"16 Verletzte wegen Laubs auf den Schienen", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad und Het Belang van Limburg auf Seite eins. Mit dem Schrecken davongekommen sind die Insassen eines Personenzugs, der gestern unweit von Linkebeek in einen Unfall verwickelt war. "Plötzlich gab es einen großen Knall und alle lagen auf dem Boden", sagt ein Zeuge in Het Laatste Nieuws. Eine Lokomotive war auf den Personenzug aufgefahren.
Wahrscheinliche Ursache: Aufgrund von Laub auf den Schienen war die Maschine nicht rechtzeitig zum Stehen gekommen. Das Unglück verlief glimpflich: 16 Menschen wurden leicht verletzt. Nichtsdestotrotz bringt Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite eine anklagende Schlagzeile: "Alle Züge sind mit einem Notbremssystem ausgestattet - und doch gibt es eine Kollision".
Schwarzer Donnerstag
"Schwarzer Donnerstag in der Hauptstadt", titelt derweil La Dernière Heure. Die Zeitung blickt auf die für Donnerstag angekündigte Protestkundgebung in Brüssel und befürchtet das nackte Chaos. "50.000 Demonstranten, kein Öffentlicher Nahverkehr; die Öffentlichen Dienste gestört", schreibt das Blatt.
Die Regierung versucht derweil anscheinend, die Wogen zu glätten. "Geheimverhandlungen zwischen dem Premier und den Gewerkschaften", titelt De Morgen. Und nach Informationen der Zeitung ist Premierminister Michel bereit, den Gewerkschaften gegenüber Zugeständnisse zu machen. Die liberale Gewerkschaft CGSLB soll sogar schon darüber nachdenken, die nächsten Protestaktionen abzublasen.
Einige Blätter gehen der Frage nach, warum es wohl vor allem frankophone Gewerkschafter sein werden, die am Donnerstag in Brüssel gegen die Politik der Regierung protestieren werden. "Warum das 'Non' viel lauter ertönen wird als das 'Neen'", analysiert etwa De Standaard. Nach Ansicht der Zeitung hat das vor allem damit zu tun, dass auf frankophoner Seite die Opposition im Parlament viel größer ist und es zudem mit der N- VA einen gemeinsamen Lieblingsfeind gibt.
Streikwütige Wallonen Vs. brave Flamen
Der neue MR-Chef Olivier Chastel befürchtet derweil einen neuen Imageverlust für die Wallonie. Weil insbesondere von den frankophonen Gewerkschaften mitunter harte Proteste zu erwarten sind, würden einmal mehr potentielle Investoren abgeschreckt, sagt Chastel in einem Interview mit der Zeitung L'Echo. In diesem Zusammenhang verweist er noch einmal auf die, wie er sagt, "Plünderung" des MR-Hauptsitzes in Brüssel. Mitglieder der FGTB Namur hatten vor Kurzem die Zentrale der frankophonen Liberalen mit Farbkugeln und Steinen bombardiert.
La Dernière Heure zieht in ihrem Kommentar ein unbequemes Fazit: Belgien ist offensichtlich schon im Zeitalter des Konföderalismus angekommen. Spätestens bei der Demo am Donnerstag wird der Graben zwischen Flamen und Frankophonen noch einmal offensichtlich: In Flandern wird man den Streik kaum bemerken, in der Wallonie wird nichts mehr gehen.
Permanenter Skandal
"Die Kassen der Justiz sind leer", schreiben Le Soir und De Standaard. Die Lage ist offenbar regelrecht dramatisch; anscheinend reicht das Geld nicht einmal mehr, um die Gebäude zu sichern, hebt De Standaard hervor. Rechnungen mit einem Gesamtvolumen von 27 Millionen Euro mussten bereits auf das kommende Jahr übertragen werden. Das ist mehr als die Hälfte des Gesamtbudgets für das Jahr 2015, notiert Le Soir.
Der Umgang mit der Justiz in diesem Land ist ein permanenter Skandal, tobt De Standaard in seinem Leitartikel. Hierzulande hat sich offensichtlich die Norm verschoben. Was überall in der Welt eine Schande ist, wird in Belgien als unvermeidbar betrachtet.
Haushaltsspielräume gibt es aber offensichtlich nicht. "Belgien ist wieder in der budgetären Gefahrenzone", schreibt L'Echo auf Seite eins. Anscheinend ist der laufende Haushalt im Begriff, zu entgleisen. Das Defizit steuert nach Berechnungen der EU inzwischen wieder die 3- Prozent-Marke an; Belgien sollte eigentlich 2,9 Prozent erreichen.
"Könige der Einpfannengerichte"
"Blackout - rettende Reflexe", so die Aufmachergeschichte von L'Avenir. Gemeint ist die "Off-On-Kampagne" der vier Energieminister des Landes. Quintessenz: Um zu verhindern, dass das Licht ausgeht, sollten wir alle Strom sparen.
Einige Zeitungen üben beißende Kritik an dieser Maßnahme.
Die Regierung denkt offenbar an unser aller Selbstbild, frotzelt Het Laatste Nieuws. Bald können wir alle stolz sein, dass wir uns konsequent kalt gewaschen haben, dass wir den Joghurt draußen gekühlt haben, um den Frigo nicht aufmachen zu müssen. Und dass wir inzwischen zu Königen der Einpfannengerichte geworden sind, Rezepte wie Risotto oder Paella aus dem Effeff beherrschen. Solidarisch sollen wir alle sein. Im Endeffekt sollen wir es aber einfach nur normal finden, dass die Politik in diesem Land auf der ganzen Linie versagt hat.
Het Nieuwsblad schlägt in dieselbe Kerbe: Das Ganze wird langsam grotesk. Jetzt fehlen nur noch TV-Tipps von Ministern, nach dem Motto: Wok-Rezepte mit Annemie Turtelboom oder "Wie verhandelt man bei Kerzenschein?" mit Geert Bourgeois. Mal ernsthaft: Hier handelt es sich eben nicht um eine Sensibilisierungskampagne, das Ganze ist viel mehr die Folge der desaströsen Energiepolitik der vergangenen Jahre. Verantwortlich dafür ist die Politik in ihrer Gesamtheit. Und daran ändern auch Pfadfindertipps nichts.
Vielleicht gibt es doch eine positive Nebenwirkung, meint L'Avenir. Möglicherweise wird uns jetzt endlich mal bewusst, wie sorglos wir bislang mit unseren Ressourcen umgegangen sind. Jetzt müssen wir uns definitiv die Frage stellen, wo unsere wahren Bedürfnisse liegen. Und welche die Folgen unseres zügellosen Konsums auf die Umwelt sind.
"Danke, Angela!"
De Morgen kommentiert die Information, wonach die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel angeordnet hat, die Kosten eines möglichen Ausstiegs Großbritanniens aus der EU einmal durchzurechnen. Mag sein, dass sie blufft, meint die Zeitung. In jedem Fall ist das aber schon mal ein deutliches Signal an die anderen EU-Kollegen, nicht all zu sehr in Europaskepsis zu verfallen. Die EU wird leider viel zu häufig zum Sündenbock gestempelt, um unpopuläre nationale Maßnahmen zu rechtfertigen. Anti-Europa-Rhetorik gehört inzwischen sogar zum guten Ton und lässt uns die Erfolge der Europäischen Integration vergessen. Und deswegen ist es begrüßenswert, wenn große Länder wie Deutschland mal eben den anderen klarmachen, dass Europa nicht gleich welchen Preis bezahlen wird, um sie dazu zu überreden, an Bord zu bleiben.
Foto: Eric Lalmand (belga)