"Sauer auf Regierung Michel", titelt Het Laatste Nieuws. "Große Umwälzungen", schreibt La Libre Belgique. "An der neuen Koalition scheiden sich die Geister", hält Le Soir auf Seite eins fest.
Obwohl der Koalitionsvertrag erst heute der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll, sorgen die ersten bekannt gewordenen Sparmaßnahmen bereits für Unmut. Das Baufach befürchtet erhebliche Einbußen, weil der niedrige Mehrwertsteuersatz von sechs Prozent für Renovierungen künftig nur noch auf Gebäude mit einem Mindestalter von zehn Jahren angewendet werden kann - bislang waren es fünf Jahre.
Die Banken sind verärgert, weil sie in den kommenden Jahren 250 Millionen Euro zusätzlich an Steuern zahlen müssen. Die Beamten sind sauer, weil ihre Rente um zehn Prozent gekürzt wird. Wie L'Echo und De Morgen berichten, wird sich der Öffentliche Dienst auf drastische Sparmaßnahmen einstellen müssen. "Regierung Michel legt die Axt an", titeln die Blätter. Nur jeder fünfte in Rente gehende Mitarbeiter der föderalen Verwaltung soll ersetzt werden. Außerdem sollen die Funktionsmittel drastisch gekürzt werden.
Nicht dem Beispiel Frankreichs folgen
Le Soir macht auf seiner Titelseite deutlich, dass die neue Föderalregierung das Land in zwei Lager teilt. Auf der linken Seite die Kritiker - zu sehen ist ein Gewerkschaftsvertreter, der die geplanten Maßnahmen wie den Indexsprung und die Anhebung des Rentenalters ablehnt. Auf der rechten Seite, stellvertretend für die Befürworter, ein Arbeitgeber. Er sieht in den Vorhaben der neuen Regierung die nötigen strukturellen Reformen, die das Land seiner Ansicht nach dringend braucht.
Die Zeitung meint: Beide Lager, sowohl die Opposition als auch die Mehrheit, müssen darauf achten, dass wir in Belgien keine Zustände wie in Frankreich bekommen. Der dort seit Jahren wütende Dauerkampf zwischen den linken und rechten Lagern sorgt für eine vergiftete politische Kultur und für eine schwächelnde Wirtschaft.
Die Parteien sollten darauf achten, dass ein solcher Bruch in der Gesellschaft hier nicht passiert. Die Mehrheitsparteien sollten nicht mit ebenso scharfen Tönen auf die Kriegsrhetorik der PS antworten. Die Opposition wiederum sollte die übertriebene Härte ihrer Angriffe überdenken, fordert Le Soir.
Nach Ansicht von De Morgen begeht das Mitte-Rechts-Bündnis einen groben Denkfehler. Wenn ihr erklärtes Ziel ist, unseren Sozialstaat für die Zukunft zu sichern, dann wäre es viel logischer gewesen, wenn die Schwedische Koalition sich um eine alternative Finanzierung der Sozialsysteme bemüht hätte. Es wäre gerechter, wenn Kapitalerträge stärker besteuert würden und unsere Arbeit im Gegenzug weniger. Kurzum: Vermögende werden nicht genug zur Kasse gebeten, urteilt das Blatt.
Noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten
Het Nieuwsblad findet: Die Schwedische Koalition sollte sich bewusst werden, dass sie noch viel Überzeugungsarbeit leisten sowie Empathie und Dialogbereitschaft an den Tag legen muss, um ihre Politik zu verkaufen. Het Belang van Limburg hofft, dass die Sozialpartner nicht auf stur schalten und sich konstruktiv zeigen.
Die Erwartungen der Zeitung sind aber nicht besonders hoch. Gerade die Gewerkschaften zeigen immer wieder, dass sie noch in der Vergangenheit leben, so Het Belang van Limburg. Gazet van Antwerpen findet die Kritik der Sozialisten völlig übertrieben. Die PS war in den letzten 25 Jahren fast dauerhaft an der Macht. Sie hatte also alle Möglichkeiten das Land nach ihren Vorstellungen zu formen. Jetzt sind die anderen an der Reihe.
"Michel eine Chance geben"
Auch La Libre Belgique meint: Wir müssen Charles Michel eine Chance geben. Der Koalitionsvertrag ist mit Sicherheit nicht das achte Weltwunder, er wird uns aber auch nicht ins Unglück stürzen. Die Lage in Belgien ist zwar nicht mit der in Griechenland zu vergleichen, trotzdem hinken wir insbesondere dem Wirtschaftsmotor Deutschland hinterher.
Die strukturellen Reformen, die die neue Regierung in Angriff nehmen will, sind dringend vonnöten. Sie sind auch nicht unverantwortlich, sondern durchdacht und weitsichtig. Mit einer solch hohen Staatsschuld ist Weitermachen wie bisher keine Option.
L'Echo bemerkt: Wie heftig auch immer die Kritik der Opposition ausfallen wird, sie muss einsehen, dass die Regierung Michel weder antidemokratisch noch verfassungswidrig ist. Die Parteien sollten ihre Energie lieber in die reibungslose Umsetzung der Sechsten Staatsreform stecken. Die Bürger haben nämlich nichts davon, wenn sich die Teilstaaten und die föderale Ebene bekriegen.
Wie La Libre Belgique mahnt, sollte Charles Michel vor allem darauf achten, dass die Stimme der Französischsprachigen nicht untergeht in dieser mehr flämischen als "schwedischen" Koalition mit drei Parteien aus dem Norden des Landes und nur einer einzigen aus dem Süden.
Noch verhandeln die Parteivorsitzenden über die Vergabe der Ministerposten. Het Nieuwsblad befürchtet jedoch, dass das neue Kabinett mit offenbar elf Männern und nur drei Frauen zur Herrenrunde wird.