kann?"
Het Laatste Nieuws erinnert an die sozialen Unruhen der 1960er Jahre. In den Limburger und Lütticher Kohlerevieren hatte es bei Demonstrationen Tote gegeben. Die Krawalle in Brüssel ließen daran denken. In Lüttich und Genk gab es immer mal wieder Verletzte bei den Polizisten, aber niemals so viele wie die mehr als hundert am vergangenen Donnerstag in Brüssel. Der Platz des Bürgermeisters ist in solchen Fällen im Hauptquartier der Polizei, nicht in der Menschenmenge. Tut er das, dann macht er seine Arbeit nicht. Das grenzt an Unterlassung und der Innenminister sollte nicht zögern, hier Sanktionen anzuordnen, sollte die Untersuchung ergeben, dass das nötig ist.
Debatte über Vermögenssteuer ist wichtig
De Morgen kommentiert die LuxLeaks-Affäre und die Debatte um die Besteuerung von Vermögensgewinnen. Die CD&V will, dass eine solche Steuer wieder auf den Verhandlungstisch kommt. Die Reue der CD&V kommt einen Monat zu spät, so De Morgen. Im Regierungsabkommen wurden die großen Vermögen geschont. Das war keine Vergesslichkeit, sondern eine bewusste Wahl. Dafür müssen alle Koalitionsparteien die Verantwortung tragen. Trotzdem ist die Debatte wichtig. Andere Umstände erfordern andere Herangehensweisen. Früher oder später wird es unvermeidbar sein, dass die Vermögenden zur Gesundung der Staatsfinanzen und zum Überleben des Sozialstaats beitragen. Das hat die LuxLeaks-Affäre deutlich gemacht.
Auch La Libre Belgique rekapituliert die Ereignisse. In Brüssel demonstrieren 120.000 Menschen gegen ein Regierungsprogramm, das nach ihrer Ansicht zu gnädig mit den Anlegern und zu hart mit Arbeitern und Leistungsempfängern umgeht. Am gleichen Tag enthüllen Journalisten, wie großen Konzernen ermöglicht wird, sehr wenig Steuern zu zahlen. Auch Donnerstag verkaufen die Eigentümer vom Omega Pharma ihre Anteile und zahlen auf den Erlös von knapp 1,5 Milliarden Euro keine Steuern. Zwei Tage später erfährt man, dass die Regierung bei alleinlebenden Arbeitslosen die Gas-, Strom- und Wasserzähler kontrollieren will, um herauszufinden, ob sie nicht doch noch mit jemand anderem zusammenleben. Beim Sozialbetrug wird der Bürger bis ins Schlafzimmer verfolgt. "Sicherlich gehe es darum, ein Gesetz zu respektieren. Aber wie respektabel ist dieses Gesetz überhaupt noch?", fragt La Libre Belgique. Kann diese Regierung nicht endlich erkennen, dass soziale Rechte unabhängig von der Wahl der Lebensform sind?
Alleinstehende Mütter von Armut besonders betroffen
Anlässlich des Weltfrauentags (11. November) analysiert Het Nieuwsblad die Auswirkungen der Sparmaßnahmen auf die Frauen. Laut Berechnungen der flämischen Grünen und des Frauenrats sind vor allem alleinstehende Frauen von den strengeren Regeln bei den Renten und dem Arbeitslosengeld betroffen. Wer bei Teilzeitarbeitnehmern und Arbeitszeitkrediten spart, der kann nicht sehr überrascht sein, wenn damit vor allen Dingen Frauen Opfer werden, so die Zeitung. Es ist kein Geheimnis, dass es vor allem sie sind, die auf solche Systeme zurückgreifen, um Arbeit und Familie zu vereinbaren. Wenn darüber hinaus die flämische Regierung Kinderbetreuung und Unterricht teurer macht, dann kann es für eine ganze Menge Frauen finanziell ziemlich eng aussehen.
Seit Jahren sind es vor allem alleinstehende Mütter, die Gefahr laufen, in Armut zu geraten. Und das ist nicht nur eine Hypothek für ihre eigene Zukunft, sondern auch für ihre Kinder.
Wunden der europäischen Teilung geheilt?
Het Belang van Limburg blickt auf den Fall der Berliner Mauer vor 25 Jahren zurück. Der Eiserne Vorhang lief durch ganz Europa, aber nirgendwo sah er so absurd und grimmig aus wie in Berlin. 1989 war ein Jahr der politischen Umwälzungen. Überall in Mittel- und Osteuropa entledigten sich mutige Bürger des kommunistischen Jochs. Aber nirgendwo war die Freude so sichtbar wie in den Stunden, nachdem der erste Grenzübergang an der Bornholmer Straße geöffnet wurde. Die Tränen der Ostberliner rührten die ganze Welt. "Ist diese Hoffnung Wirklichkeit geworden?", fragt die Zeitung. "Sind die Wunden der europäischen Teilung geheilt?"
Michail Gorbatschow, der damals klugerweise nicht militärisch eingegriffen hatte, sieht die Gefahr eines neuen Kalten Kriegs. Die Gefechte der letzten Tage in der Ostukraine scheinen ihm Recht zu geben. Vom Optimismus von 1989 ist in der Ukrainekrise nicht mehr viel übrig geblieben. Europa schaut argwöhnisch nach Russland. Es sei schade, dass Gorbatschow in seiner Bilanz Putins autoritären Nationalismus außer Acht ließ.
Archivbild: Laurie Dieffembacq (belga)