"Michel erwartet ein tadelloses Verhalten von jedem Minister", titelt Het Laatste Nieuws. "Druck auf Theo Francken lässt nicht nach", schreibt auch das GrenzEcho auf Seite eins.
Die Diskussion um die Aussagen beziehungsweise das Verhalten der zwei N- VA-Regierungsmitglieder Jambon und Franken reißt nicht ab. Am Wochenende bezog erstmals N- VA-Chef Bart De Wever Stellung zu der Affäre. Und De Wever nahm insbesondere Theo Franken in Schutz.
Die Beschuldigungen gegen seine Minister seien "Unsinn", purer Quatsch", "Humbug", zitieren viele Blätter den N- VA-Chef. "Alles nur Hysterie und Gekreische von Onkelinx", fasst Gazet Van Antwerpen die Aussagen De Wevers zusammen. "Der Schiedsrichter De Wever hat kein Foul gesehen", so das Fazit von Le Soir.
De Wevers Marionetten
Was wäre wohl gewesen, wenn De Wever nicht auf Handelsmission in China gewesen wäre?, fragt sich Gazet Van Antwerpen in ihrem Leitartikel. De Wever kann ja offensichtlich die Kritik insbesondere an Theo Franken wegen dessen rassistischen und homophoben Aussagen nicht nachvollziehen. Hätte sich Francken auch entschuldigt, wenn De Wever nicht in China gewesen wäre? Möglicherweise wohl nicht. Fazit: Vielleicht existiert die Regierung Michel nur deswegen noch, weil De Wever nicht zuhause war.
La Dernière Heure betrachtet Bart De Wever einmal mehr als den Strippenzieher der Regierung. Kaum ist er zurück aus China, da gießt er auch schon wieder Öl ins Feuer. Für den Nationalisten-Chef ist die Regierung offensichtlich nur ein Instrument, um am Ende zu beweisen, dass Belgien eben nicht regierbar und die Spaltung der einzige Weg ist. Dabei bleibt er elegant im Hintergrund und zieht die Fäden.
Le Soir sieht darin jedenfalls einen Grund mehr, wachsam zu bleiben. Im Übrigen hat die Kritik an Theo Franken nichts mit einem gleich wie gearteten Graben zwischen dem Norden und dem Süden des Landes zu tun, glaubt die Brüsseler Zeitung. Die Ablehnung von Rassismus, die Verteidigung der menschlichen Würde, das sollten doch eigentlich die Grundwerte eines jeden Demokraten sein, ob nun in Flandern oder im frankophonen Landesteil. Das ist nicht nur frankophoner Humbug. Erst recht ein Asylstaatssekretär, der Strenge und Menschenrechte unter einen Hut bekommen sollte, muss über jeden Verdacht erhaben sein. Das fordern zu Recht alle demokratischen Parteien dieses Landes, aus dem Norden wie aus dem Süden, eben mit Ausnahme der N-VA.
Regierungsprogramm: Frankophoner Aufstand?
Auch das eigentliche Programm der neuen Regierung sorgt weiter für Diskussionsstoff. "Vor allem Frauen werden bis 67 arbeiten müssen", titelt etwa Het Belang van Limburg. Grund ist, dass man künftig in jedem Fall eine Laufbahn von 42 Jahren aufweisen muss. Drei Viertel aller Frauen kommen aber nicht an diese Jahre, gegenüber einem von vier Männern. All diese Menschen jedenfalls müssen bis 67 arbeiten.
"Richter und Anwälte wollen keine Rechtsprechung hinter Gittern", titelt La Libre Belgique. Im Regierungsprogramm ist vorgesehen, dass künftig z.B. Haftprüfungstermine im Gefängnis stattfinden können. Das sei aber eine "schlechte gute Idee", sagen Juristen. Wichtigstes Argument: Gerichtsverfahren müssen öffentlich sein.
Gestern protestierten derweil rund 5.000 Menschen gegen die Politik der neuen Regierung. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte die kommunistische PTB-GO. Auch die Gewerkschaften haben für die nächsten Wochen eine Protestwelle angekündigt.
Het Laatste Nieuws hat bei alldem ein mulmiges Gefühl. Das Grundproblem: Diese Regierung vertritt nur ein Viertel der frankophonen Bürger. Befeuert durch die Opposition wächst im südlichen Landesteil die Überzeugung, dass Flandern das Land ohne die Frankophonen oder gar gegen sie regieren will. Hier droht in den kommenden Monaten im wahrsten Sinne des Wortes ein frankophoner Aufstand. Von wegen: "eine Regierung ohne Gemeinschaftspolitik". Nach einer Woche ist schon offensichtlich, dass ein neuer gemeinschaftspolitischer Spaltpilz in Gang gesetzt wurde.
Ebola-Screening: Notwendigkeit oder Hysterie?
"Ebola-Tests in Zaventem", schreibt L'Avenir auf Seite eins. In vielen anderen Zeitungen wird vor allem ein Wort hervorgehoben: "Endlich! Endlich Ebola-Screening am Brüssels Airport", schreibt etwa De Standaard. Ab jetzt sollen alle Passagiere, die aus Westafrika kommen, am Nationalflughafen auf Fieber untersucht werden.
Für L'Avenir ist diese Maßnahme überfällig. Bislang war bei Flugpassagieren, die aus Westafrika kamen, das Erstaunen groß, wenn sie feststellen mussten, dass es in Brüssel nicht eine einzige Kontrolle gab. Man hat einfach so getan, als gäbe es Ebola nicht. Ganz anders in Dakar oder Ouagadougou, wo die Körpertemperatur aller Fluggäste längst überprüft wird.
De Standaard sieht seinerseits Anzeichen für eine waschechte Hysterie. Die Politik hat über die Wissenschaft gesiegt. Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese Screening-Maßnahme absolut sinnlos. Die Ebola-Inkubationszeit beläuft sich auf 21 Tage. Ein schlichtes Fiebermessen kann da eine mögliche Erkrankung in den meisten Fällen nicht ausschließen. Selbst die Ebola-Koordinatorin Erika Vlieghe räumt ein, dass es sich hier im Wesentlichen um eine psychologische Maßnahme handelt. Was schließen wir daraus? Unsere Gesellschaften sind inzwischen von einer veritablen Angstkultur geprägt, wir konzentrieren uns nur noch auf die Gefahren, die das Leben mit sich bringt. Vor lauter Gefahren sieht man aber am Ende nicht mehr die Chancen.
"Der Kelch ist halbvoll"
Viele Zeitungen beschäftigen sich schließlich mit den Ergebnissen der Bischofssynode in Rom. Der Katholischen Kirche ist es dabei nicht gelungen, sich gegenüber Homosexuellen oder wiederverheirateten Geschiedenen grundlegend zu öffnen. Die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit wurde aber nur knapp verfehlt. Die Kirche ist gespalten, notiert Het Belang Van Limburg. Und die Grenzen sind gewissermaßen geographischer Natur. Vor allem in Afrika und in Südamerika überwiegen fundamentalistische Strömungen.
Aber: Der Kelch ist zumindest halbvoll, meint La Libre Belgique. Papst Franziskus will nicht aufgeben, lobt auch De Morgen. Dieser Papst ist offensichtlich ernsthaft der Ansicht, dass auch homosexuelle Liebe von Gott geschaffen wurde. Es hat nicht sollen sein, bemerkt dazu Het Nieuwsblad. Die Synode ist eine verpasste Chance. Die Hoffnung besteht aber weiterhin, dass die Kirche ein Signal geben kann, nach dem Motto: Ein Glauben kann sich entwickeln, ohne dass der Kern verloren geht.
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