"Google will Doktor spielen", titelt Le Soir. Der IT-Riese hat angekündigt, künftig verstärkt in die Entwicklung von Diagnosetechnik investieren zu wollen. Konkret will man sogenannte Nanopartikel entwerfen, die im Körper nach Hinweisen fahnden sollen, die auf eine Krebserkrankung oder einen drohenden Herzinfarkt deuten.
Ist das die Welt, in der wir leben wollen?, fragt sich Le Soir in seinem Leitartikel. Man darf doch davon ausgehen, dass Google nicht allein aus Nächstenliebe handelt. Wenn ein Unternehmen enorme Summen in die Entwicklung neuer Technologien investiert, dann erhofft es sich wohl im Gegenzug lukrative Renditen. Hier stellt sich jedenfalls eine grundsätzliche Frage: Kann man Grundlagenforschung allein Privatunternehmen überlassen, die noch dazu so mächtig sind wie Google? Oder wollen wir unsere Gesundheit und unsere Lebenserwartung allein von Googles Segen abhängig machen?
Belgier kennen Belgien nicht
Viele flämische Zeitungen beschäftigen sich am Donnerstag mit einer bemerkenswerten Studie, die den Blick der Belgier auf gesellschaftspolitische Themen hinterfragt. "Wir kennen unser Land längst nicht so gut, wie wir denken", so das Fazit von Het Nieuwsblad und auch von De Morgen. Beispiel: Der Belgier glaubt, dass knapp ein Drittel der Bevölkerung muslimischen Glaubens ist. In Wahrheit sind es sechs Prozent. Anderes Beispiel: Der Belgier geht davon aus, dass 30 Prozent der Menschen im arbeitsfähigen Alter ohne Job sind, tatsächlich sind es acht Prozent.
Diese Studie spricht Bände, meint De Morgen in seinem Leitartikel. Offensichtlich leiden wir kollektiv unter einer verzerrten Wahrnehmung. Für uns ist die Dimension von Themen wie Einwanderung, Islam oder Arbeitslosigkeit manchmal um bis zu fünf Mal größer als in der Realität. Das ist der Beweis dafür, dass die Hetze von Parteien wie dem Vlaams Belang inzwischen Wirkung zeigt. Wir überbewerten die Tragweite von Problemen. Und das macht es Populisten leicht, noch weiter in diese Kerbe zu schlagen. Am Ende steht eine Gesellschaft, die etwa beim Thema Einwanderung tatsächlich mehr Probleme als Chancen sieht.
Lieber Tiere als Migranten?
Dazu passt im Übrigen eine Schlagzeile auf Seite eins von Het Nieuwsblad: "Die Flamen haben mehr Sympathien für Tiere als für Migranten". Das ist ein Zitat von Wouter Van Bellingen, dem Direktor des flämischen Minderheitenforums. Van Bellingen will mit dieser bewusst provokativen Aussage nach eigenen Worten im Grunde nur noch einmal darauf hinweisen, dass Rassismus in unserer Gesellschaft eine Tatsache ist.
Van Bellingen liegt da zu 100 Prozent richtig, glaubt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Es wird Zeit, dass wir uns mal gehörig hinterfragen. Inzwischen gehört es ja zum guten Ton, zu behaupten, dass die Einwanderungs- und Integrationspolitik gescheitert ist. Wer davon ausgeht, der kommt schnell zu einem Fehlschluss, nach dem Motto: Wenn es ja ohnehin gescheitert ist, warum sollte man denn noch Energie in die Integration von ausländischstämmigen Mitbürgern investieren? Wir müssen das Lagerdenken überwinden: Es gibt nicht "uns" und "die anderen", es gibt nur eine vielfältige Gesellschaft.
Falscher Gast am falschen Ort?
Ebenfalls in diesem Zusammenhang sorgt die Gästeliste des Anfang November stattfindenden "Moslem-Forums" für Diskussionsstoff. Die Liga der Belgischen Muslime hat einen Prediger aus Kuwait eingeladen, der als notorischer Antisemit bekannt ist. Die Belgische Liga gegen Antisemitismus fordert, dass dem Imam die Einreise verweigert wird.
La Libre Belgique kann diesen Appell nur unterstützen. Belgien hat schon jetzt genug Probleme mit den Syrienkämpfern und dem wachsenden Zulauf für Salafisten. Da brauchen wir nicht auch noch einen professionellen Hassprediger vom Persischen Golf. Die Liga der Belgischen Muslime sollte von sich aus den Mann ausladen, damit würde man wohl allen Muslimen in Belgien einen Dienst erweisen.
Wer hat in Belgien das Sagen?
Unterdessen brodelt es weiter an der Sozialfront. Am Mittwoch meldeten die Zeitungen De Tijd und L'Echo, dass die Gewerkschaften nicht mit Vertretern der N-VA oder OpenVLD am Verhandlungstisch sitzen wollen. De Standaard spricht denn auch von einem "tiefen Graben zwischen den Gewerkschaften und der Regierung". Die CSC und auch die CGSLB haben die Information inzwischen dementiert, die FGTB wollte sich nicht äußern.
Es gibt wohl keinen Rauch ohne Feuer, bemerkt Gazet van Antwerpen. In jedem Fall sollten die Gewerkschaften gut nachdenken, bevor sie solche Vetos in den Raum stellen. Ob man nun will oder nicht: Die N- VA ist nun mal die größte Partei des Landes. Und damit gehört sie eben an den Verhandlungstisch, ebenso wie im Übrigen die OpenVLD.
Het Belang van Limburg ist noch schärfer: Die Regierung Michel ist demokratisch legitimiert. Und ein für alle Mal: Es sind nicht die Gewerkschaften, die in diesem Land das Sagen haben, es sind nicht die Gewerkschaften, die entscheiden, wer für die Regierung am Verhandlungstisch sitzt. Wenn Premier Michel der Forderung nachgibt und Vizepremiers wie Jan Jambon oder Alexander De Croo ausschließt, dann macht er sich zum Spielball der Gewerkschaften.
Clown-Hysterie
"Die Psychose der bösen Clowns erfasst die ganze Wallonie", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins. "Auch Belgien im Bann der Clown-Hysterie", bemerkt ebenfalls Het Laatste Nieuws. Was nach einem Halloween-Scherz klingt, bereitet den Justizbehörden zunehmend Sorgen. Das Phänomen sorgt derzeit vor allem in Frankreich für Schlagzeilen: Menschen, die als böse Clowns verkleidet sind, attackieren unschuldige Passanten, die dabei mitunter krankenhausreif geschlagen werden.
Inzwischen gibt es auch erste Fälle in Belgien, vor allem in der Wallonie. Am Dienstag etwa wurde ein junger Mann in Nivelles von zwei Clowns brutal zusammengeschlagen. La Dernière Heure geht jedenfalls davon aus, dass sich solche Vorfälle jetzt im Vorfeld von Halloween noch häufen könnten. Auch die Justiz mahnt zur Vorsicht.
Bild: How Hwee Young (afp)