"Das Chaos bleibt bestehen", titelt De Morgen. "Hände weg von den Lehrern", so die Schlagzeile von Le Soir. "Bummelstreik am Brüssels Airport", schreibt sinngemäß Het Laatste Nieuws auf Seite eins.
Alle drei Schlagzeilen nehmen Bezug auf die Rentenpläne der Regierung. Für Arbeiter im Bausektor will die Regierung eine Reform der Frühpensionsregelung. Bislang gilt, dass Arbeiter "medizinische Gründe" geltend machen können, um mit 56 Jahren in den Vorruhestand zu treten. Die Regierung will das Einstiegsalter auf 58 anheben, wie De Morgen auf Seite eins berichtet. Zwar hat der CD&V Vize-Premier Kris Peeters Gesprächsbereitschaft signalisiert. Die Gewerkschaften bleiben aber sehr besorgt.
Rentenpläne weiter im Kreuzfeuer
Gleiches gilt für die Lehrer. Wie Le Soir auf seiner Titelseite berichtet, will Joëlle Milquet, die Unterrichtsministerin der Französischen Gemeinschaft, den föderalen Pensionsminister Daniel Bacquelaine schriftlich dazu auffordern, von einer Reform der Pensionsregelung für Lehrer abzusehen. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge müsste das Unterrichtspersonal bis zu sieben Jahre länger arbeiten.
Und auch die Polizeibeamten sind wütend. Einige von ihnen müssen befürchten, bis zu acht Jahre länger arbeiten zu müssen. Die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws wirkt zunächst noch unverdächtig: "Massive Kontrollen gegen mutmaßliche Schulschwänzer", schreibt das Blatt. Dahinter verbirgt sich aber in der Praxis ein drohender Bummelstreik am Brussels Airport. Heute beginnt ja die Reisewelle mit Blick auf die Allerheiligen-Ferien. Am Brussels Airport wollen die Polizisten die Passagiere doppelt so lang kontrollieren wie üblich, eben um vorgeblich nach potentiellen Schulschwänzern Ausschau zu halten. Het Laatste Nieuws rechnet unterm Strich mit einem enormen Chaos.
Kulturelles Blackout
Die Pläne der neuen Regierung sorgen aber auch noch in anderen Bereichen für lautstarke Kritik. "Die belgische und Brüsseler Kultur liegt im Sterben", schreibt Le Soir auf Seite eins. Hintergrund sind die drastischen Sparmaßnahmen, die die Regierung Michel den föderalen kulturellen und wissenschaftlichen Einrichtungen auferlegen will. Betroffen sind unter anderem die Brüsseler Monnaie-Oper, aber auch viele Brüsseler Museen und das Königliche Meteorologische Institut. Sie alle müssen Budget-Kürzungen zwischen 15 und 30 Prozent hinnehmen. Der Direktor der Monnaie, Peter de Caluwe, spricht in einer freien Tribüne in Le Soir von einem "kulturellen Blackout".
Diese Maßnahme ist an Brutalität kaum zu überbieten, wettert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Viele dieser Einrichtungen werden damit faktisch zum Tode verurteilt. Dabei vergisst man, dass gerade die Monnaie, der Bozar oder das Magritte-Museum die internationale Strahlkraft Brüssels und sogar von ganz Belgien ausmachen. Es war ein schwerer Fehler, dass die MR den belgischen Familienschmuck der N- VA überlassen hat. Na gut, meint La Libre Belgique: "Wenn Sie Kunst nicht mögen, versuchen Sie es doch mal mit Barbarei."
De Standaard vermutet hinter dieser Maßnahme eine politische Abrechnung. Wer die Budgets der föderalen wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen um bis zu 30 Prozent kürzt, der kann das nicht mehr als Sparmaßnahme verkaufen. Hier sind offensichtlich Rachegelüste im Spiel. Natürlich müssen auch Museen in Krisenzeiten sparen. Natürlich kann man eine Grundsatzdebatte über die föderalen Einrichtungen führen. Vorher muss man aber diese drakonischen Einschnitte rückgängig machen.
Abschied von Opa Herman
Ein Foto prangt heute auf vielen Titelseiten: Es ist das sogenannte Familienfoto des EU-Gipfels, auf dem ja alle Hauptakteure zu sehen sind. Im Mittelpunkt stand diesmal aber vor allem ein Mann: Es ist der letzte EU-Gipfel des belgischen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy. Van Rompuy hatte bei der Gelegenheit sogar seine sechs Enkelkinder mitgebracht. "Opa Hermans letzter Gipfel", schreiben denn auch De Standaard, Het Laatste Nieuws und Het Belang Van Limburg.
Le Soir stimmt zum Abschied ein Loblied auf den scheidenden Ratspräsidenten an. Eigentlich hatte er ja keinen leichten Start; ein europhober britischer Abgeordneter hatte Van Rompuy gar als "nassen Aufnehmer", beschimpft. Die vermeintliche graue Maus hat sich aber längst profilieren können. Europa hat längst die Qualitäten und Fähigkeiten des Mannes erkannt, der zweifelsohne erheblichen Anteil an der Rettung des Euro hatte. Vielleicht hätte Van Rompuy sich besser in Szene setzen können. Er bleibt aber auch so in Erinnerung als großer Belgier und großer Europäer.
Von Etats, Empfehlungen und Eseln
Der letzte EU-Gipfel des Herman Van Rompuy ist zugleich der erste für den neuen Premierminister Charles Michel. Und auf den wartet sofort seine erste Prüfung. Belgien hat nämlich mit etwas Verspätung jetzt seinen Haushaltsplan 2015 an die EU übermittelt. Die gerade neu eingesetzte EU-Kommission wird das Budget abklopfen.
Da werden die Belgier wohl nicht ohne Beanstandungen davonkommen, orakelt Gazet Van Antwerpen. Schließlich ist es so, dass Belgien vom ursprünglich vereinbarten Kurs abweicht. Statt 2016 wird das Land erst 2018 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das dürfte die Kommission aber akzeptieren. Immerhin setzt die Regierung Michel gleich eine ganze Reihe von europäischen Empfehlungen jetzt mit einem Mal um. Der Schuldenabbau muss aber prioritär bleiben. Nicht nur, weil die EU das so fordert, sondern weil es im Sinne der künftigen Generationen ist.
Genau das scheint man in Frankreich nicht verstanden zu haben, ärgert sich Het Laatste Nieuws. Paris hat fast schon provokativ einen Haushaltsplan präsentiert, der gegen alle Vorgaben verstößt. Für 2015 etwa wird ein Haushaltsdefizit von 4,3 Prozent angepeilt. Da kann man nur hoffen, dass die EU aus den Krisen der Vergangenheit gelernt hat. Wenn ein großes Land wie Frankreich gegen die Haushaltsregeln verstoßen darf, dann kann man das anderen schwerlich verbieten. Welche Folgen das haben kann, das haben wir in Spanien, Griechenland und Portugal gesehen. Es sollte also klar sein: Nicht einmal Esel stoßen sich zweimal am selben Stein.
Bild: Eric Herchaft (belga)