"Feuertaufe für die Schwedische Koalition", titelt De Standaard. Fast alle anderen Zeitungen, darunter Het Nieuwsblad und La Libre Belgique, sprechen vom "Großen Bluff der CD&V". "Pokerspiel um die wichtigsten Posten", meint De Morgen. Die Unterhändler der angestrebten Mitte-Rechts-Koalition haben die ganze Nacht über verhandelt.
Le Soir spricht vom "Kräftemessen" am Verhandlungstisch. Die flämischen Christdemokraten hatten gestern überraschend erklärt, auf das Premierministeramt für Kris Peeters verzichten zu wollen, wenn sie dafür ihre langjährige Europa-Abgeordnete Marianne Thyssen als belgische EU-Kommissarin durchsetzen können.
Die Liberalen hatten die CD&V zuvor vor die Wahl gestellt: Entweder den Premierminister- oder den EU-Kommissar-Posten. Beide Ämter könne die drittstärkste Partei in der Koalition nicht bekommen. Alle Beobachter waren davon ausgegangen, dass Kris Peeters Regierungschef würde und der scheidende Außenminister Didier Reynders von der MR in die EU-Kommission wechselt.
CD&V pokert um alles
Doch wie Het Belang Van Limburg bemerkt, versucht die CD&V zu pokern. Das Ziel: Die flämischen Christdemokraten wollen beide Spitzenposten ergattern. Und zwar mit diesem Hintergedanken: Würde Thyssen tatsächlich EU-Kommissarin, dann müsste das Amt des föderalen Regierungschefs an MR-Präsident Charles Michel gehen. Immer unter der Voraussetzung, dass die stärkste Kraft, die N-VA, weiterhin den Posten nicht für sich beansprucht.
Michel würde der neuen Regierung also seinen Namen geben, stünde symbolhaft für das Mitte-Rechts-Bündnis. Wegen der zu erwartenden Sparbeschlüsse würde er im französischsprachigen Landesteil dadurch noch mehr unter Druck geraten und ständig zum Sündenbock degradiert. Insgeheim hofft die CD&V also, dass die Liberalen von der MR am Ende dieser schwierigen Verhandlungsnacht freiwillig auf das Amt des Regierungschefs verzichtet und es ihr überlässt.
Sollte dieser Coup gelingen, spricht Gazet Van Antwerpen bereits vom "meisterlichen Schachzug der flämischen Christdemokraten". Het Nieuwsblad meint: CD&V-Präsident Wouter Beke ist ein hervorragender Pokerspieler, dessen Fähigkeiten niemand auf dem Schirm hatte. De Morgen gibt allerdings zu bedenken: Das Pokern bleibt ein gefährliches Spiel, man kann sich schnell überreizen. Abgesehen von den Machtspielchen haben wir von der neuen Koalition noch nicht viel gesehen, bedauert das Blatt.
Psychodrama in der Rue de la Loi
Auch La Libre Belgique weiß nicht, ob sie lieber lachen oder weinen sollte. Natürlich gehört das Feilschen um die Macht zu jeder Koalition dazu, das liegt in der Natur der Sache. Was der Zeitung allerdings Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass die vier Parteien bereits Startschwierigkeiten haben. Sollte sich dieses Psychodrama in den nächsten Jahren fortsetzen, dann Prost Mahlzeit!
L'Avenir fügt hinzu: Im Moment hat man fast den Eindruck, dass die CD&V und die MR durch ihre Zankereien verbergen wollen, wer wirklich der Herr im Hause ist. Die N-VA, die größte Partei am Verhandlungstisch, hat sich in den letzten Tagen auffällig zurückhaltend gegeben…
Stromengpass: Wer ist schuld?
Alle Zeitungen blicken auf die sogenannten "Stromabschaltpläne", die das Innenministerium gestern vorgestellt hat. Im Falle eines Versorgungsengpasses an kalten Wintertagen könnte in einigen Kommunen des Landes vorsorglich der Strom abgestellt werden, um einen Blackout, einem völligen Zusammenbruch des belgischen Elektrizitätsnetzes, zu verhindern.
Fast 400 Gemeinden im Land, also rund zwei Drittel der Kommunen, sind von den Notfallplänen betroffen. Netzbetreiber Elia erklärt in L'Echo: An rund 20 Tagen in diesem Winter wird wohl der Strom für zwei bis drei Stunden in einigen Landesteilen abgeschaltet werden müssen.
Le Soir findet: In wenigen Monaten werden also ausländische Fernsehteams nach Belgien kommen und filmen, wie in einem westeuropäischem Land hier und da der Strom vorsorglich abgeschaltet werden muss. Wer ist für dieses Debakel verantwortlich? Die Politik, der Netzbetreiber oder die Energieversorger? Wer hat es versäumt, die Stromversorgung in Belgien nachhaltig zu sichern? Im Moment spielen sich die Hauptakteure gegenseitig den Schwarzen Peter zu, doch irgendwann - möglicherweise bald - wird es die ersten Schadenersatzforderungen geben, ist die Zeitung überzeugt.
L'Echo sieht drei Ursachen. Erstens: der inkonsequente Atomausstieg aus dem Jahr 2003. Zweitens: die Übergangsfrist, in der nichts geschehen ist. Zwar wurde in erneuerbare Energiequellen investiert, aber überhaupt nicht in verlässliche Alternativen für den Atomstrom. Und drittens: die unausgegorene Liberalisierung des Energiemarkts durch die ultraliberale EU-Kommission. Stichwort Verkauf von Electrabel.
Preise sinken
Het Laatste Nieuws berichtet, dass die Verbraucherpreise in Belgien zum ersten Mal seit 20 Jahren gesunken sind. Der sogenannte Shopping-Index des Einzelhandelsverbandes Comeos verzeichnet einen Rückgang um 0,75 Prozent. Am stärksten sind die Preise für Obst und Gemüse gefallen, dahinter folgen elektronische Geräte.
Bild: Eric Lalmand (belga)