"Beke und Rutten zoffen sich", so die Schlagzeile von De Standaard. "Erste Krise in der Schwedischen Koalition", titelt Le Soir. "CD&V-Unterhändler stürmen aus dem Verhandlungssaal", schreibt Het Laatste Nieuws.
Die Koalitionsgespräche zur Bildung einer neuen Föderalregierung sind am späten Abend nach einem Streit zwischen den flämischen Liberalen und Christdemokraten abgebrochen worden. Die beiden Parteien sind sich in Sachen Steuerlast uneins. Konkret geht es um die Frage, wie viel Einsparungen die neue Regierung vornehmen muss und wie viel neue Steuern sie erheben darf. Weil OpenVLD-Vorsitzende Gwendolyn Rutten überhaupt nicht von einem strikten Sparkurs abrücken will, ist den CD&V-Unterhändlern der Kragen geplatzt, berichtet De Morgen.
Unruhiger Landeanflug
De Standaard meint: Haben wir es mit einer tiefen Krise zwischen den vier Parteien des angestrebten Mitte-Rechts-Bündnisses zu tun? Oder handelt es sich um die fast schon traditionellen Turbulenzen auf der Zielgeraden der Regierungsbildung? Schwer zu sagen. Für Het Laatste Nieuws steht die Antwort fest: Was wir derzeit erleben, ist der übliche Nervenkrieg kurz vor Toresschluss. Der Landeanflug der Schwedischen Koalition kann zwar noch etwas Zeit in Anspruch nehmen und durchaus turbulent werden, ein Absturz ist aber nicht zu erwarten, glaubt das Blatt.
"Es gibt endlich einen Kandidaten für das Premierministeramt", titelt Het Laatste Nieuws. Regierungsbildner und MR-Chef Charles Michel hat sich gestern in Stellung gebracht. Offiziell hat er sich zwar nicht geoutet, aber er hat vor dem Start der Gespräche Reporterfragen beantwortet, was er schon lange nicht mehr getan hatte. Michel sprach von Zusammenhalt und Verantwortung. Er muss jetzt beweisen, dass er das Zeug zum Regierungschef hat und die Wogen nach der gestrigen Krise wieder glätten kann.
Zukunftsängste
Immer mehr Belgier sind depressiv, haben Stress oder leiden unter Angstzuständen und Schlafstörungen. "Inzwischen ist jeder Dritte betroffen", titelt La Libre Belgique auf Seite eins. Bei jungen Frauen treten die Beschwerden besonders häufig auf, hebt L'Avenir hervor. Für die Zunahme von Stress und Depressionen sieht die Zeitung mehrere Gründe: Unsere Gesellschaft wird immer schnelllebiger, die Anforderungen an die Arbeitnehmer immer anspruchsvoller. Dazu kommt noch die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Und das Einzige, was wir von den Regierenden hören, ist: kürzen und sparen. Das alles trägt natürlich nicht dazu bei, dass wir uns wohlfühlen. Wir Belgier brauchen neue Zukunftsperspektiven, findet Het Nieuwsblad.
De Morgen notiert in diesem Zusammenhang: Die Politik muss verstehen, dass die Menschen sich Sorgen machen. Wer morgens arbeiten geht, hat Angst, dass ihm abends gekündigt wird oder er von anderen Hiobsbotschaften getroffen wird. Zum Beispiel, wie viele Jahre er länger arbeiten muss, um noch weniger Rente zu bekommen. Die künftige Regierung muss den Glauben und das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Wohlfahrtstaates wieder herstellen.
Graue Eminenzen
La Libre Belgique befasst sich mit zwei prominenten Fällen von Ämterhäufung. Der neue wallonische Ministerpräsident Paul Magnette von der PS und der Vize-MP Maxime Prévot von der CDH stehen de facto weiter ihren Heimatstädten Charleroi und Namur vor. Sie haben noch immer das Sagen, auch wenn andere nominell die Bürgermeisterschärpe tragen. Das ist aber reine Kosmetik, meint die Zeitung. Zwar ist dagegen rechtlich nichts einzuwenden, ethisch vertretbar ist es dadurch aber noch lange nicht. Sowohl Magnette als auch Prévot hatten vor der Wahl versprochen, Bürgermeister zu bleiben. Jetzt sind sie Minister. Das ist ein weiterer Schlag gegen die Glaubwürdigkeit von Politikern, findet La Libre Belgique.
Forschung, Fußball und Birnen
Le Soir warnt vor der Vergemeinschaftung der föderalen Exzellenzpole. Dabei handelt es sich um interuniversitäre Projekte zur Grundlagenforschung. 5.000 Wissenschaftler und Forscher, darunter der Physik-Nobelpreisträger François Englert, erklären in einem offenen Brief, dass es überhaupt keinen Sinn machen würde, die Fördergelder auf die Gemeinschaften des Landes aufzuteilen. Eine Zerstückelung würde die wissenschaftliche Forschung zusätzlich erschweren. Auch Le Soir spricht von "grenzenloser Dummheit" und hofft, dass die Sechste Staatsreform in diesem Punkt verbessert wird.
Alle Blätter, darunter La Dernière Heure, berichten über die heutige Champions League-Begegnung zwischen dem RSC Anderlecht und Borussia Dortmund. Gegen den verletzungsbedingt geschwächten BVB hofft Anderlecht auf den ersten Sieg in der Champions League seit zwei Jahren.
"Belgische Birnen verkaufen sich so gut wie noch nie", titelt Het Nieuwsblad. Der Absatz ist hierzulande im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent gestiegen. Hintergrund ist das russische Einfuhrverbot für europäische Agrarprodukte. In der Folge wurde zum Verzehr von einheimischem Obst aufgerufen. Und wie sich jetzt zeigt, hat der Solidaritätsappell im wahrsten Sinne des Wortes Früchte getragen.
Bild: Laurie Dieffembacq (belga)