"Wer will Premierminister werden?", titelt La Libre Belgique. Ein großes Fragezeichen auch auf Seite eins von Het Laatste Nieuws. "Regierungsbildner Charles Michel ist der große Favorit", meint L'Echo. Laut Het Nieuwsblad hat aber auch die scheidende Staatssekretärin Maggie De Block von der OpenVLD Chancen auf das Amt.
Nach dem Postenpoker mit völlig überraschendem Ausgang ist im Regierungsviertel wieder alles möglich, bemerken die Zeitungen. Belgien ist auf der Suche nach einem neuen Regierungschef.
Das ist schon merkwürdig, notiert La Libre Belgique. In allen anderen Ländern der Welt sind die Politiker heiß auf den Posten. Und bei uns in Belgien will das Amt scheinbar niemand mehr haben. Unsere Spitzenpolitiker verhalten sich wie lustlose Schüler, die auf ihre Füße oder auf die Decke starren, wenn die Lehrerin nach Freiwilligen sucht, um etwas vor der Klasse vorzutragen.
Le Soir sieht darin ein weiteres Anzeichen für ein Land, das dabei ist zu verfallen. Das Ende Belgiens, das ist das große Projekt von Bart De Wever. Die N- VA handelt allerdings nicht selbst, sondern lässt die anderen die "Drecksarbeit" machen. Auch die PS und die CDH sind mit ihrer überstürzten Regierungsbildung im Süden des Landes voll in die konföderale Falle getappt.
Bart De Wever zieht die Strippen
Wie dem auch sei, am Ende wird ein Liberaler neuer Premierminister. Darauf haben sich die vier Parteien bei den Koalitionsverhandlungen verständigt. Het Belang Van Limburg hält fest: "De Wever ist der Big Boss". Ohne seinen Segen wird niemand in die Amtsstube des Premierministers einziehen.
Het Laatste Nieuws findet: Wie ein römischer Kaiser kann De Wever als oberster Vertreter der stärksten Kraft am Verhandlungstisch jederzeit den Daumen heben oder senken. Er selbst zieht sich nach Antwerpen zurück. Das spricht zwar nicht gerade für den Verantwortungssinn eines Spitzenpolitikers, aber alles andere wäre mit De Wevers flämisch-nationaler Seele nicht vereinbar, meint die Zeitung.
Die größten Chancen auf das Amt des Premierministers in der Schwedischen Koalition hat nach Ansicht aller Blätter Charles Michel von der MR. La Libre Belgique meint: Ein französischsprachiger Premierminister, das wäre ein fairer Ausgleich für das flämische Übergewicht im angestrebten Mitte-Rechts-Bündnis.
L'Echo gibt allerdings zu bedenken: Für Michel und die MR birgt das Amt auch große Risiken. Der Premierminister einer Koalition muss ständig vermitteln und nach Kompromissen suchen. Die Partei, die den Regierungschef stellt, muss am Ende immer die größten Zugeständnisse machen. Die MR als einzige frankophone Kraft in der neuen Regierung würde dadurch möglicherweise geschwächt. Deshalb rät die Zeitung den frankophonen Liberalen: Lieber auf den Posten verzichten und dafür zwei Vize-Premiers und wichtige Ressorts aushandeln. Davon dürfte die Partei am Ende mehr haben.
Was wird aus Didier Reynders?
Das Blatt stellt sich aber noch eine andere Frage: Was wird jetzt aus Didier Reynders? Am Verhandlungstisch soll er den Tränen nahe gewesen sein. La Libre Belgique bemerkt: So tragisch das jetzt auch ist - der Einzige, der seit eh und je vom Premierministerposten träumt, wird es am Ende wohl niemals werden.
Zur liberalen Familie gehört neben der MR aber auch die OpenVLD. Als mögliche Anwärter auf das Amt werden Alexander De Croo, Patrick Dewael, die Vorsitzende Gwendolyn Rutten und allen voran das neue Schwergewicht der Partei, Maggie De Block, genannt.
CD&V hofft auf Post-De Wever-Ära
De Standaard fragt sich: Was ist in der langen Verhandlungsnacht passiert? Wie konnte es so weit kommen, dass die CD&V ihren Regierungschef in spe Kris Peeters geopfert hat? Die Antwort der Zeitung lautet: Die flämischen Christdemokraten wollen inhaltliche Akzente setzen und die geplanten harten Einschnitte im Sinne ihrer Basis sozialverträglicher machen. Mit dem Amt des Regierungschefs wäre das wohl nicht möglich gewesen, innerhalb der Koalition hätte die CD&V an Einfluss verloren.
De Morgen sieht noch einen anderen Grund: Mit Marianne Thyssen in der Kommission erhält die CD&V einen der wichtigsten Posten in der EU. Parteichef Wouter Beke will seine Leute überall unterbekommen und sie an wichtigen Stellen platzieren. In der Hoffnung, dass der N- VA-Sturm von Bart De Wever eines Tages vorüber ist.
Laut L'Avenir ist Marianne Thyssen eine ausgezeichnete Wahl für die EU. Die überzeugte Europäerin wird ein wichtiges Ressort in der neuen Kommission von Jean-Claude Juncker erhalten.
Rote Teufel und Kirchen-Kritiker
Alle Zeitungen berichten über das Comeback der Roten Teufel nach der Fußball-WM. Die Nationalmannschaft gewann das Freundschaftsspiel gegen Australien mit 2:0.
Het Nieuwsblad schreibt: Die neuen taktischen Impulse von Trainer Marc Wilmots sind vielversprechend. Das Fazit allerdings lautet: "Das Spiel war gut, aber noch nicht gut genug".
De Morgen berichtet über den Antwerpener Bischof Johan Bonny, der in Rom für Aufsehen sorgt. In einem Brief an den Vatikan ruft er dazu auf, dass die Katholische Kirche Homosexualität akzeptiert und Verständnis aufbringt für die künstliche Befruchtung, den Gebrauch der Pille in bestimmten Fällen und geschiedene Menschen. Laut De Morgen könnte der Belgier mit seinem Brief einen heftigen Schlagabtausch zwischen den Konservativen und den Progressiven in der Katholischen Kirche auslösen.
Foto: Dirk Waem (belga)