Einige Tageszeitungen kommentieren die Demonstration der Polizeibeamten am Donnerstag in Brüssel. 14.000 Polizisten waren auf den Straßen der Hauptstadt unterwegs, um gegen eine Änderung der Pensionsregelung zu protestieren.
Gazet van Antwerpen fragt: Warum sollen Polizisten früher in Pension gehen können als der Rest der Bevölkerung? Ist ihr Job so viel schwerer als der ihrer Mitbürger? Auch die Polizei muss die Notwendigkeit längerer Berufskarrieren erkennen. Bei der Polizeireform 2001 wurden den Gewerkschaften alle Wünsche und Forderungen erfüllt. Dabei blieb es nicht bei Prämien und Zuschlägen. Ein Dutzend Extra-Vergütungen führten dazu, dass nicht wenige Beamte das Doppelte ihres Grundgehalts verdienten. Und jetzt sofort streiken wenn eine Vergünstigung gestrichen wird? Warum sollten Polizisten sich nicht an Urteile und Gesetze halten - und der gemeine Bürger wohl?, fragt Gazet van Antwerpen.
Demonstration ist ein Vorgeschmack
Het Laatste Nieuws meint: Wenn jeder länger arbeiten muss, ist es dann ungerecht, das auch von Polizisten zu verlangen? Nein, sagt die Zeitung. Unfair ist es aber, einen 50-Jährigen zu zwingen, seine Pensionspläne plötzlich um sechs oder sieben Jahre nach hinten zu verschieben. Wer die Spielregeln während des Spiels ändert, erntet Sturm. Die Demonstration von Donnerstag ist ein Vorgeschmack auf das, was die neue Regierung erwartet, wenn sie ihr wichtigstes Reformvorhaben beginnt: die unserer Renten. Eins ist klar: Ohne tiefgreifende Reform in den kommenden fünf Jahren gibt es für die Kinder der Demonstranten von Donnerstag keine Pension mehr, die diesen Namen verdient. Eine Reform muss den Menschen aber die Zeit gewähren, sich praktisch und mental darauf vorzubereiten, länger zu arbeiten, meint Het Laatste Nieuws.
Das belgische Rentensystem ist zutiefst ungerecht, meint Le Soir in seinem Kommentar. Historisch betrachtet wurden die Gehaltsunterschiede zwischen den Gendarmen und den Polizisten mit vorteilhafteren Pensionsregelungen für die Gendarmen kompensiert. Damit hat sich die Politik den Frieden innerhalb der großen Polizeifamilie erkauft. Doch solche Ungleichheiten gibt es in Belgien auch anderswo. Die Renten der Frauen sind durchschnittlich 25 Prozent niedriger als die der Männer. Auch bei den Beschäftigten des privaten und des öffentlichen Sektors gibt es Unterschiede. Eine kommende große Reform sollte daher die Vereinheitlichung des Rentensystems zum Ziel haben, meint Le Soir.
Seifenoper in der Rue de la Loi
"Wer wird Belgiens Premierminister?", fragt De Morgen. Fernsehsender, die noch auf der Suche nach einer Reality-Show sind, sollten sich von der Rue de la Loi inspirieren lassen. Man kann nicht anders als missbilligend auf dieses Schattenspiel schauen, das seit Tagen aufgeführt wird. Traut sich Charles Michel schon, oder traut er sich noch nicht? Eigentlich sollte diese Frage irrelevant sein. Fakt ist: Am Tisch sitzt eine dominante Partei, deren Vorsitzender sich öffentlich als Kandidat für den Premierministerposten präsentiert hat. Wenn die N- VA dieses Land in eine andere Richtung lenken will, dann muss sie auch formell die Führung übernehmen. Doch es geht nicht nur um Bart De Wever. Politik als Wille, eine Gesellschaft zu gestalten, ist zu einem taktischen Spiel verkommen. Wählerstimmen sind kein Instrument mehr, um ein Wahlprogramm zu verwirklichen, sondern Kapital, mit dem man so knauserig wie möglich wirtschaftet. Das ist eine institutionalisierte Form von Wählerbetrug, so De Morgen.
La Libre Belgique kommentiert den belgischen Start des amerikanischen Streaming-Dienstes Netflix. Reed Hastings ist ein Name, den man sich merken muss. Der Chef von Netflix ist einer der neuen Herrscher der Unterhaltungsindustrie. Sein Imperium Netflix ist Weltmarktführer beim Video-Streaming. In den USA hat er bereits jeden dritten Haushalt erobert und die Art und Weise, wie die Amerikaner Filme und Serien konsumieren, auf den Kopf gestellt. Jetzt sollen auch die Belgier von günstiger Unterhaltung profitieren. Bei den alteingesessenen Fernsehanbietern geht die Angst um. Gerade weil Netflix Low-Cost-Fernsehen bietet, sollten die belgischen Anbieter, neben der inhaltlichen Qualität, auch ihre Technik und den Bedienkomfort ernsthaft pflegen. Denn da hat Netflix einen großen Vorsprung, rät La Libre Belgique.
Hochschulsystem ist nicht demokratisch sondern elitär
De Standaard kommentiert eine mögliche Erhöhung der Einschreibegebühr an flämischen Hochschulen und Universitäten. Jahrzehntelang hat man die niedrigen Einschreibegebühren als demokratisch betrachtet. Das funktioniert aber nicht mehr. Das Hochschulwesen ist nicht demokratisch, sondern elitär. Es gibt drei Möglichkeiten, so die Zeitung. Erstens: Die Hochschulen und Universitäten erhöhen die Gebühr und lassen den Bürger für diese Dienstleistung bezahlen. Zweite Möglichkeit: Wir bieten einen quasi kostenlosen Hochschulunterricht und geben damit allen Bevölkerungsschichten eine Chance. Oder drittens: Wir passen uns dem höheren Gebührenniveau der meisten anderen europäischen Länder an und finanzieren damit Studienbörsen, um allen Talenten eine Chance zu geben.
Archivbild: Benoit Doppagne (belga)