"Grünes Licht für Michel I", titelt Het Belang van Limburg. "Die MR wie ein Mann hinter der Regierung Michel", so die Schlagzeile von L'Echo. Die Mitglieder von N-VA, CD&V, OpenVLD und MR haben Donnerstag im Rahmen von Sonderparteitagen die Regierungsbeteiligung ihrer jeweiligen Partei mehr oder weniger einstimmig gebilligt.
Und doch waren die Kongresse für mindestens zwei von ihnen kein Sonntagsspaziergang. "Drinnen Ovationen, draußen Gejohle", schreibt De Standaard auf Seite eins. Das Blatt fasst damit die Atmosphäre beim CD&V-Parteitag zusammen. Die christliche Gewerkschaft CSC hatte den CD&V-Delegierten einen lauten und nicht immer freundlichen Empfang bereitet.
CD&V und CSC, das ist im Grunde eine Familie. Die Gewerkschaft wirft aber den Christdemokraten einen zu harten Rechtskurs vor. Het Nieuwsblad bringt auf Seite eins die Botschaft der Gewerkschaften auf den Punkt: "Regierungsabkommen sorgt für sozialen Friedhof", so die Schlagzeile. "Peinlich", titelt seinerseits Het Laatste Nieuws: "Buhrufe für Peeters".
"Sie jubeln", titelt De Morgen und zeigt das Duo Peeters und Beke. "Sie jubeln, aber die CSC schießt scharf auf die CD&V-Spitze", so die Schlagzeile.
Pfeifkonzert als Warnung
Insbesondere die CD&V, aber auch die MR, sollten das Pfeifkonzert vor ihren Kongresssälen als Warnung verstehen, empfiehlt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Bei aller Euphorie kann es ja sein, dass die MR einen entscheidenden Punkt vergessen hat: Sie ist auf frankophoner Seite allein. Die CD&V wurde ihrerseits daran erinnert, dass sie einen Gewerkschaftsflügel hat.
Eins ist jedenfalls klar: So enthusiastisch die vier Parteien hinter verschlossenen Türen ihre Regierung gefeiert haben, so viel Mühe werden sie noch haben, ihre Politik in der Außenwelt zu erklären und zu verteidigen, so Het Nieuwsblad.
Das ist vor allem das Problem der CD&V, analysiert auch Het Laatste Nieuws. Gespaltener kann eine Partei eigentlich nicht sein. Drinnen feiert sich ein Flügel selbst, während sich draußen der andere Flügel in einem Horrorfilm wähnt. Von ihrer linken Basis muss die CD&V in jedem Fall keinen Dank erwarten.
Aber die Kinder und Enkel der Menschen in den grünen Jacken werden wohl die Früchte der Politik dieser Regierung ernten. Jetzt heißt es nur noch: An die Arbeit!
Kongresse und Pöstchenschacher
Bemerkenswert ist aber der Umstand, dass sich die vier Parteien ihrer jeweiligen Basis gestellt haben, ohne dass die letzten Fragen geklärt waren. Konkret: Die Zusammenstellung der Regierungsmannschaft ist nach wie vor nicht entschieden. Het Laatste Nieuws glaubt einen der Gründe zu kennen: "Maggie De Block verlangte einen Mega-Posten", titelt das Blatt. Demnach waren die Forderungen der OpenVLD so ehrgeizig, dass eine politische Balance kaum herzustellen war.
Für Gazet van Antwerpen ist das alles aber kein Problem. Im Gegenteil: Wenn man die Minister vor den Sonderparteitagen bestimmt und die Namen auch schon dem Palast durchgibt, dann setzen sich Parteien mitunter einem nicht unwesentlichen Risiko aus. Je nach Personalie könnten die Mitglieder nämlich rebellieren. Insofern war es vielleicht gar nicht so schlimm, dass die Regierungsequipe gestern Abend noch nicht stand.
De Morgen und Het Belang van Limburg wollen die Gelegenheit beim Schopf ergreifen, um die Schwedische Koalition noch zu Korrekturen zu bewegen. In der Regierung sitzen nicht genug Frauen, kritisieren beide Blätter. Die Situation ist noch peinlicher als in der EU-Kommission von Jean-Claude Juncker, wettert De Morgen. Het Belang van Limburg fordert sogar eine Frauenquote für Regierungen.
Ein neues Belgien?
Alle Zeitungen bringen heute natürlich weiter ausgiebige Analysen des Regierungsprogramms. "Das schwedische Menü dargelegt", titelt etwa Le Soir. Die Quintessenz des Programms fasst das Brüsseler Blatt wie folgt zusammen: Das sind keine Reförmchen sondern grundlegende Reformen. Die Schwedische Koalition will nicht mehr und nicht weniger als eine Schwerpunktverlagerung herbeiführen, meint die Zeitung in ihrem Kommentar.
Aus dem beschützenden, paternalistischen Staat wird eine liberale Gesellschaft, in der man sich die sozialen Errungenschaften erst verdienen muss. Im Norden des Landes ist man bereit für einen solchen Paradigmenwechsel; im Süden des Landes sieht das anders aus. Da hat sich der Wähler eigentlich exakt dagegen geäußert. Das kann mitunter sogar einen veritablen Schockzustand hervorrufen, schreibt Le Soir.
Die Unternehmer in diesem Land dürfen jetzt jedenfalls nicht mehr jammern, glaubt De Standaard. Das Regierungsabkommen ist quasi eine Ode an die Wirtschaftswelt. Die Gewerkschaften wären aber gut beraten, mit der Streikwaffe dosiert umzugehen. Sie werden nämlich schon sehr bald feststellen, dass sie sich selbst widersprechen, wenn sie alles bekämpfen.
Beispiel: Man kann nicht für die Verteidigung des kleinen Mannes eintreten, wenn man zugleich die Privilegien der Beamtenschaft erhalten will. Das wird noch eine interessante Herausforderung.
Heimlicher Haushalt
In der Zwischenzeit und ohne viel Aufsehen hat auch die Wallonische Region ihren Haushalt vorgelegt. Auch die Equipe von Ministerpräsident Paul Magnette (PS) muss sparen, verbittet sich aber Parallelen mit der Föderalregierung.
Dass der wallonische Haushalt gerade jetzt kommt, ist wohl kein Zufall, frotzeln La Libre Belgique und Le Soir. Ganz offensichtlich hofft man in Namur darauf, dass die Bürger bei allem Getöse um die föderalen Sparmaßnahmen die wallonischen nicht sehen.
Peinliches Taxi
Ein Foto schließlich ist heute in quasi allen Zeitungen zu sehen: Das Bild von Bart De Wever, der in einen Porsche Carrera einsteigt. Der N-VA-Chef betont zwar, dass es sich um den Wagen eines Freundes handelt, allerdings haben die Zeitungen gleich drei Gesetzesverstöße festgestellt: Ein Strafzettel landete im Graben, De Wever war nicht angeschnallt und, pikantes Detail, der Porsche trug zwei unterschiedliche Nummernschilder.
rop - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)