"Charles Michel ist jetzt der einzige Regierungsbildner", titelt Het Belang Van Limburg. Die flämische Zeitung De Morgen bringt eine Schlagzeile auf Französisch: "Michel, c'est à vous, Herr Michel, jetzt sind sie dran".
Charles Michel musste am Mittwoch in die Rolle des Schlichters schlüpfen. Am Dienstagabend war es zu einem offenen Streit zwischen der CD&V und der OpenVLD gekommen. CD&V-Chef Wouter Beke war sogar plötzlich aufgestanden und hatte wütend den Sitzungssaal verlassen. Regierungsbildner Charles Michel hat also versucht, die Wogen zu glätten. Und sein Ko-Regierungsbildner Kris Peeters ließ ihm dabei demonstrativ den Vortritt. Peeters trat vielmehr wieder als Vertreter seiner Partei, der CD&V, auf.
Commedia dell'arte…
Einige Zeitungen sehen hinter dem Streit vom Dienstagabend nicht mehr und nicht weniger als einen Show-Effekt. Eine "Krisette" gehört einfach dazu, notiert etwa De Standaard. Wir erinnern uns: Im Herbst 2011 reichte der damalige Regierungsbildner Elio Di Rupo beim König seinen Rücktritt ein. Dazu kam es aber nie. Eine Woche später stand die neue Regierung. 1988 war der damalige PS-Chef Guy Spitaels sogar einige Tage von der Bildfläche verschwunden. Kaum war er zurück, da wurde die neue Regierung auf die Schiene gesetzt.
Was wir da am Dienstag gesehen haben, ist reine Taktik, pure Commedia dell'arte, bloßes Theater, meint Het Laatste Nieuws in einem wütenden Kommentar. Auf eine solche Dramatisierung können wir dankend verzichten. Nur, weil die letzte Regierungsbildung 541 Tage gedauert hat, muss man jetzt nicht davon ausgehen, dass mehr als 130 Tage gleich normal sind. Und auch die Komplexität des Landes ist keine Rechtfertigung dafür, dass sich die vier Parteien amateurhaft verhalten. Deswegen die Botschaft: Bilden Sie endlich eine Regierung und das gefälligst schnell!
… oder doch nicht?
War das wirklich reines Theater?, fragt sich derweil Gazet Van Antwerpen. Dahinter steckt wohl doch ein bisschen mehr. Die CD&V hat nämlich schon besser ausgesehen. Die Partei verzichtete auf den Posten des Premierministers, in der Hoffnung, dass Marianne Thyssen einen europäischen Spitzenjob bekommt. Wie man weiß, wurde sie am Ende jedoch mit einem eher zweitklassigen Kommissarsposten abgespeist. Eine zweite Erniedrigung will die CD&V also vermeiden. Der Streit vom Dienstag war wohl eher eine Botschaft an die Basis.
Het Nieuwsblad schlägt in dieselbe Kerbe: Die CD&V konnte sich nach der Thyssen-Episode neu aufstellen. Wäre Peeters Premier geworden, dann hätten die Christdemokraten inhaltliche Zugeständnisse machen müssen. Umgekehrt ist die CD&V also jetzt in der Position, auf Standpunkten zu beharren. Und ob's am Ende nun Show war oder nicht: Jetzt gibt es wenigstens mit Charles Michel einen Kandidaten für das Amt des Premiers.
CD&V in der Rolle der PS
Einige Zeitungen vermuten aber auch inhaltliche Gründe hinter dem Streit. "Die CD&V stemmt sich gegen einen Rechtsruck", titelt etwa La Libre Belgique. Le Soir bringt auf Seite eins ein Beispiel für diese Feststellung: "Ein eigener Mindestlohn für junge Menschen", titelt das Blatt. Auf dem Verhandlungstisch lag demnach die Idee, den Mindestlohn für minderqualifizierte Jugendliche unter 21 für zwei Jahre herabzusetzen. Damit sollten die Arbeitgeber dazu ermuntert werden, diese jungen Leute einzustellen. Die CD&V lehnt diesen Vorschlag aber ab, wohl um eine Aushöhlung der Sozialgesetzgebung zu verhindern.
Verflixt nochmal, es gibt ja doch noch eine Linke, bemerkt ironisch Le Soir. In Flandern hatte man wohl geglaubt, mit der PS den traditionellen Störenfried vor die Tür gesetzt zu haben. In der Praxis scheint aber jetzt die CD&V in diese Rolle zu schlüpfen. Auch die CD&V hat ihre Tabus, ihre heiligen Kühe. Und die christliche Arbeiterbewegung lässt keine Gelegenheit aus, die CD&V daran zu erinnern.
"Keine Alternative zur Schwedischen Koalition"
Die CD&V fühlt sich in der Schwedischen Koalition schon jetzt nicht mehr wohl, glaubt De Morgen. Die flämischen Christdemokraten stehen gewissermaßen unter Schock. Der lautstarke Protest gegen die Sparmaßnahmen der flämischen Regierung kam für die Partei unerwartet. Innerhalb des Gewerkschaftsflügels der Partei rumort es gewaltig. Deswegen musste CD&V-Chef Wouter Beke die Notbremse ziehen. Charles Michel wird die Christdemokraten noch ein wenig massieren müssen.
In einem Punkt sind sich aber alle Leitartikler einig: Bei dem Streit ist nichts kaputt gegangen, was nicht wieder repariert werden könnte, wie es De Morgen formuliert. Keine der vier Parteien hat ein Interesse daran, dass die Schwedische Koalition scheitert, bevor sie das Licht der Welt erblickt hat, glaubt auch Le Soir. Im Übrigen gibt es keine Alternative, analysiert Het Belang Van Limburg. Eine klassische Dreier-Koalition aus Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen ist im Moment undenkbar.
Islamisten bei der Gepäckabfertigung
"Am Flughafen Zaventem arbeiteten Islamisten", titelt Het Nieuwsblad. Darunter sind anscheinend mindestens zehn junge Männer, die sich radikalisiert hatten und die sogar als Terrorverdächtige eingestuft werden. Zu dieser Erkenntnis sind die Sicherheitsdienste gelangt. Die Männer haben demnach in der Gepäckabfertigung gearbeitet. Einige von ihnen sind anscheinend sogar nach Syrien in den Krieg gezogen. Die Männer arbeiten inzwischen nicht mehr am Flughafen.
Apropos Flughafen: Die EU-Kommission verlangt ja, dass der Regionalairport Charleroi der Wallonischen Region sechs Millionen Euro zurückerstattet. La Libre Belgique hat Verständnis für diese Entscheidung: Irgendwann muss der Flughafen Charleroi schließlich auch flügge werden.
Dopingverdacht oder Krankheitsbefund?
"Zehnkämpfer unter Dopingverdacht", schreiben sinngemäß Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad. Die Rede ist von dem 23-jährigen Thomas Van Der Plaetsen. In seinem Körper wurde ein Schwangerschaftshormon nachgewiesen. Paradoxerweise könnte dieser Befund sein Leben retten, wie Het Nieuwsblad hervorhebt. Der Nachweis dieses Hormons kann auch auf eine Erkrankung an Hodenkrebs hindeuten.
Bild: Dirk Waem (belga)