"Gelandet", titelt Het Nieuwsblad. "Die neue Regierung steht, 135 Tage nach der Wahl und nach einem unglaublichen Verhandlungsmarathon von fast 29 Stunden", schreibt Het Laatste Nieuws. "Charles Michel wird mit 38 Jahren Belgiens jüngster Premierminister", hebt Het Belang Van Limburg hervor. "Charles, der Kühne", titelt La Libre Belgique. "Charles, der Einiger", meint La Dernière Heure. "Diese Koalition ist ein absolutes Novum", bemerkt Le Soir auf Seite eins.
Die Schwedische Koalition aus N-VA, CD&V, OpenVLD und MR hat sich Dienstag Abend auf die Eckpunkte des Koalitionsvertrags und die Haushaltsplanung für die kommenden Jahre verständigt. Zuerst die schlechte Neuigkeit, meint Het Laatste Nieuws: Wir werden länger arbeiten müssen. Dann die gute Neuigkeit: Die allgemeine Steuerlast sinkt, die Kaufkraft von Arbeitnehmern und Selbständigen soll erhöht werden.
De Standaard blickt auf die wichtigsten Vorhaben der neuen Regierung: Der Föderalstaat wird kräftig sparen, seine Ausgaben sinken um acht Milliarden Euro. Durch einen Indexsprung und eine Lohnkostenkürzung sollen die Unternehmen wettbewerbsfähiger werden und es soll wieder Wachstum entstehen.
"Erst das Kleingedruckte lesen"
Auf diese Regierung wartet ein langer und vor allem heißer Herbst, prophezeit Gazet Van Antwerpen. Die Opposition und die Gewerkschaften werden das neue Kabinett mit schwerer Artillerie beschießen. Die PS und die FGTB-Gewerkschaft stehen bereits in den Startlöchern, fügt L'Avenir hinzu. Dabei scheint das Koalitionsprogramm auf den ersten Blick mutig zu sein und in die richtige Richtung zu gehen, urteilt La Libre Belgique.
Het Nieuwsblad findet: Bevor jetzt schwere Geschütze aufgefahren und die Bazookas gezückt werden, sollten die Kritiker auf die Details der Einigung warten und das Kleingedruckte lesen. Unser Land braucht dringend wirtschaftliche und soziale Reformen. Das meint auch Le Soir. Diese Regierung will zeigen, dass sie sich wirklich traut, diese Maßnahmen durchzuführen, die ihre Vorgänger zwar angekündigt, aber am Ende nie beschlossen haben.
Het Belang Van Limburg formuliert es so: Die Regierung Verhofstadt hat in den fetten Jahren die Reformen verschlafen, das Kabinett Leterme ging im gemeinschaftspoltitischen Streit baden und die Regierung Di Rupo hat sich einfach nicht getraut.
Rente mit 67
"Die Regierung Michel bricht Tabus", titelt L'Echo. Vom Indexsprung bis zur Anhebung des Rentenalters: Das Mitte-Rechts-Bündnis greift zur Schocktherapie. Umstrittenste Maßnahme ist die Rente mit 67 ab 2030. Konkret heißt das: Jeder Belgier, der heute jünger als 50 ist, wird länger arbeiten müssen. Das ist eine bittere Pille für uns, meint Gazet Van Antwerpen. Es führt aber kein Weg daran vorbei, wir werden sie schlucken müssen.
In den Nachbarländern wurde das Rentenalter bereits angehoben, weil das System wegen der Alterung der Gesellschaft ansonsten nicht mehr finanzierbar ist. De Morgen bemerkt: Als die Rente mit 65 in Belgien eingeführt wurde, betrug die Lebenserwartung weniger als 65 Jahre. Rein statistisch gesehen musste man also schon tot sein, bevor man die Rente überhaupt in Anspruch nehmen konnte.
Heute verlassen die Belgier die Arbeitswelt im Schnitt mit 58 Jahren; die Lebenserwartung liegt inzwischen bei 88 Jahren. Der gemeine belgische Senior bezieht statistisch also während 30 Jahren Bezüge aus der Rentenkasse. Da wird schnell klar, dass das System auf lange Sicht ohne Reform nicht mehr finanzierbar ist, meint De Morgen.
Het Belang Van Limburg hätte es gerechter gefunden, wenn man als Basis zur Berechnung der Rente nicht das Alter, sondern die geleisteten Dienstjahre genommen hätte. Le Soir bemerkt, dass den Arbeitgebern eine große Verantwortung zukommt: Sie werden dafür sorgen müssen, dass die Menschen auch tatsächlich länger arbeiten können, dass die Generation Ü-60 für den Arbeitsmarkt attraktiv bleibt.
Trotz der längeren Karrieren dürfen die Chancen der jungen Menschen nicht sinken. Aus den steuerlichen Geschenken der Schwedischen Koalition an die Unternehmen müssen neue Arbeitsplätze entstehen, fordert Le Soir.
Schizophrene N-VA
Wer hätte das am Wahlabend vom 25. Mai gedacht?, fragt De Standaard. Dass ein solches Bündnis vier Monate nach der Wahl zu Stande kommt: drei flämische Parteien, darunter die nationalistische N-VA, und auf französischsprachiger Seite allein die Liberalen.
Die MR kann einen großen Erfolg für sich beanspruchen, meint Le Soir. Die Partei von Charles Michel wird aber an allen Fronten bekämpft werden, fügt L'Echo hinzu. Auf der einen Seite der Dauerbeschuss im frankophonen Lager, auf der anderen Seite die Nationalisten von der N-VA, die der Föderalregierung eines Landes beigetreten sind, das sie am liebsten abschaffen würden.
Die Rolle der N-VA ist schizophren, meint La Libre Belgique. Zum einen wird sie dafür sorgen müssen, dass die Regierung hält, um zu beweisen, dass sie anders und besser regiert als ihre Vorgänger. Zum anderen könnte sie das Kabinett aber zum Sturz bringen, um zu beweisen, dass Belgien tatsächlich unregierbar ist.
Trotz dieser Umstände ist die Schwedische Koalition geboren. Het Nieuwsblad schreibt: Aufgabe der neuen Mannschaft wird es sein, durch Taten vergessen zu lassen, dass man sie ganz zu Beginn die Kamikaze-Koalition getauft hatte.
akn - Bild: Dirk Waem (belga)
und im ganzen wenn man hier den Beitrag durchliest hat die deutschsprachige Gemeinschaft, auch wenn es nur eine Minderheit in Belgien ist - in diesem ganzen überhaupt nichts zu melden wie mir scheint. Belgien wird in dem sinn nur von überwiegenden Flamen und Wallonen regiert - ob sich das dann am ende vllt positiv auswirkt für den deutschsprachigen Raum ? ich habe da so meine Zweifel dran.