"Terrorismusprozess - Tag 1", titelt Gazet van Antwerpen. "Das Räderwerk von Sharia4Belgium vor Gericht dargelegt", so die Schlagzeile von Le Soir. In Antwerpen hat am Montag der Prozess gegen 46 Mitglieder der Islamistenorganisation Sharia4Belgium begonnen. Vor allem zwei Männer stehen dabei im Mittelpunkt.
Zunächst Fouad Belkacem, der frühere Sprecher von Sharia4Belgium. Gazet van Antwerpen nennt ihn den "lachenden Angeklagten". Belkacem hat offensichtlich demonstrativ zu verstehen gegeben, dass er die Antwerpener Justiz nicht ernst nimmt.
Zweite Schlüsselfigur: Jejoen Bontinck, der als 17-Jähriger nach Syrien in den Krieg zog. De Morgen nennt ihn auf Seite eins den "Verdächtigen und Kronzeugen". Als ehemaliges Mitglied von Sharia4Belgium steht Bontinck zwar vor Gericht, er hat seine früheren Mitstreiter aber schwer belastet.
Ausraster vor Gericht
Auf vielen Titelseiten prangt auch das Foto von Rosanna Rodriguez. Sie ist die Mutter von Brian De Mulder, der sich weiterhin in Syrien befindet. Sie verlor im Gerichtssaal die Fassung und schrie die Angeklagten an: "Dreckskerl, Sie haben meine Familie zerstört!", wandte sie sich an Fouad Belkacem. Sie wurde daraufhin des Gerichtssaals verwiesen. "Die Mutter von Brian De Mulder rastet aus", schreiben Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad.
In Antwerpen stehen sich der Rechtsstaat und der Dschihad gegenüber, konstatiert L'Avenir in seinem Leitartikel. In jedem Fall wird es aber nicht reichen, die Angeklagten zu verurteilen und hinter Gitter zu bringen. Vielmehr lautet die Kernfrage, warum so viele junge Männer in den angeblichen Heiligen Krieg gezogen sind. Offensichtlich sind sie orientierungslos, fühlen sich in Europa überflüssig.
Das Grundproblem sitzt tiefer
Het Nieuwsblad schlägt in dieselbe Kerbe. Das eigentlich Beängstigende zu Beginn des Prozesses ist die Feststellung, wie einfach es doch ist, junge, labile Menschen zu manipulieren. Schon jetzt ist klar, dass Gefängnisstrafen wohl nicht reichen werden, um das Problem der flämischen und europäischen Syrienkämpfer zu lösen.
Wenn jemand wie Belkacem Jugendliche davon überzeugen kann, sich für eine Zukunft zu entscheiden, die weit in der Vergangenheit angesiedelt ist, dann sitzt das Grundproblem wohl viel tiefer. Davon abgesehen, dass es schon schwierig genug sein wird, Belkacem seine Verantwortung auch gerichtlich nachzuweisen.
Wir werden in jedem Fall unsere Lehren aus dem Prozess ziehen müssen, glaubt Gazet van Antwerpen. Zunächst muss man festhalten, dass man Sharia4Belgium sträflich unterschätzt hat. Jahrelang hat man die Vereinigung für einen Club von Wirrköpfen gehalten.
Und jetzt muss man feststellen, dass nirgendwo in der Welt, vielleicht abgesehen vom Mittleren Osten, proportional so viele Syrienkämpfer rekrutiert worden sind wie in Vilvoorde und Antwerpen. Das ist beschämend und muss schnellstens hinterfragt werden.
Furcht vor der Furcht
In der Zwischenzeit wächst in der westlichen Welt die Angst vor neuen Terroranschlägen. De Morgen plädiert aber dafür, jetzt möglichst einen kühlen Kopf zu bewahren. Natürlich gibt es tausend gute Gründe, besorgt zu sein. Und natürlich ist es auch wichtig, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Man darf aber nicht zum Sklaven der Angst werden; Angst ist immer ein schlechter Berater.
Die Wahrscheinlichkeit, morgen bei einem Verkehrsunfall oder durch einen Herzinfarkt ums Leben zu kommen, ist immer noch hunderttausend Mal größer als in Antwerpen von Islamisten angeschossen oder in der Brüsseler Rue Neuve geköpft zu werden. Um es mit den Worten des früheren US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt zu sagen: "Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht".
Negative Inflation
"Lohnsenkung für eine halbe Million Belgier", titelt Het Nieuwsblad. Hintergrund: Das Land verzeichnet derzeit eine sogenannte "negative Inflation". Heißt: Die Preise sind gefallen. Gewisse Arbeitsverträge sehen eine "Indexanpassung in beide Richtungen" vor, sprich: Sinken die Preise, dann fallen auch die Gehälter.
Und das ist nur ein Beispiel dafür, dass sinkende Preise nicht unbedingt eine gute Neuigkeit sind, bemerkt dazu L'Echo in seinem Leitartikel. Im Grunde ist negative Inflation nur ein Indiz dafür, dass der Konjunkturmotor einfach nicht anspringen will.
Eine anhaltende Deflation kann die Wirtschaft sogar in eine tiefe Krise stürzen, notiert auch La Libre Belgique. Irgendwann steckt das System nämlich in einem Teufelskreis, ziehen die sinkenden Preise buchstäblich alles mit nach unten.
Jetzt richten sich alle Augen auf Frankfurt, sind sich beide Blätter einig. Die Europäische Zentralbank verfügt nämlich über Hebel, um eine Abwärtsspirale zu bremsen.
Die derzeitige negative Inflation hat möglicherweise auch noch eine andere Konsequenz. Im Grunde wird damit nämlich ein Indexsprung quasi überflüssig. Durch die derzeitigen Wirtschaftsparameter werden die Gehälter ohnehin nicht steigen beziehungsweise sinken, so Het Belang van Limburg. Entsprechend wird aber die Schwedische Koalition noch tiefer in die Trickkiste greifen müssen, um die Wirtschaft wieder flott zu machen.
Apropos Regierungsbildung: "Reynders will sein Gewicht versilbern", titelt De Standaard. Anscheinend ist es so, dass Didier Reynders nun doch bereit wäre, unter einem Premier Charles Michel zu arbeiten. Er wolle allerdings einen Ministerposten, der seinem politischen Gewicht entspreche, zitiert ihn De Standaard.
Kultur in Krisenzeiten
Le Soir und De Standaard drucken heute eine freie Tribüne ab, die aus der Feder der Direktoren des Brüsseler BOZAR und der Brüsseler Oper stammt. Beide warnen vor einem Kahlschlag in der Kulturwelt. In seinem Kommentar schließt sich Le Soir dem flammenden Appell an. Klar muss auch die Kultur in Krisenzeiten den Gürtel enger schnallen, sie darf aber nicht vollständig zerrieben werden. Eine Gesellschaft ohne Kultur öffnet die Tür zur Barbarei.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)