"Bernard Wesphael ist frei", titelt La Dernière Heure. "Bernard Wesphael unter Auflagen auf freiem Fuß", so die Schlagzeile von Le Soir. "Frei bis zu seinem Prozess", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins.
Die Anklagekammer von Gent hat überraschend den ehemaligen Ecolo-Politiker Bernard Wesphael auf freien Fuß gesetzt. "Wir hatten die Hoffnung fast schon aufgegeben, sagt sein Anwalt in La Libre Belgique. Wesphael saß seit November 2013 in U-Haft. Er wird beschuldigt, seine Frau umgebracht zu haben.
Véronique Pirotton war am 31. Oktober 2013 im Hotelzimmer des Paars in Ostende tot aufgefunden worden. Wesphael spricht von Selbstmord. Die Staatsanwaltschaft ist aber weiterhin davon überzeugt, dass Wesphael seine Frau im Affekt getötet hat. "Wesphael bleibt beschuldigt", wie auch L'Avenir auf seiner Titelseite hervorhebt.
Die "besondere" Affäre Wesphael
Die Affäre hatte immer einen besonderen Anstrich, notiert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Dies natürlich wegen des Umstandes, dass Bernard Wesphael zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung Mitglied des Wallonischen Regionalparlaments war. Allein die Frage, ob man ihn trotz seiner parlamentarischen Immunität ins Gefängnis stecken durfte, hatte für kontroverse Diskussionen gesorgt. Andere unterstellten der Justiz in Brügge gemeinschaftspolitische Hintergedanken. Hoffentlich kehrt jetzt endlich Besonnenheit ein.
Der Fall Wesphael hat eine Reihe von grundsätzlichen Fragen aufgeworfen, bemerkt auch Le Soir. Das gilt insbesondere für das Konzept der Untersuchungshaft. Die belgische Justiz greift unverhältnismäßig häufig und schnell darauf zurück. Man sollte die Affäre Wesphael zum Anlass nehmen, um eine Debatte über Sinn und Unsinn der Untersuchungshaft zu führen.
"Es gibt kein Entrinnen"
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch heute mit den laufenden Koalitionsverhandlungen. "Die Jagd auf die Milliarden ist eröffnet", so formuliert es das Börsenblatt L'Echo. "Der Föderalstaat wird auf Diät gesetzt", weiß La Libre Belgique. Insgesamt müssen bis 2019 rund 17 Milliarden Euro aufgebracht werden, um den Staatshaushalt ins Gleichgewicht zu bringen. Der nötige Sanierungskurs sorgt schon jetzt für Spannungen innerhalb der Schwedischen Koalition. "Die CD&V widersetzt sich einen blinden Sparkurs, die N- VA will noch mehr für die Arbeitgeber tun", fasst es De Standaard zusammen.
Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit, analysiert De Standaard in seinem Leitartikel. Und niemand wird ungeschoren davonkommen. Es gibt kein Entrinnen. Zwar deutet sich auf EU-Ebene eine Lockerung des Sparkurses an. Doch sollte man sich keine Illusionen machen, eine wirkliche Atempause dürfte es nicht geben. Heißt also: Der Bürger wird zur Kasse gebeten und muss zugleich mit weniger staatlichen Dienstleistungen auskommen. Wer davor Angst hat, der hätte nicht für rechte Parteien stimmen dürfen.
Doch wie glaubwürdig wäre eine linke Politik, fragt sich Het Laatste Nieuws. Wenn alle kleinen Arbeitnehmer gemäß ihrer scheinbaren Interessen für die Sozialisten gestimmt hätten, dann wäre die SP.A wohl eindeutig stärkste Kraft. Doch offensichtlich glaubt Otto Normalverbraucher nicht an die sozialistische Mär, wonach man das Geld allein bei den Reichen holen kann. Wer den Bürgern das weismachen will, der gehört mit Eiswasser übergossen.
Knatsch um Kommissar
"Wieder Aufschub bei der Benennung des belgischen EU-Kommissars", titelt De Morgen. Die Parteien der Schwedischen Koalition schaffen es nicht, sich auf die Besetzung des EU-Spitzenamts zu verständigen. Zuletzt hatte die CD&V-Politikerin Marianne Thyssen Anspruch auf das Amt erhoben. Die MR glaubt aber, dass die CD&V mit dem Premierminister schon gut bedient wäre und beansprucht ihrerseits den Posten des EU-Kommissars. Eigentlich wollten die Belgier zum EU-Gipfel am Samstag ihren Kandidaten präsentieren. Bis dahin wird es aber wohl keinen belgischen Namen geben, orakelt De Morgen.
Das ist ein wirkliches europäisches Puzzle, bemerkt L'Echo in seinem Leitartikel. Für Marianne Thyssen spricht, dass sie eine Frau ist, aber eben auch hochkompetent. Gegen sie spricht, dass sie Christdemokratin ist. Die Liberalen wären nämlich ihrerseits in der neuen Kommission unterrepräsentiert. Didier Reynders gilt ebenfalls als äußerst fähig. Da stellt sich die Frage, ob es sich MR-Chef Charles Michel bei aller Abneigung erlauben kann, auf einen so erfahrenen Mann wie Didier Reynders in einer Regierung zu verzichten. Nicht vergessen: Auch der amtierende EU-Kommissar Karel De Gucht ist noch im Rennen. Wie gesagt: ein ziemlich komplexes Puzzle.
Düstere Welt ohne europäischen Stempel
Stichwort: EU-Gipfel. Wenn die Staats-und Regierungschefs am Samstag erstmals seit sechs Wochen wieder zusammenkommen, dann treffen sie sich in einer Welt, die düsterer geworden ist, meint De Morgen in einem nachdenklichen Kommentar. Man denke an die Ukraine, man denke an den Gaza-Streifen, man denke an den IS-Terror im Irak und in Syrien. In solchen Momenten wünscht man sich, dass Europa Führungsqualitäten an den Tag legt. Stattdessen wird es am Samstag aber vor allem um Pöstchen gehen. Nirgendwo ist die Kluft größer zwischen dem, was Politiker wollen, und dem, was sie gezwungen sind zu tun. Und das befeuert allein das Misstrauen gegen Europa.
Viele Zeitungen bringen heute eine beeindruckende Zahl: 1.000 Milliarden Liter Regen an einem einzigen Tag, hebt Het Nieuwsblad auf Seite eins hervor. Het Laatste Nieuws hat versucht, dass zu veranschaulichen: 1.000 Milliarden Liter Regenwasser, das entspricht 480.000 olympischen Schwimmbädern oder 20 Milliarden Waschmaschinen.
Bild: Nicolas Materlinck/BELGA