"Das Kräftemessen beginnt", titelt La Libre Belgique. "100.000 zur Demo in Brüssel erwartet", schreibt das Grenz-Echo. Bei De Standaard heißt es: "Gewerkschaften entscheiden erste Runde für sich".
Zehntausende Menschen wollen heute durch die Straßen Brüssels ziehen und gegen die Sparpläne der Regierung protestieren. Vor allem der Indexsprung und die Erhöhung des Rentenalters werden heftig kritisiert. Wie Het Nieuwsblad berichtet, hat die Bahn mehr als 60.000 Sonderfahrkarten für die Großdemonstration der Gewerkschaften verkauft.
Um von einem Erfolg sprechen zu können, muss es mindestens 80.000 Teilnehmer geben, so ein Experte. Die ersten Punkte gehen jedenfalls an die Gewerkschaften, ist De Standaard überzeugt. Sie haben es geschafft, tausende Menschen gegen die Regierung Michel zu mobilisieren.
Die heutige Großdemo soll der Startschuss zum bereits viel zitierten "heißen Herbst" sein. Ende November sollen Streiktage in den verschiedenen Provinzen des Landes folgen, am 15. Dezember dann ein Generalstreik.
"Von aufrichtigen und weniger aufrichtigen Protestlern"
Heute dürfen die Gewerkschaftsanhänger ihrem Protest Luft machen, ihre Zähne zeigen, wie De Morgen bemerkt. Bereits morgen wird es aber darum gehen müssen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
So sieht es auch La Libre Belgique. Viele Menschen werden heute auf die Straße gehen, weil sie berechtigte Sorgen um ihr Einkommen und ihre Rente haben. Die Zeitung wirft einigen Gewerkschaftsbossen und der PS aber Unaufrichtigkeit vor. Sie machen den Menschen mit Schauergeschichten Angst, verschweigen aber gleichzeitig die Notwendigkeit von Reformen.
Weitermachen wie bisher und Schulden auf Kosten der künftigen Generationen zu machen, wäre jedenfalls unverantwortlich, meint das Blatt.
L'Avenir hält fest: Eine solche Kundgebung wie heute ist immer nur eine Machtdemonstration, bringt aber keine Lösungen. Beide Seiten werden aufeinander zugehen müssen. Nicht nur die Regierung, auch die Arbeitnehmervertretungen werden Wasser in ihren Wein schütten müssen. Schließlich wurde die gewerkschaftliche Demo- und Streikagenda festgelegt, noch bevor der Koalitionsvertrag unter Dach und Fach war.
Gazet van Antwerpen findet: Es ist natürlich das gute Recht der Gewerkschaften, gegen die Sparpläne der verschiedenen Regierungen im Land zu protestieren. Wo bleiben aber bitteschön die konstruktiven Gegenvorschläge, um die Zukunft der Sozialsysteme zu sichern? De Standaard fügt hinzu: Wer immer Nein sagt und alles ablehnt, der wird am Ende mit leeren Händen da stehen.
"Finanzminister gießt Öl ins Feuer"
De Morgen ärgert sich dagegen über die Aussagen von Finanzminister Johan Van Overtveldt (N-VA). Der hatte die von der Regierung beschlossenen Reformen am Mittwoch als alternativlos bezeichnet. Der Indexsprung würde zur Schaffung von 80.000 neuen Arbeitsplätzen beitragen, so Van Overtveldt.
Diese Zahl hält die Zeitung für illusorisch. Neue Jobs werden in Zeiten von wirtschaftlichem Aufschwung geschaffen. Der Indexsprung ist hingegen keine Garantie für neue Stellen. Möglicherweise werden dadurch nur die Profite der Unternehmen steigen.
Die geplanten Reformen sind alles andere als alternativlos, findet das Blatt. Statt die Arbeitnehmer einseitig zu belasten, hätte die Regierung auch eine sozial gerechte Steuerverschiebung vornehmen können: Arbeit hätte weniger besteuert werden können, Vermögenserträge dafür mehr.
Die Föderalregierung hat nicht vor, dem Druck der Straße nachzugeben - jedenfalls noch nicht, berichtet L'Echo. Die Koalition aus N-VA, CD&V OpenVLD und MR sollte bei ihren Plänen bleiben, meint die Zeitung. Allerdings sollten Premierminister Charles Michel und sein Kabinett zum Feuerlöscher greifen und den Brand löschen, bevor er allzu großen Schaden anrichtet.
Heißt konkret: Die Regierung sollte sich die Sorgen der Bürger anhören und ihnen die Hand reichen. Die Gewerkschaften ihrerseits sollten die ausgestreckte Hand dann aber auch ergreifen, wenn sie nicht ihre Glaubwürdigkeit vollständig einbüßen wollen.
Luxemburg Leaks: Milliardenausfälle für belgischen Staat
De Tijd und Le Soir machen mit einem neuen Finanzskandal auf: Nach den "Offshore Leaks"-Enthüllungen deckt das internationale Journalistenkonsortium, zu dem auch Redakteure der beiden belgischen Zeitungen gehören, das sogenannte "Luxemburg Leak" auf.
Dabei handelt es sich um geheime Steuerdeals, die große Unternehmen und reiche Privatpersonen mit dem Großherzogtum Luxemburg geschlossen haben. Über komplexe Finanzkonstrukte zahlen die Beteiligten, darunter 26 aus Belgien, teilweise nur zwei Prozent Steuern. Allein dem belgischen Fiskus sollen so Steuereinnahmen in Milliardenhöhe entgangen sein.
Zu den belgischen Kunden dieser Steuermodelle gehören unter anderem die Familie de Spoelberch vom Braugiganten ABInbev, die BBL von Albert Frère und Belgacom. Aber auch internationale Konzerne wie Amazon, Ikea, FedEx und Pepsi sind mit von der Partie.
Die Zeitungen kritisieren auch die Rolle des ehemaligen luxemburgischen Premiers und Finanzministers Jean-Claude Juncker. Der neue EU-Kommissionspräsident ist für die Steuermodelle in seinem Land mitverantwortlich.
akn - Bild: BRF