"Theo Francken entschuldigt sich", titelt Le Soir. "Der Staatssekretär rettet seine Haut, die Zweifel aber bleiben", meint De Morgen. "Kniefall unter Zwang", bemerkt Het Laatste Nieuws. "Francken hat seinen Vertrauensvorschuss schon verspielt", hält De Standaard fest.
Im Mittelpunkt der Kammerdebatte über die Regierungserklärung stand der neue N-VA-Staatssekretär für Asyl- und Einwanderungspolitik, Theo Francken. Weil er am vergangenen Wochenende auf der Geburtstagsfeier eines ehemaligen Kollaborateurs zu Gast war und wegen alter E- Mails mit schwulen- und fremdenfeindlichem Inhalt hatte die Opposition lautstark den Rücktritt des 36-Jährigen gefordert. PS-Fraktionssprecherin Laurette Onkelinx bezeichnete ihn im Parlament sogar als Rassisten. Francken entschuldigte sich am Donnerstag in der Kammer - wohl auch weil der Druck innerhalb der Koalition immer größer wurde, bemerkt Het Nieuwsblad.
Le Soir konstatiert: Damit ist die Affäre beendet. Zumindest vorerst. Denn die Opposition wird angriffslustig bleiben. Auch innerhalb der Mehrheit bereitet Francken nicht wenigen Bauchschmerzen, er ist das größte Risiko für diese Regierung. Das Verhalten der N- VA-Minister, jede einzelne ihrer Entscheidungen, wird mit Argusaugen beobachtet werden. Und Premierminister Charles Michel dürfte gelernt haben, dass der Opposition jedes Mittel recht ist, um seine Schwedische Koalition stürzen zu lassen, hält Le Soir fest.
PS will über Francken Erzrivalen MR treffen
Gazet van Antwerpen meint: Für die französischsprachigen Sozialisten ist Theo Francken nur ein Instrument. In Wirklichkeit wollen sie nicht die N- VA treffen, sondern viel mehr Charles Michel und seine liberale MR - und das mit voller Wucht. PS und CDH stellen den neuen Regierungschef als Verräter hin, der gesteinigt gehört. Benoît Lutgen nannte ihn sogar einen Kollaborateur. So etwas ist inakzeptabel, findet Het Belang van Limburg. Die Kammerabgeordneten sollten sich mit mehr Respekt begegnen. Mit Beleidigungen unter der Gürtellinie tragen sie nämlich nur zur Politikverdrossenheit der Bürger bei.
Het Laatste Nieuws findet die Angriffe von Laurette Onkelinx überzogen. Sie mag äußerst charmant und intelligent sein, aber in der Kollaborationsdebatte ist sie mit ihren Attacken deutlich übers Ziel hinausgeschossen. Das hat ihr den neuen Spitznamen "Laurette Mitraillette" beschert. Die PS fühlt sich den Flamen gegenüber noch immer moralisch überlegen. Wir sollten den Zweiten Weltkrieg beenden und zur Tagesordnung übergehen, fordert das Blatt.
Nichtsdestotrotz: Für Gazet van Antwerpen sind die Äußerungen Theo Franckens dumm und geschmacklos. Er hatte ja unter anderem den Mehrwert der Einwanderer aus Marokko, Algerien und dem Kongo in Frage gestellt. Het Nieuwsblad meint: Franckens Ansichten sind nicht problematisch, weil er Mitglied der nationalistischen N- VA ist, sondern weil er ausgerechnet für die Asylpolitik zuständig ist. Inhaltlich war seine Entschuldigung im Parlament nicht wirklich überzeugend. Aber das sind solche Schuldbekenntnisse ja selten. Viel wichtiger ist allerdings das politische Signal: Premierminister Michel hat eine deutliche rote Linie gezogen.
Francken Gefahr für die Schwedische Koalition
Apropos Mehrwert: De Morgen findet, dass Theo Francken auch nicht gerade einen Mehrwert für die neue Föderalregierung darstellt. Seine Anwesenheit auf der Geburtstagsfeier eines Ex-Kollaborateurs ist nicht das Problem. Bob Maes war noch ein Teenager, als der Krieg ausbrach und trat einfach der falschen Jugendorganisation bei. Später gründete er eine rechtsextreme Vereinigung, stieg aber rechtzeitig aus und kehrte ins demokratische Lager zurück. Deswegen Franckens Rücktritt zu fordern ist weit hergeholt. Viel schlimmer sind dagegen die früheren Aussagen des heutigen Staatssekretärs über den Nutzen der Einwanderung. Die Zeitung hegt auch Zweifel am neuen, Porsche-fahrenden Kabinettschef des N- VA-Innenministers Jan Jambon. Vor laufenden Kameras hatte der engste Mitarbeiter des Ministers einen Strafzettel weggeworfen und war zudem mit zwei unterschiedlichen Kennzeichen unterwegs. Da das Innenministerium auch für die Polizei zuständig ist, wirft dieses Verhalten Fragen auf. Das ist kein Rumhacken auf der N-VA, meint De Morgen, sondern legitime Kritik, die die N- VA nachvollziehen können müsste. Gerade die flämischen Nationalisten haben sich in ihrer Oppositionszeit nämlich auf solche Fauxpas der Regierung gestürzt.
"N- VA muss Kollaboration verurteilen"
Trotzdem meint Het Belang van Limburg: Die Opposition muss sich jetzt auf die Taten der neuen föderalen Koalition konzentrieren und nicht mehr auf ihre Zusammensetzung. Die Regierungsparteien sollten hingegen verstehen, dass sie die Interessen aller Belgier vertreten müssen und nicht nur die ihrer eigenen Klientel. Das gilt in besonderem Maße für die N- VA. Bart De Wever sollte außerdem ein für alle Mal klarstellen, dass seine Partei die Kollaboration verurteilt. Und auch nichts mit der Neuinterpretation der Kollaboration mit den Nazis am Hut hat, wonach sie gute Gründe gehabt und nur den flämischen Interessen gedient hätte.
Bild: Virginie Lefour (belga)