Erstes Interview mit Premierminister Charles Michel bei Le Soir und De Standaard. "Wir haben das Land gerettet", erklärt der MR-Politiker. "Als Regierungschef will ich der Einiger sein", so ein weiteres Zitat, das als Schlagzeile dient.
In seinem ersten Interview als Premierminister verteidigt Michel die Schwedische Koalition. Oberstes Ziel sei es, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Außerdem wolle er den sozialen Zusammenhalt fördern und ein neues Verhältnis zwischen dem Staat und den Bürgern entstehen lassen. Die Angriffe der Opposition empfindet Michel als völlig falsch, zutiefst beleidigend und als eine Art Aufruf zum Hass. Michel erklärt, dass das Mitte-Rechts-Bündnis ausgeglichen ist - sprachlich wie politisch. Die MR sei nicht mit Peanuts abgespeist worden. Immerhin lieferten die Französischsprachigen mit dem Premier, dem Außen- und dem Haushaltsminister drei Schlüsselressorts. Zudem seien die frankophonen Liberalen zuständig für Energie, Verkehr und den Mittelstand.
Weitere Staatsreform ausgeschlossen
Den beiden Zeitungen erklärt Michel, in den kommenden Jahren gebe es keinen Platz für eine weitere Staatsreform oder Gemeinschaftspolitisches. Die vier Parteien der Koalition hätten das klar und deutlich vereinbart. Vorrang haben stattdessen die sozialwirtschaftlichen Themen.
Er sei es auch gewesen, der Bart De Wever gebeten hat, nicht Premierminister zu werden. Auf frankophoner Seite wäre nämlich mit einem flämischen Nationalisten als Regierungschef ein ganz falsches Bild entstanden. Das sei nicht zu verkaufen gewesen, meint Michel.
Auch L'Echo hat ein kurzes Interview mit dem neuen Mann an der Spitze des Landes führen können. Darin erklärt er, dass der Soziale Dialog und die Konzertierung eine lange Tradition haben und für seine Regierung von entscheidender Bedeutung sind. Er lädt die Sozialpartner zu gemeinsamen Beratungen ein.
Problemfall Jambon
La Libre Belgique kommt auf die Affäre um den neuen Innenminister Jan Jambon zurück. Der N- VA-Politiker hatte ja gestern erklärt, die Kollaboration während des Zweiten Weltkriegs sei ein Fehler gewesen. Die Leute, die sich damals zur Zusammenarbeit mit den Deutschen entschlossen hätten, hätten dafür aber ihre Gründe gehabt. Die Zeitung meint: Solange Jambon in der Regierung ist, wird das Problem um seine Person bestehen. Seine Anwesenheit wirft ein schlechtes Licht auf die gesamte Mannschaft. Premierminister Charles Michel muss die N- VA an der kurzen Leine halten, ansonsten wird das Abenteuer schon bald ein böses Ende nehmen.
Le Soir spricht vom "Jambon-Gate", ist aber abgesehen davon deutlich nuancierter. Natürlich sind die Aussagen Jambons inakzeptabel, er hat sich gestern im Fernsehen aber davon distanziert und die Kollaboration öffentlich verurteilt. Er hat sich außerdem klar zu seinem neuen Amt bekannt: Er werde der Innenminister aller Belgier von Ostende bis Virton sein.
Schizophrene N- VA
De Standaard bemerkt: Jetzt packt die frankophone Presse diese ollen Kamellen wieder aus. Dabei hat die neue Generation der N- VA-Leute nichts mit den Fehlern der flämischen Bewegung in den 1940er Jahre zu tun. Genauso sieht es Het Nieuwsblad: Immer wieder wird versucht, den Eindruck zu erwecken, Jambon und damit die komplette N- VA, sowie im weitesten Sinne alle Flamen, hätten einen Hang zum Faschismus und würden, einmal an der Macht, ihr wahres Gesicht zeigen. Das ist billig und intellektuell unlauter. Die N- VA ist eine demokratische Partei, urteilt die Zeitung. De Standaard fügt hinzu: Viel interessanter wäre es, sich mit dem neuen Paradox der flämischen Nationalisten zu beschäftigen. Viele der neuen N- VA-Minister sind in einer anti-belgischen Umgebung groß geworden. Jetzt verwalten sie Schlüsselressorts eines Landes, das sie am liebsten abschaffen würden. Man sollte sich anschauen, wie die N- VA-Politiker sich verhalten, wo die Bruchlinien zwischen Idealismus und Realpolitik verlaufen…
Het Belang Van Limburg findet: Offenbar müssen die neuen N- VA-Minister noch etwas dazu lernen. Sie sollten auf Provokationen verzichten. Ihre Worte haben jetzt als Teil der Regierungsmannschaft ein ganz anderes Gewicht. Sie können nicht mehr unüberlegt drauf lospoltern wie zu Oppositionszeiten.
L'Echo schreibt zur Rolle der CDH: Statt alle Maßnahmen der neuen Regierung zu kritisieren, sollten die Zentrumshumanisten sich die Frage stellen, ob sie ihre Kräfte nicht besser an anderer Stelle eingesetzt hätten. Die CDH als Teil der Schwedischen Koalition hätte Jan Jambon als Innenminister verhindern und sie hätte für eine sozialere Politik sorgen können.
Het Laatste Nieuws meint: Michels Regierungsteilnahme als einzige französischsprachige Partei auf föderaler Ebene ist ein großes Wagnis, das böse ausgehen kann. Es kann aber auch gut ausgehen, denn jeder Wallone, der mit dem PS-Modell nicht einverstanden ist, ist jetzt so gut wie gezwungen, der MR seine Stimme zu geben.
Bosnische Hölle
Alle Zeitungen blicken auf das 1:1-Unentschieden der Roten Teufel. "Bosnien ist nicht Andorra", titelt Het Nieuwsblad. Zum ersten Mal überhaupt hat Belgien einen Punkt aus der "bosnischen Hölle" nach Hause gebracht, bemerkt Het Belang Van Limburg. Damit müssen wir uns fürs Erste zufrieden geben.
Archivbild: Eric Lalmand (belga)