"Michel I betritt die Bühne", titelt L'Avenir. "Zu viele Minister, zu wenige Frauen", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Kaum gebildet, schon umstritten", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins.
Die genaue Zusammenstellung der Regierung war erst am Freitag bekannt geworden. Als letzter nominierte MR-Chef Charles Michel die Ministerriege der frankophonen Liberalen.
Die Personalien sorgen schon jetzt für mächtig Diskussionsstoff. Die wohl offensichtlichste Feststellung: Die Equipe umfasst zu wenige Frauen; nur vier der insgesamt 18 Minister und Staatssekretäre sind weiblich. De Standaard spricht auf Seite eins denn auch von der "Regierung der weißen Männer". Denn in der Tat: Auch Regierungsmitglieder mit ausländischen Wurzeln sucht man vergebens.
"Club der weißen Männer"
Es ist die Rückkehr des Männerclubs, kritisierte De Standaard in seinem Leitartikel. Besonders sichtbar ist das, wenn man sich die Regierungsspitze anschaut. Es gibt keine einzige Vizepremierministerin; im sogenannten Kernkabinett sitzt also nicht eine einzige Frau. Es gibt nur einen Lichtblick: Die OpenVLD-Politikerin Maggie De Block bekommt mit der Sozialpolitik und der Volksgesundheit zwei besonders wichtige Ressorts.
Das ändert aber nichts an der Grundfeststellung: Diese Regierung ist fernab der Modernität, fernab der Vielfalt. Denn nicht vergessen: Allen politischen und regionalen Gleichgewichten zum Trotz: Wer eine ausgeglichene Regierung bilden will, der schafft das auch.
... und zudem aufgebläht
Anderen ist die Regierungsmannschaft darüber hinaus auch noch zu groß. Im Vorfeld hatten zwar alle Parteien ein kompaktes Kabinett versprochen, schreibt Het Nieuwsblad. Mit insgesamt 18 Mitgliedern ist die Regierung aber nur unwesentlich kleiner als die angeblich aufgeblähte Equipe Di Rupo I.
Le Soir kann nur feststellen, dass die Zuständigkeiten einiger Exzellenzen doch ziemlich überschaubar sind. Allein deswegen muss man den Eindruck haben, dass man auch eine schlankere Regierung hätte auf die Beine stellen können. De Morgen glaubt, eine Erklärung zu kennen: Die gekränkten Egos werden Staatssekretäre, schreibt das Blatt. Offensichtlich ist das vor allem beim bisherigen Verteidigungsminister Pieter De Crem, der als Trostpflaster den Posten des Staatssekretärs für Außenhandel bekommen hat.
Die MR, ein Leichtgewicht?
Vor allem aber wird die eigentliche Ämterverteilung insbesondere im südlichen Landesteil als problematisch empfunden. "Die N-VA hat auch das Casting gewonnen", klagt Le Soir auf seiner Titelseite an. "And the winner is: N-VA", schreibt auch Het Nieuwsblad. Die Partei von Bart De Wever sackt in der Tat eine Reihe von Schlüsselposten ein. Die Nationalisten werden insbesondere für die Bereiche Inneres, Finanzen, Verteidigung, sowie für Asyl und Einwanderung zuständig sein.
Nicht genug damit: Zugleich wird das Gewicht der liberalen MR innerhalb der Föderalregierung als zu leicht empfunden.
Hoffentlich ist das nur ein Eindruck, meint La Libre Belgique in ihrem Kommentar. Das Paket von Zuständigkeiten, das die MR an Land gezogen hat, hat in einer ersten Phase für Erstaunen und Kopfschütteln gesorgt. Auch im Sinne der Außenwirkung hatte man sich da eigentlich mehr erhofft.
Denn nicht vergessen: Die MR ist die einzige frankophone Partei der Koalition. Und es darf eigentlich nicht der Eindruck entstehen, dass die Interessen des südlichen Landesteils nicht angemessen gewahrt werden. Die flämischen Partner helfen Charles Michel jedenfalls nicht dabei, sich seine Legitimität bei den frankophonen Bürgern des Landes zu verdienen.
"Nichts ist Zufall", gibt jedenfalls Het Laatste Nieuws zu bedenken. Dass die N-VA ausgerechnet sehr belgische Ministerposten wie die Ressorts für Inneres und Verteidigung bekommen hat, dahinter muss man eine Strategie vermuten. Nur zur Veranschaulichung: Am 21. Juli sitzen zwei N-VA-Minister auf der königlichen Tribüne.
Der Machiavelli aus Antwerpen
Das Ganze trägt die Handschrift des N- VA-Masterminds Bart De Wever, analysiert Het Nieuwsblad. De Wever ist Gewinner auf der ganzen Linie. Er hat seine Konstellation bekommen, sein Programm. Er hat die Sozialisten in die Opposition befördert. Deswegen kann er auch vorläufig auf eine neue Staatsreform verzichten. Und das Gezeter der PS oder der Gewerkschaften machen ihn in den Augen seiner Anhänger nur noch stärker.
Machiavelli wäre stolz auf De Wever, glaubt L'Echo. Der Nationalistenchef hat einmal mehr seine Qualitäten als Stratege unter Beweis gestellt. Erstens: Ihm ist es gelungen, das Amt des Premierministers anderen zu zuschustern. So bekommt er kein allzu belgisches Image. Und zweitens nimmt er den frankophonen Landesteil quasi als Geisel, nach dem Motto: Wenn ihr beim nächsten Mal doch wieder die Sozialisten wählt, dann spalte ich eben das Land.
Gewinner und Verlierer
Die N- VA und Bart De Wever gehören definitiv zu den Gewinnern, glaubt auch Gazet van Antwerpen. Gleiches gilt für die beiden liberalen Parteien. Insbesondere die OpenVLD hat geschickt taktiert und sitzt auf allen Ebenen in der Regierung. Maggie De Block bekommt zudem einen Mega-Posten.
Durchwachsener ist das Bild bei der CD&V. Nicht nur, dass sie nicht den Premier stellt, sie wird sich auch mit ihrem Gewerkschaftsflügel herumschlagen müssen. Noch mal auf die N- VA bezogen: Angesichts der Zuständigkeiten, über die die Partei in der Föderalregierung verfügen wird, darf man sich durchaus die Frage stellen, was das für Folgen haben wird. Schließlich muss man sich vor Augen halten, dass die N- VA Belgien lieber verdorren lassen will, als es aufblühen zu sehen, meint Gazet van Antwerpen.
Apropos Gewinner und Verlierer: Het Laatste Nieuws hat schon einmal versucht, zu hinterfragen, inwieweit die Parteien an der Wahlurne belohnt oder vielleicht auch bestraft werden für die neue Regierung. Die Zeitung hat eine exklusive Meinungsumfrage durchführen lassen. Die Quintessenz steht auf Seite eins: "CD&V bezahlt die Zeche", schreibt das Blatt.
Demnach würden die flämischen Christdemokraten im Moment 14 Prozent der Stimmen bekommen; das sind fünf Prozentpunkte weniger als bei der Wahl. Die Wähler, die da weggelaufen sind, das seien wohl Leute aus dem Gewerkschaftsflügel, glaubt Het Laatste Nieuws.
Das Politbarometer von De Standaard zeigt ein anderes Bild. Hier sackt die N- VA wieder unter die Schwelle von 30 Prozent, während die CD&V leicht hinzugewinnt.
La Dernière Heure befragt ihrerseits allen Ernstes einen Astrologen. Dessen Fazit: Selbst die Sterne sind der neuen Regierung nicht hold.
Foto: Michel Oath (belga)